Die Grippe-Welle legte 1918 den Fussball lahm – nur in Basel wurde munter weitergekickt 😳

Bolzplatz-Kolumnist Benedikt Pfister war wieder einmal im Archiv und hat wirklich Erstaunliches gefunden zum Thema Fussball und Social Distancing auf Basler Plätzen. Eine spannende Zeitreise, Film ab!

grippe-fussball-1918

Die Muttenzerkurve erinnerte in den letzten Tagen daran, was zur Zeit wirklich zählt. «D Helde vo dääne Dääg trage Wiss statt Rotblau» steht auf mehreren Transparenten, die von den Fans vor Spitälern aufgehängt wurden. So ist es. Unser Applaus gilt dem Pflegepersonal.

Fussball ist eben nur die schönste Nebensache. So wurden die Verschiebung der Fussball-Europameisterschaft ins Jahr 2021 und die drohenden Absagen der diversen Fussballigen berechtigterweise zur Randnotiz. 

Die Gesundheit ist wichtiger als alles andere. Schön, dass dies auch in der Fussballwelt so gesehen wird. 

Umso skurriler wirkt deshalb aus heutiger Sicht eine fussballhistorische Episode aus dem Herbst 1918. Die Welt befand sich noch im Krieg und seit Sommer wütete die «Spanische Grippe» heftig. Auch in der Schweiz. Der Basler Regierungsrat hatte die Schulen und Universitäten geschlossen und Veranstaltungen, etwa die Durchführung der Herbstmesse, verboten. 

Eine einheitliche Handhabung gab es allerdings nicht. Nachvollziehbar, dass die meisten Städte auch Sportveranstaltungen untersagten. 



«Die jüngere Generation ist besonders gefährdet»

Die Fussballmeisterschaft der Saison 1918/19 begann allerdings noch ordnungsgemäss anfangs Oktober. Der FCB reiste – zu zehnt! – nach La-Chaux-de-Fonds, dessen Torwart im Juli zu den ersten Todesopfern der Grippe-Welle gehört hatte, und verlor 1:4. 

Ab Mitte Oktober war es dann aber vorbei mit Fussball. Das Spielverbot wegen der Grippe-Epidemie galt in praktisch allen Städten der Schweiz. «Der Umstand, dass die jüngere Generation, die gerade das grösste Kontingent unserer Zuschauer auf dem Sportplatze bildet, besonders gefährdet ist, muss uns eine gewisse Reserve auferlegen, und es wäre verfehlt, wollten wir für unsere Veranstaltungen eine besondere Behandlung verlangen», schrieb der Fussballverband am 17. Oktober 1918 in der «Schweizerischen Fussball-Zeitung». 

Aus die Maus mit Fussball in der Schweiz also? Nein. In Basel und Genf rollte der Ball weiter. Ausgerechnet Ende Oktober, als die Grippe-Welle am stärksten wütete, fand auf dem Landhof ein offizielles regionales Turnier mit dem FC Basel, dem BSC Old Boys und dem FC Nordstern statt. Den Fans und Spielern war eine mögliche Ansteckung mit dem Grippe-Virus offensichtlich egal. 



Rudelbildung statt Social Distancing

Bereits im ersten Spiel am Morgen zwischen dem FCB und dem FC Nordstern kam es auf dem Platz zu einer Rudelbildung mit Tätlichkeiten. Als sich die beiden Teams am Nachmittag erneut gegenüberstanden, entlud sich die aufgeladene Spannung. Nach einem Zweikampf blieb ein FCB-Spieler am Boden liegen. Der Schiedsrichter hatte aber kein Foul gesehen und liess das Spiel weiterlaufen. 

Einige FCB-Fans reagierten wütend. Sie stürmten das Spielfeld und legten dem Schiedsrichter nahe, den beteiligten Nordstern-Spieler vom Platz zu stellen. Der Schiedsrichter sah dazu keinen Grund und blieb standhaft. Darauf verliessen die FCB-Spieler – von den Fans aufgefordert und unter Applaus – den Rasen und provozierten einen Spielabbruch. Da es sich um ein offizielles Turnier handelte, strafte der nationale Fussballverband die beiden Clubs und die betroffenen Spieler mit Geldbussen. 

Danach entspannte sich die Situation nicht nur auf den Fussballplätzen in Basel. Der Krieg endete am 11. November. Ende des Monats begann sich abzuzeichnen, dass die Grippe-Epidemie in der Schweiz ihren Höhepunkt hinter sich hatte. Die Verbote wurden gelockert und die Schliessungen von Schulen und anderen Lokalen aufgehoben. Auch der Landesstreik war offiziell beendet. Der Fussballbetrieb hätte also seinen Normalbetrieb wieder aufnehmen können. 

Trotz aller Turbulenzen konnte die Saison 1918/19 zu Ende gespielt werden. Es wäre schön, wenn wir dies irgendwann auch über die aktuelle Fussballsaison sagen könnten.

Hätte. Denn ein weiteres ausserordentliches Ereignis trat ein. Die Schweizerischen Bundesbahnen reduzierten anfangs Dezember wegen Kohlemangels ihren Betrieb. Am Sonntag, dem klassischen Fussballtag, war der Eisenbahnverkehr für den Personentransport eingestellt. Die Spieler konnten somit nicht an Auswärtsspiele reisen.

Was also tun? Bis im Frühling spielten die Basler Clubs ausschliesslich gegeneinander. Die Spieler des FCB konnten ohne Probleme zu Fuss zwischen den damaligen Spielorten, dem Landhof und der Margarethenwiese, hin- und herlaufen. Erst am 20. April 1919 reiste der FCB wieder zu einem Spiel ausserhalb der Stadt. Gegen den späteren Meister, den FC Étoile aus La-Chaux-de-Fonds, holte der FCB ein 1:1. 

Trotz aller Turbulenzen konnte die Saison 1918/19 zu Ende gespielt werden. Es wäre schön, wenn wir dies irgendwann auch über die aktuelle Fussballsaison sagen könnten. Dann wäre es irgendwie auch egal, ob die Helden Rotblau, Schwarzgelb oder Grünweiss tragen.

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