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Erste Staatsanwältinnen im Job-Sharing: Kann man so viel Macht teilen?

In Baselland besetzen künftig zwei Frauen das Amt der Ersten Staatsanwältin. Das sorgt für Kritik und Zweifel: Kann man so eine verantwortungsvolle Position teilen? Wir haben mit Jacqueline Bannwarth und Patrizia Krug geredet.

Ina Bullwinkel

06/18/21, 02:36 AM

Aktualisiert 09/15/21, 03:42 PM

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Zusammen statt allein: Jacqueline Bannwarth (l.) und Patrizia Krug arbeiten je 50 Prozent als Erste Staatsanwältin.

Zusammen statt allein: Jacqueline Bannwarth (l.) und Patrizia Krug arbeiten je 50 Prozent als Erste Staatsanwältin. (Foto: Stawa Baselland/Sabrina Stäubli/Collage by Bajour)

Das hat es in der Schweiz noch nicht gegeben: Zwei Frauen teilen sich das Amt der Ersten Staatsanwältin eines Kantons. Die beiden Pionierinnen heissen Jacqueline Bannwarth und Patrizia Krug. Zusammen werden sie ab 1. Juli an der Spitze der Baselbieter Staatsanwaltschaft stehen – im Job-Sharing.

Job-Sharing? Das heisst, die beiden teilen sich eine Stelle – bei Kaderpositionen wie dieser spricht man auch von «Top-Sharing». Dieses Arbeitsmodell ist nicht überall gut angekommen. So ein sensibles und wichtiges Amt gehöre in die Hände einer Person, es könne Schwierigkeiten und Verzögerungen beim Treffen bedeutender Entscheidungen geben, wurde im Baselbieter Landrat seitens der SVP kritisiert.

Auch die Qualifikation der beiden Frauen war Thema, dabei sprach die Baselbieter SP-Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer, die die Stelle besetzte, von der «besten Kandidatur». Am Ende hat der Landrat dem Top-Sharing zugestimmt und die beiden Kandidatinnen gewählt.

Frau Bannwarth, Frau Krug, freuen Sie sich auf Ihren neuen Job?

Patrizia Krug: Ich freue mich sehr. Auch darüber, dass wir das lange Bewerbungsverfahren hinter uns haben und gewählt wurden.

Jacqueline Bannwarth: Das ist bei mir genauso. Ich bin jemand, der seine Sachen gern in hohem Tempo angeht. Nachdem die Wahl geklappt hat, können wir ankommen und alles vorbereiten. 

Frau Bannwarth, sie arbeiten 26 Jahre auf dem Beruf, bei Frau Krug sind es 23 Jahre. Das ist eine lange Zeit. Was reizt Sie an diesem Beruf? 

Krug: Mich hat immer schon das Strafrecht interessiert, schon als Jugendliche. Wir sind nah am Leben, arbeiten viel mit der Polizei zusammen. Das ist kein trockener Juristenberuf, bei dem man einfach im Kämmerlein sitzt und vor sich hinschreibt, so einen Job könnte ich mir nicht vorstellen.

Bannwarth: Am Morgen, wenn wir ins Büro kommen, wissen wir nie, was auf uns zukommt. Die Vielfalt der Geschäfte und die Geschwindigkeit, mit der wir entscheiden müssen, faszinieren mich. Man sieht das Leben in all seinen Facetten, wenn man die Einvernahme macht von den Beschuldigten und den Zeugen, das ist etwas extrem Spannendes.

Sie sind ganz frisch in Ihr Amt gewählt, am 1. Juli treten Sie offiziell in den neuen Dienst. Dass Sie die Stelle der Ersten Staatsanwältin im Job-Sharing mit je 50 Stellenprozent antreten, führte im Vorfeld ihrer Wahl zu heftigen Diskussionen. Wie haben Sie diese wahrgenommen?

Bannwarth: Wir haben das einfach zur Kenntnis genommen. Dass es verschiedene Meinungen gibt, ist ja immer so. Die einen finden es gut, die anderen nicht. 

Krug: Frau Bannwarth ist aktuell noch meine Chefin und arbeitet schon seit sieben Jahren mit einer Kollegin im Job-Sharing. Als wir uns als Team für diese Stelle im Top-Sharing beworben haben, war das für uns schon ein bekanntes Arbeitsmodell. Wir haben aber festgestellt, dass sich manche Leute das Job-Sharing gar nicht vorstellen können, weil sie es nicht kennen, vor allem nicht auf dieser Hierarchiestufe. Und alles, was man nicht kennt, schürt Angst. 

«Manche Leute können sich das Job-Sharing nicht vorstellen. Und alles, was man nicht kennt, schürt Angst.»

Patrizia Krug, Erste Staatsanwältin Baselland

Spüren Sie Druck, Ihre Arbeit besonders gut zu machen, weil das Modell Job-Sharing auf Kaderstufe möglicherweise am Erfolg Ihrer Leistung gemessen wird? 

Bannwarth: Wir stehen sicher unter besonderer Beobachtung. Aber es ist unser Anspruch, dass wir die Funktion im Job-Sharing so gut wie möglich wahrnehmen. Unabhängig davon, ob da bestimmte Erwartungen an uns als Pionierinnen in dieser Funktion bestehen oder nicht. 

Was glauben Sie, wie diese besondere Beobachtung aussehen wird? 

Bannwarth: Ich kann mir vorstellen, dass einerseits die Vertretung nach aussen, andererseits aber auch die interne Aufgabenteilung von den politischen Behörden und der Öffentlichkeit beobachtet werden. Wichtig scheint mir, dass wir durch unsere Arbeit wahrgenommen werden. Bald wird dann das Top-Sharing kein Thema mehr sein.

Wie war das, als der Landrat diskutiert hat, ob Sie ins Amt gewählt werden, waren Sie selbst vor Ort und haben die Diskussionen live mitbekommen?

Bannwarth: Wir waren nicht dort, aber wir haben die Debatte beide online mitverfolgt.

Wie haben Sie die Debatte erlebt? Bürgerliche Landrät*innen haben zwischenzeitlich das Auswahlverfahren kritisiert und damit gefragt, ob Sie die Richtigen sind für den Job.

Krug: Ich habe es nicht so empfunden, dass unsere Qualifikation infrage gestellt wurde. Das fand ich beruhigend. Mit den anderen Themen wie der Frage nach dem Bewerbungsverfahren hat man rechnen müssen. Das hat mich nicht überrascht. 

Haben Sie sich währenddessen ausgetauscht, über Whatsapp oder so?

Krug: Haben wir.

Und können Sie einen Einblick geben, was Sie sich geschrieben haben?

Bannwarth und Krug: Nein. (lachen)

«Gerade, weil das Amt so sensibel und wichtig ist, ist es gut, wenn sich zwei Personen die Stelle teilen.»

Jacqueline Bannwarth, Erste Staatsanwältin Baselland

Wie wird Ihr Arbeitsalltag aussehen, teilen Sie ein Büro?

Krug: Nein, bei uns haben auch viele Teilzeitarbeitende ein Einzelbüro. Aber wir werden eine überlappende Arbeitszeit haben. Wir haben schon in der Corona-Zeit gemerkt, dass wir praktisch immer für unsere Mitarbeitenden erreichbar sind und haben per Mail und SMS im Austausch gestanden, unabhängig von der geteilten Stelle. 

Kritiker*innen sagen, Ihr Amt sei so «sensibel und wichtig», dass die Macht besser auf eine Person konzentriert werden sollte. Wie sehen Sie das?

Bannwarth: Das sehen wir anders. Gerade, wenn es so sensibel und wichtig ist – was es zweifellos ist – ist es gut, wenn sich zwei Personen die Stelle teilen. Sie können sich auf Augenhöhe besprechen und Entscheidungen ausgewogener treffen. Die Wahrscheinlichkeit einer schlechten oder falschen Entscheidung fällt damit viel geringer aus. 

Krug: Man könnte sich ja umgekehrt fragen: Warum soll eine Person alleine so eine Machtposition haben? Ich habe immer ein bisschen Mühe mit dem Wort «Macht». Das ist für mich sehr negativ behaftet und ich empfinde uns nach der Wahl nicht als mächtige Personen. Wir sind einfach zwei Frauen mit einer grossen Verantwortung. Ich bin sehr froh, dass ich jemanden auf der gleichen Stufe habe, mit dem ich mich besprechen kann. 

Strafverfolgung ist Präzisionsarbeit. Was tun Sie, wenn Sie bei der Beurteilung einer Sachlage fundamental anderer Meinung sind?

Krug: Wir sind beide starke Persönlichkeiten und hatten in der Vergangenheit viele Meinungsverschiedenheiten. Am Ende haben wir uns immer geeinigt. Grundsätzlich fällen wir unsere Entscheide auf sachlicher Basis. Der grösste Teil betrifft sogenannte Alltagsentscheide. Dort wird es in Zukunft so sein, dass die Person, die an diesem Tag arbeitet, entscheidet. Da gibt es also kein Uneinigkeits-Management. Wenn aber eine von uns mit einem heiklen Entscheid, den wir gemeinsam treffen, gar nicht einverstanden sein sollte, dann hat sie ein Veto-Recht. Und bei sehr wichtigen Entscheidungen werden wir uns selbstverständlich immer absprechen.

Ist aus Ihrer Sicht ein Job-Sharing in Top-Positionen die bessere Lösung als eine Einzelbesetzung? 

Bannwarth: Ich würde einfach die besten Leute einstellen, die zur Verfügung stehen. Und wenn sie im Job-Sharing zur Verfügung stehen, dann würde ich sie im Job-Sharing nehmen. Ich glaube, dass das eine Arbeitsform der Zukunft ist. 

Krug: Wenn die Stelle im Job-Sharing ausgeschrieben gewesen wäre, dann hätte ich mich nicht beworben, ohne zu wissen, wer meine Team-Kollegin wird. Ich denke es ist wichtig, dass man sich gut kennt und weiss, wo die Stärken und Schwächen der Stellenpartnerin sind. Im Übrigen schliesse ich mich Frau Bannwarth an: Die Arbeitswelt wird sich verändern. Meine Söhne werden nicht mehr von 9 bis 17 Uhr arbeiten wollen, in Blockzeiten zu 100 Prozent. 

Was passiert, wenn eine von Ihnen den Job verliert?

Bannwarth: Der Landrat hat beschlossen, und ich kann ihnen das gerne zitieren (liest von einem Papier vor): «Wird das Arbeitsverhältnis der einen Stelleninhaberin aufgelöst, fällt das Arbeitsverhältnis der anderen Stelleninhaberin dahin.»

Krug: Also wir teilen uns eigentlich eine Stelle. Das ist der Kompromiss, den wir eingehen, damit wir diese Position im Top-Sharing besetzen können.

«Wenn die Stelle im Job-Sharing ausgeschrieben gewesen wäre, dann hätte ich mich nicht beworben, ohne zu wissen, wer meine Team-Kollegin wird.»

Patrizia Krug, Erste Staatsanwältin Baselland

Arbeiten Sie auch mit der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zusammen?

Bannwarth: Wir unterstehen dem Amtsgeheimnis und dürfen uns nicht mit anderen Staatsanwälten über konkrete Fälle austauschen. Manchmal treffen wir uns im Rahmen von Weiterbildungen, aber da redet man nicht über spezifische Fälle, sondern über allgemeine Themen. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ist auch ganz anders organisiert, als wir es sind. 

Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt wurde zuletzt wiederholt vom Bundesgericht für eine unverhältnismässige Anwendung der Strafprozessordnung verurteilt. 

Krug: Ich kann die Situation in Basel-Stadt nicht kommentieren. Grundsätzlich stellen wir als Staatsanwaltschaft Fälle nur dann ein, wenn eindeutig klar ist, dass sie eingestellt werden müssen. 

Wenn die Beweislage zu gering ist zum Beispiel, oder Anklagen fallen gelassen wurden. Was ist in den anderen Fällen?

Krug: In allen anderen Fälle, in denen die Sachlage nicht klar ist, erheben wir Anklage vor Gericht. Da hat es häufig Fälle dabei, in denen Aussage gegen Aussage steht und am Ende kann ein Freispruch herauskommen. Das sieht dann so aus, als hätten wir verloren, aber ich persönlich würde das nie als Niederlage bezeichnen. Wenn ich von meinem Antrag überzeugt bin und das Gericht anders entscheidet, kann ich das Urteil immer noch weiterziehen. Rechtsstaatlich betrachtet ist das ein guter Ablauf.

Wir fragen bei Ihren Kolleg*innen in Basel-Stadt regelmässig nach, was die Urteile des Bundesgerichts konkret für ihre Praxis bedeuten und kriegen stets dieselbe Antwort: «Wir analysieren die Rechtsprechung laufend und passen die Praxis entsprechend an.» Was heisst das?

Bannwarth: Das ist ein guter Satz, den würden wir auch so bringen. 

Doppelt hält besser.

Wenn Sie laufend analysieren, warum kommt es dann trotzdem häufig zu ähnlichen Anklagen wie jenen, die das Bundesgericht kurz zuvor kassiert hat? 

Bannwarth: Das ist ganz schwierig zu beurteilen, ohne konkrete Fälle zu kennen. Damit eine Anklage in einer zweiten Situation nicht mehr erhoben wird, müsste wirklich ein identischer Fall vorliegen wie jener, der zuvor vom Bundesgericht kassiert wurde. Sehr oft sieht es von aussen so aus, als handle es sich um gleiche Fälle, die wir anklagen. Aber wenn man das genau analysiert, wie das unsere Pflicht ist, dann gibt es in den Details entscheidende Unterschiede. 

Staatsanwaltschaften pflegen eine sehr zurückhaltende Informationspolitik. Müssten Sie besser erklären, was Sie tun?

Krug: Manchmal würden wir das öffentlich gern korrigieren, aber es ist schwer, wenn es um konkrete Fälle geht, weil wir da keine Auskunft geben können. Sonst machen wir uns strafbar wegen einer Amtsgeheimnisverletzung. Wenn die Gegenpartei mit einem Fall an die Medien geht, kann das zu Kritik führen. Das müssen wir dann aushalten. Grundsätzlich fände ich es gut, wenn sich das Image der Staatsanwaltschaft ändert. Die Leute haben vielfach ein falsches Bild von uns. Ich erlebe meinen Beruf anders, als er beispielsweise in Krimis dargestellt wird. Dort behindern die Staatsanwälte in der Regel die rechtschaffenen Polizistinnen bei der Arbeit.

Welches Bild von der Staatsanwaltschaft hätten Sie denn gerne?

Bannwarth: Die Leute scheinen oftmals zu denken, wir seien eine böse Behörde. Wir sind aber weder auf der Seite der Bösen, noch auf jener der Guten, wir sind auf keiner Seite. Wir sind alleine dem Recht verpflichtet. Wir klären ab, was wirklich passiert ist. Wenn es nötig ist, klagen wir an und vertreten den Staat vor Gericht. Diese Unabhängigkeit ist mir wichtig. Wir wollen niemandem etwas Böses, wir machen einfach unseren Job. 

Krug: Wir sind keine Maschinen. Wir hatten alle Fälle, die uns sehr mitgenommen haben, auch wenn wir das im Fall selber nicht zeigen können. Ich denke, wir haben einen belastenden Beruf und es ist nicht dienlich, wenn wir von aussen immer nur negativ wahrgenommen werden. Wir tragen unseren Teil dazu bei, dass es gut funktioniert im Kanton Baselland. Das wird aus meiner Sicht zu wenig gesehen.

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