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Subvention, oder was?

Kurzarbeit gegen Zeit: Die Wette gilt

Die Kurzarbeit im April kostet 5 bis 7 Milliarden Franken – so viel wie sonst pro Jahr. Der Bund will schweizweit nochmals 14 Milliarden Franken einschiessen. Ist das noch vernünftig?

05/07/20, 02:29 PM

Aktualisiert 05/07/20, 02:53 PM

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Dies ist ein Gastbeitrag von tsüri.ch, dem unabhängigen Partnermedium von Bajour.

Die neusten Zahlen zur Kurzarbeit sind schwindelerregend. Der Bund rechnet mit Ausgaben der Arbeitslosenkasse fürs Jahr 2020 im Umfang von rund 20 Milliarden Franken. Das teilte Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Seco am Mittwochmorgen an einer Medienorientierung mit. Normalerweise liegen die jährlichen Ausgaben des Ausgleichfonds der Arbeitslosenversicherung (ALV) bei 6 bis 7 Milliarden Franken.

37 Prozent der Schweizer Beschäftigten für Kurzarbeit angemeldet

Schuld an den massiven Ausgaben wird die horrende Zahl an Kurzarbeitsbeiträgen sein. «Die Zunahme der Anmeldungen in den letzten beiden Monaten ist von historischem Ausmass», sagte Zürcher. Ende Februar zählte man 11'000 Anmeldungen für Kurzarbeit, Ende April lagen die Anmeldungen bei 1,92 Millionen Arbeitnehmer*innen. Das sind 37 Prozent der Beschäftigten in der Schweiz.

Die Kurzarbeit ist ein wirtschaftspolitisches Instrument. Es soll verhindern, dass bei vorübergehenden Krisen der Wirtschaft Arbeitsplätze abgebaut werden. Die wegfallenden Löhne der betroffenen Angestellten werden also zeitlich befristet und zu 80 Prozent von der Arbeitslosenkasse (ALV) übernommen. Diese Versicherung wird im Normalfall hälftig via Lohnnebenkosten von den Arbeitnehmenden und den Arbeitgebenden gefüllt. Jetzt aber reicht dies nicht aus, um das Loch zu stopfen. Deshalb springt der Staat mit Geld aus dem ordentliche Bundeshaushalt, also mit Steuergeldern, ein.

Noch weiss man zwar nicht, für wie viele Arbeitsstunden die Betriebe konkret Kurzarbeit abrechnen. Dafür haben sie drei Monate Zeit. Doch Zürcher rechnet aufgrund des Lockdowns und vielen Betriebsschliessungen mit einem hohen Anteil von Beanspruchungen und einem hohen Anteil an Ausfallstunden. In einer ersten groben Schätzung geht das Seco laut Zürcher für den Monat April von Ausgaben von 5 bis 7 Milliarden Franken für Kurzarbeit aus.

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Damit wäre der Ausgleichfonds aber schon bald im Minus. Denn dieser hatte laut Zürcher am Dienstagabend noch 5,5 Milliarden Franken auf dem Konto. Anfang Jahr betrugen die Reserven 1,75 Milliarden und im März hatte der Bundesrat 6 Milliarden Franken eingeschossen. Der Fonds sei korrekt ausfinanziert und könne auch nicht illiquide werden, beschwichtigt Zürcher.

«Eine Erhöhung der Beiträge wäre keine geschickte Wirtschaftspolitik.»

Boris Zürcher, Leiter Direktion für Arbeit Seco

Eine Zusatzfinanzierung von weiteren 14 Milliarden Franken ist nun aber laut Zürcher geplant. Damit würde der Bund dieses Jahr 20 Milliarden in den ALV einschiessen. Eigentlich könnte der Fonds zwar Schulden von rund 8 Milliarden Franken machen. Doch wenn die Schulden ein gewisses Mass übersteigen, müsste der Bundesrat den Beitragssatz erhöhen und das will man laut Zürcher vermeiden. «Denn das würde prozyklisch wirken, was zu vermeiden ist», sagte er. «Eine Erhöhung der Beiträge wäre keine geschickte Wirtschaftspolitik.»

«Die ausserordentlich hohe Zahl der Kurzarbeit zeigt den starken Willen der Unternehmen, die Stellen zu erhalten», bilanzierte Zürcher weiter. Man hätte auch einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit erwarten können. «Doch die Kurzarbeit ist eine Wette auf die Zukunft», so Zürcher. Die Dauer sei entscheidend. Es sei eine temporäre und provisorische Massnahme, ein vorübergehender Strukturerhalt.

Kommt die Schweiz mit einem blauen Auge davon?

Doch die Kosten seien hoch. «Im Moment scheint das Instrument der Kurzarbeit gewirkt zu haben», sagt Zürcher. Doch die Dauer der Beanspruchung sei entscheidend, ob die Wette funktioniere. Normalerweise ist Kurzarbeit auf drei Monate beschränkt. In der Krise wurde sie bis 31. August verlängert. Entscheidend sei, dass nun die Lockerungen des Lockdowns in der Wirtschaft wirksam würden und die internationale Konjunktur der Schweiz nicht zu stark zusetze.

«Wir gehen davon aus, dass die Schweiz mit einem blauen Auge davonkommt, aber die Kosten sind immens», so Zürcher. Der Staat könne dieses aktuelle Kurzarbeitsregime aber nicht lange halten. «Sonst würde der Staat ja quasi die Wirtschaft verstaatlichen.»

«Die Prinzipien für den Bezug von Kurzarbeit sind im Gesetz festgelegt.»

Boris Zürcher, Seco

In der politischen Debatte um die Kurzarbeit und die Dividendenzahlungen wird von bürgerlicher Seite oft argumentiert, dass die Kurzarbeit eine Versicherung sei, für die man Geld eigezahlt habe und nicht eine Subvention des Staates.

Doch mit Zahlungen von 6 oder bald 20 Milliarden Franken wird die Kurzarbeit für 2020 fast gänzlich aus dem Bundeshaushalt finanziert, ähnlich wie zum Beispiel die Direktzahlungen für Landwirtschaft. Dennoch sieht auch der Seco-Beamte Zürcher die Kurzarbeit noch immer als eine Versicherung an. «Die Prinzipien für den Bezug von Kurzarbeit sind im Gesetz festgelegt.» Daran habe sich nicht geändert. «Daher betrachte ich das weiterhin nicht als Subvention.»

438 Einsprachen gegen Missbrauch

Zur Missbrauchsbekämpfung erläuterte Zürcher, dass das Seco bei den Kantonen 438 Einsprachen gegen Bewilligungen gemacht habe. Dabei gehe es vor allem um die öffentlich-rechtlichen Unternehmen, die kein Entlassungsrisiko hätten.

Die Rechtlage sei da keineswegs unklar, sagte Zürcher. Für die Kurzarbeit gelte laut Gesetz seit 1984, dass damit Entlassungen vermieden werden sollten. Wenn aber Unternehmen einen öffentlichen Leistungsauftrag zu erfüllen hätten, müssten sie dies unabhängig von Kundenfrequenz oder Kundeneinnahmen sicherstellen.

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