Drei Baueingaben und ein Todesfall

Im Gellert stehen die Häuser an der Hardstrasse 112 bis 116 seit 16 Jahren leer, obwohl schon lange geplant ist, dort Wohnungen zu bauen. Verschiedene Projekte wurden ent- und wieder verworfen und umgeplant. Jetzt wären die Behörden mit den Plänen endlich zufrieden. Gebaut wird trotzdem nicht.

Seit Jahren stehen die Häuser an der Hardstrasse 112 bis 116 leer.
Seit Jahren stehen die Häuser an der Hardstrasse 112 bis 116 leer.

Es sind zwei schöne Stadthäuser, um die sich Familien mit urbanen Wohnträumen reissen würden. Doch in den altehrwürdigen Gebäuden an der Hardstrasse 112 und 114 haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten nur Tauben und andere Tiere längerfristig häuslich niedergelassen. Auch die benachbarte Eckliegenschaft mit der Nummer 116 wird langsam von der Natur zurückerobert: Um das vierstöckige Mehrfamilienhaus wächst Unkraut und im Hinterhof wuchert das Gebüsch, dass es für Igel eine Freude ist, dort zu leben.

Über dem Eingang des Lokals im Erdgeschoss lädt zwar noch das Schild «Restaurant Gellert» Besucher*innen ein, doch ein Bauzaun der Firma Spaini AG verhindert den Zutritt. Diesen verschafften sich einige Wagemutige zweimal – 2016 und 2018. Beide Besetzungen wurden jedoch nach kurzer Zeit beendet – seither herrscht wieder gähnende Leere.

Gekocht wurde hier schon sehr lange nicht mehr.
Gekocht wurde hier schon lange nicht mehr.

«Es ist eine unmögliche Situation für das Quartier», hält Beata Wackernagel fest. Der Präsidentin des Neutralen Quartiervereins ist anzumerken, dass sie des Themas müde geworden ist – zu lange schon verbreiten die Gebäude an der Ecke Hardstrasse/Wartenbergstrasse Ghettoatmosphäre im beschaulichen Gellert. Der jahrelange Leerstand ist der Quartierbevölkerung ein Dorn im Auge, als Schandfleck wird der Ort bezeichnet. Das geht im gesetzten Quartier so weit, dass die Häuserbesetzungen von verschiedener Seite begrüsst wurde.

Eine stumme Anklage, die noch von einer der Besetzungen stammt.
Die Spuren der Besetzung aus dem Jahr 2016 sind nicht zu übersehen.

2016 fragte die LDP-Grossrätin und Quartierbewohnerin Patricia von Falkenstein gar den Regierungsrat an, ob der Kanton die Liegenschaften kaufen könnte, um den Unort so zu beseitigen. Sie hatte keinen Erfolg: «Die Antwort des federführenden Finanzdepartements war schnoddrig, meine Fragen wurden nicht beantwortet.» Seither hat sich die Politikerin nicht mehr aktiv mit den Häusern auseinandergesetzt. Sie verweist auf den Quartierverein und den Quartierkurier, das Blatt berichte ab und zu über die Häuser – «die Informationen widersprechen sich dort immer mal wieder.»

Licht ins Dunkel bringt eine Anfrage an den Besitzer der Liegenschaften und CEO der Firma Spaini AG, Benno Büchel. Die Häuser sind seit 2004 unbewohnt. Die Kantons- und Stadtentwicklung suchte Kontakt mit dem Besitzer, um eine zeitnahe Nutzung oder Zwischennutzung zu diskutieren – etwa für Student*innenwohnen. 2012 sei das gewesen, so der Leiter der Kantons- und Stadtentwicklung, Lukas Ott.

Man habe das Gespräch gesucht, sagt Stadtentwickler Lukas Ott.
Nach acht Jahren Leerstand sollte eine Zwischennutzung her.

Doch für Büchel – er kann sich nicht an die Kontaktaufnahme erinnern – ist eine Zwischennutzung nicht denkbar. «Die Gebäude sind unbewohnbar weil sie weder über Strom noch Wasser oder Heizung verfügen», schreibt er auf Anfrage. Für die Stadtentwickler*innen erledigte sich das Thema sowieso bald wieder: «Schliesslich stellte sich heraus, dass bereits ein Baugesuch eingereicht oder zumindest in Vorbereitung war.» Und: «Bis heute dürfte es mehrere Bauprojekte und -gesuche gegeben haben», sagt Ott.

In der Tat wurde laut Büchel bereits 2006 eine Bewilligung für ein erstes Bauprojekt ausgesprochen. Das fand jedoch nicht bei allen Miteigentümer*innen Zuspruch, das Projekt scheiterte. Der damalige Architekt und Miteigentümer verstarb 2010. Eine Erbengemeinschaft trat an seine Stelle. Nach der Regelung der Erbschaftsverhältnisse starteten die neuen Besitzer*innen 2014 unter Büchels Federführung im Namen der Spaini Bau AG einen neuen Versuch, der Ecke Hardstrasse/Wartenbergstrasse wieder Leben einzuhauchen.

Sie wollten eine Baubewilligung für eine Wohnüberbauung mit 23 Wohnungen, drei Ateliers und einer Einstellhalle. «Leider konnte sich die Stadtbildkommission mit dem Projekt nicht anfreunden», schreibt Büchel.

Der zweite Vorschlag kam bei der Stadtbildkomission nicht gut an.
Auch der zweite Vorschlag für den Neubau scheiterte.

Das Bauvorhaben sei deshalb mit neuen Architekten überarbeitet worden. Ein Vorgehen, das sich lohnte, denn der Neubau soll in einer sensible Umgebung entstehen, erklärt Mathis Müller-Ulrich von der Stadtbildkommission. Zwar liegen Büchels Liegenschaften in der Bauzone vier, wie die gesamte Häuserzeile an der Hardstrasse auch.

Doch die Grundstücke an der Wartenbergstrasse, die von hinten an die zu bebauenden Parzellen grenzen, stehen in der Stadt- und Dorfbildzone: Die Häuser dort finden sich im Inventar schützenswerter Bauten. «Man musste deshalb darauf achten, wie der Übergang des neuen Projekts zu diesen Gebäuden gestaltet wird», erklärt Müller-Ulrich.

Die Übergangsgestaltung zu den schützenswerten Gebäuden erwies sich als Hürde.
Die schützenswerten Häuser in der unmittelbaren Nachbarschaft sorgten für weitere Hürden.

Er attestiert Büchel den Willen, sein Bauvorhaben so zu gestalten, dass es qualitativ in die Umgebung passt. Mit dem überarbeiteten Projekt sei seine Fachstelle einverstanden gewesen und habe grünes Licht gegeben. So reichte Büchel vor drei Jahren erneut eine Baueingabe beim Bauinspektorat ein.

Schliesslich geben die Behörden grünes Licht.
Die Fachstelle gab grünes Licht, aber...

Alles eitel Sonnenschein – könnte man denken, als Büchel im September 2019 den Bauentscheid vom Bauinspektorat erhält. Doch mindestens zwei Rekurse gehen gegen den Bautentscheid ein: von Büchel und den Nachbar*innen aus der Nummer 110. Denn von dort überlappt eine Dachtraufe die Parzellengrenze zur Nummer 112. «Damit lässt sich nicht bauen», sagt Büchel. Solange sich die beiden Parteien nicht zivilrechtlich geeinigt haben, geht es beim Bauvorhaben nicht weiter.

Kleine Traufe, grosses Problem.
Kleine Dachtraufe, grosses Problem.

Dass die Fronten verhärtet sind, ist bei einer Stippvisite in der Nummer 110 zu spüren. Zwar ist der Empfang des Ehepaars, das dort in geschmackvoller Einrichtung lebt, freundlich. Doch Auskunft geben möchte man gegenüber der Presse lieber nicht – auch nicht auf nochmaliges Nachfragen per Telefon. Das Verfahren scheint zu einem Kleinkrieg zwischen verfeindeten Nachbar*innen geworden zu sein.

Ob es sich dabei um einen Kampf David gegen Goliath, sture Häuschenbesitzer*innen gegen bauwillige Investor*innen, oder Bewahrer*innen gegen Zerstörer*innen handelt, darüber kann nur gemutmasst werden. Denn wie schon so oft in dieser unseligen Geschichte an der Hardstrasse, sind nun wieder alle Schotten dicht – über ein laufendes Verfahren gibt niemand Auskunft. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Tauben, Igel und Pflanzen wird es freuen.

Diese Tür bleibt wohl noch eine Weile zu.
Es wird noch etwas dauern, bis diese Tür wieder geöffnet wird.

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