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Regierungspräsident Jans: «Wir können Bodenbesitzer nicht enteignen»

Die Bevölkerung erwartet viel von Beat Jans: Der neue Regierungspräsident hat vor seiner Wahl versprochen, Basel zur Klimahauptstadt zu machen und die Stärken der Region «stolz» in die Welt hinauszutragen. Stecken auch Inhalte hinter den schönen Worten? Ein Interview.

10/29/21, 03:00 AM

Aktualisiert 11/08/21, 02:18 PM

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Zur Person

Zur Person

Beat Jans (SP) ist seit Februar 2021 Regierungspräsident. Er hat Elisabeth Ackermann (Grüne) abgelöst. Jans war unter anderem Präsident der SP Basel-Stadt, Grossrat und Nationalrat (2010 bis 2020). Danach wollte er eigentlich Ständerat werden, liess aber Eva Herzog den Vortritt, stattdessen wurde er Regierungspräsident. Beruflich war er zuletzt selbstständiger Berater im Bereich Nachhaltigkeit und Kommunikation.

Beat Jans, sind Sie parat?

Ja, ist gut.

Wir machen es wie immer in Interviews: Ich kürze sicher einige Antworten raus, bleibe aber beim Redigieren so nah am gesprochenen Wort wie möglich. Sie können inhaltliche Fehler korrigieren.

Für mich gilt: Gesagt ist gesagt. Aber wenn ich das Gefühl habe, die Verständlichkeit kann man verbessern, erlaube ich mir, das reinzuschreiben.

Und wenn ich nicht einverstanden bin, erlaube ich mir, das zu melden. Zuerst möchte ich gern über die Beziehung Schweiz-EU reden. Nimmt Bundesrat Guy Parmelin das Telefon noch ab, wenn Sie anrufen?

Ja, wir hatten kürzlich einen super Austausch in Stuttgart. Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat Parmelin zu einem Talk und zu einem Nachtessen eingeladen und dann haben die beiden auch noch mich eingeladen. Wir haben uns hervorragend verstanden.

Im Mai konnte man den Eindruck gewinnen, Sie wollen mit Basel aus der Schweiz aus- und in die EU eintreten. So pointiert, wie Sie Guy Parmelin wegen des gescheiterten Rahmenabkommens kritisiert haben.

Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich wehrt, wenn bedrohliche Entscheide getroffen werden. Das weiss Herr Parmelin genauso gut wie ich. Ich würde behaupten, der Bundesrat interessiert sich jetzt mehr für unsere Region als vorher.

Beat Jans Regierungsrat

«Gesagt ist gesagt», sagt Beat Jans. (Foto: KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Sie sprachen auf Telebasel von einem «Affront gegenüber dem Badischen», der Bundesrat habe «einmal mehr die Interessen unserer Region übergumpt›». Ein ziemlicher Rüffel.

Ja, das ist sicher mit ein Grund, weshalb ich mit Bundesrat Parmelin zu Kretschmann nach Stuttgart eingeladen wurde. Von Seiten Bundesrat muss man jetzt über einen neuen institutionellen Rahmen verhandeln.

Also ein neues Rahmenabkommen?

Es ist eine Illusion zu meinen, wir könnten ohne Rahmenabkommen die bilateralen Beziehungen erneuern. Es ist wie beim Fussball. Du kannst während des Spiels nicht ständig die Regeln ändern. Deshalb finde ich das Bedürfnis der EU nach einem geregelten Schlichtungsverfahren nachvollziehbar.

Muss die Region Basel in Zukunft mehr auf den Tisch hauen, wenn es um unsere Interessen in Bern geht?

Das ist das eine. Aber Aussenbeziehungen laufen letztlich über menschliche Beziehungen und genau das ist das Problem der Schweiz. Als Herr Parmelin zum Verhandeln nach Brüssel ging, dachte sich Frau von der Leyen (Präsidentin der Europäischen Kommission, Anm. der Redaktion) wohl: Wer ist dieser Mann? Nehmen Sie Draghi und Macron, die geben der EU jetzt quasi die Richtung vor. Sie können das, weil sie sich gegenseitig gut kennen und vertrauen. Unser rotierendes System mit dem wechselnden Präsidium ist das grosse Problem der Schweizer Aussenpolitik.

Machen Sie jetzt über die Aussenpolitik Lobbyarbeit für das Präsidialdepartement in Basel-Stadt? Das droht ja abgeschafft zu werden, eine entsprechende Initiative wurde eingereicht.

Ja, also ich glaube wirklich, dass die Beziehungspflege einer der grossen Vorteile des Präsidialdepartements ist.

Jans wurde bereits im 1.Wahlgang in die Regierung gewählt, beschloss spontan, im zweiten fürs Präsidium zu kandidieren und gewann gegen Stephanie Eymann und Esther Keller.

Jans wurde bereits im 1.Wahlgang in die Regierung gewählt, beschloss spontan, im zweiten fürs Präsidium zu kandidieren und gewann gegen Stephanie Eymann und Esther Keller. (Foto: Staatskanzlei BS)

Als Sie fürs Präsidium kandierten, wollten Sie das Amt für Umwelt und Energie ins Präsidialdepartement integrieren, um ein Klimadepartement daraus zu machen. Acht Monate später ist das AUE immer noch bei Kaspar Sutter (SP) im Wirtschaftsdepartement. Wieso?

Es gibt noch keinen definitiven Entscheid der Regierung. Wir werden uns dazu äussern, wenn wir unseren Ratschlag zur erwähnten Initiative für eine Reduktion von 7 auf 5 Departemente schreiben.

Gemäss unseren Informationen bleibt das AUE im Wirtschaftsdepartement. Will Genosse Sutter Ihnen das Amt nicht abtreten?

Am Schluss ist das Klima eine Gesamtregierungsaufgabe, die jedes Departement betrifft. Mir war es wichtig, im Wahlkampf ein Zeichen zu setzen. Ich hatte genau einen Tag Zeit, mich zu entscheiden, ob ich für das Präsidium kandidiere. Das ging unglaublich hektisch zu und her. Ich wollte mit der Idee des Klimadepartements zeigen, dass mit mir das Klima Priorität bekommt.

Weil es die Grünen mit der Präsidiumswahl nicht hinbekommen haben, sind Sie eingesprungen.

Ich bin Umweltnaturwissenschaftler und setze mich seit meinem 20. Lebensjahr für den Klimaschutz ein. Es ist, glaube ich, nicht vermessen zu sagen, dass ich Klimapolitik repräsentiere.

Sie haben versprochen, Basel-Stadt zu einem Vorbild punkto Klima zu machen und bewerben sich für den sogenannten Green Capital Award. Aber wenn es darum geht, die Klimagerechtigkeitsinitiative umzusetzen, tritt die Regierung auf die Bremse. Die Initiative fordert netto null bis 2030, Sie wollen Zeit bis 2040.

Eine Studie zeigt: Wir schaffen das nicht. Es ist enorm schwierig, die Heizungen, Fahrzeuge etc. umzustellen.

Bitte erklären Sie mir: Was passiert denn bei einer Umstellung auf netto null?

Der grosse Hebel ist die Wärme. Bis vor wenigen Jahren hat man in Basel noch ganz viele Öl- und Gasheizungen eingebaut. Jetzt sind wir dank des neuen Energiegesetzes bei ungefähr 5 Prozent. Deshalb ist netto null bis 2040 realistisch. Der Kanton Zürich baut übrigens noch 50 Prozent Ölheizungen.

Heisst das, wir haben einen Haufen Gasheizungen, die wir durch Fernwärme ersetzen müssen? Der Grosse Rat hat ja grad 460 Millionen Franken für die Fernwärme gesprochen.

Genau. Wir müssen die restlichen Öl- und die vielen Gasheizungen ersetzen. Aber Sie müssen sich vorstellen: Gasheizungen haben eine Abschreibedauer von etwa 20 Jahren. Wenn wir die vorher rausreissen, müssen wir Wert vernichten. Es kostet schliesslich auch Energie, um eine Heizung zu produzieren. Das ist bedingt sinnvoll.

Das sich im Bau befindliche Holzkraftwerk (HKW) in der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) der Stadt Basel am Dienstag, 15. Juli 2008

Fernwärme, hä?

Wenn beispielsweise eine Kehrrichtverwertungsanlage Abfall verbrennt, entsteht Wärme. Diese leitet man im Wasser durch unterirdische Rohrleitungen in die Heizungen und Duschen der Häuser.

Auch Holzkraftwerke stellen Fernwärme her, indem sie Holz verbrennen.

Ist Fernwärme wirklich so ökologisch? Die Basler Kehrichtsverbrennungsanlage stösst jährlich 244’000 Tonnen CO2 aus, heisst es im Umweltbericht 2020.

Das ist viel. Deshalb müsste eins der nächsten Projekte sein, dass wir das CO2 abzweigen, damit es nicht in die Luft geht. Aber die Technologie gibt es noch nicht ab Stange, sie ist in Entwicklung, da kann man jetzt nicht einfach eine Anlage hinstellen.

Die Kehrrichtverbrennungsanlage in Glarus speichert das CO2 bereits heute in der Ostsee und hat den kantonalen CO2-Ausstoss so um mindestens ein Drittel reduziert. Wie weit ist Basel, die Kandidatin zur global Ökostadt mit dem Green Capital Award?

Das könnte eine der Massnahmen sein, die das Ziel netto null bis 2040 mit sich bringt. Aber auch das Ziel 2040 ist unglaublich ambitioniert. Die Leute, die heute ein Auto kaufen, haben fast alle einen fossilen Motor und die werden das Auto auch in 15 Jahren noch fahren wollen.

Sicher? Schliesslich hat die Mehrheit der Stimmbevölkerung entschieden, dass Verbrennungsmotoren in Basel-Stadt verboten werden.

Ja, aber erst 2050.

Glauben Sie, die Basler Bevölkerung ist nicht für ein ambitionierteres Ziel zu haben? Basel-Stadt wählte grün, stimmte für das CO2-Gesetz ...

Vielleicht doch, aber wir müssen gleichzeitig ein Angebot schaffen, damit die Menschen überhaupt auf Alternativen wie Elektro-Mobilität umsteigen können. Heute können sie noch fast nirgends Strom tanken.

Gut, der Grosse Rat hat ja kürzlich die Regierung damit beauftragt, 4000 Elektroladestationen zu bauen.

Genau, die Regierung muss das jetzt umsetzen.

Sie planen gemäss dem neuen Legislaturplan Kreislaufwirtschaft auf Entwicklungsarealen. Können Sie mir erklären, wie das zum Beispiel im Klybeck oder auf dem Wolf aussehen könnte?

Beim Wiederverwerten der Bauabfälle gibt es den grössten Hebel. Gerade heute Morgen habe ich einen interessanten Vortrag gehört, wie sie das in Wien machen. Basel braucht als Erstes eine Analyse unserer Bestände: Was haben wir überhaupt für Baumaterialien, was fällt wann wegen Abbruch an und wie können wir die Bauabfälle wiederverwenden? In Wien wurde herausgefunden, dass die Gebäude aus der Gründerzeit hervorragend rezyklierbar sind.

Das heisst, Sie schauen auf dem Klybeck: Was stehen da für Gebäude, wie kann man deren Materialien wiederverwenden, wenn sie abgerissen werden? Sind die Investor*innen bereit, das mitzufinanzieren? Das ist sicher teurer als das herkömmliche Bauen.

Die Rhystadt AG und die Swiss Life, die das Klybeck gekauft haben und bebauen, haben grosses Interesse daran gezeigt. Ausserdem braucht es Startups, eine Art Labormöglichkeiten, um die Kreislaufwirtschaft auszuprobieren.

Das klingt etwas vage. Wieviele Kreislaufwirtschaftsprojekte wollen Sie umsetzen, wieviel CO2 wollen Sie damit einsparen?

Wir sind noch nicht weit genug für messbare Ziele in Basel-Stadt. Wir müssen, wie ich bereits gesagt habe, zuerst eine Bestandsaufnahme machen. Sie dürfen nicht vergessen, der Kanton Basel-Stadt hat bis jetzt 0,4 Stellenprozente fürs Thema Klima.

Aber Sie wollen ja noch zwei neue Stellen schaffen.

Der Regierungsrat will zwei Stellen schaffen. Wir haben das Klima als Schwerpunkt dieser Legislatur im Legislaturplan festgehalten. Es ist absolut notwendig, dass man entsprechend Mittel zur Verfügung stellt, um ambitionierte Ziele zu erreichen.

In der Männerberatung gibt es ein Defizit.

Lassen Sie mich aufzählen: Neben den zwei Personen fürs Klima haben Sie zwei neue Generalsekretär*innen (160 Prozent) eingestellt und schaffen eine halbe Stelle in der Gleichstellung. Wieviele Stellen wollen Sie denn als Präsident insgesamt schaffen?

Neue Stellen zu schaffen, ist eine Chance, weil man damit neue Kompetenzen reinbekommt.

Muss man dafür Stellen schaffen oder könnte man vielleicht auch Leute auswechseln, wenn ihnen die Kompetenzen fehlen?

Es gibt Bereiche da arbeiten wir mit Umschichtungen. So leisten wir die Bewerbung zum European Green Capital, indem wir bestehendem Personal andere Aufgaben geben. Im Klimabereich ist das Defizit aber so eklatant, das kann man nicht anders lösen als mit zusätzlichem Personal. Und in der Gleichstellung finde ich die Diskussion bemühend.

Bemühend?

Wir haben im Kanton 11'000 Mitarbeitende, doch man schraubt ständig bei den 4 Vollzeitstellen bei der Abteilung für Gleichstellung herum. Das finde ich nicht verhältnismässig. Natürlich, jede Stelle muss hinterfragt werden, aber Gleichstellung ist eines der Megathemen unserer Zeit. Ich habe gerade heute Morgen meiner 15-jährigen Tochter zugehört, die einen Vortrag für die Schule vorbereitet hat. Es geht darum, warum sie sich als junges Mädchen benachteiligt fühlt. Es hat mich zutiefst berührt. Das Thema ist gerade bei der jungen Bevölkerung omnipräsent. Der Kanton muss darauf eine Antwort haben.

Die Abteilung Gleichstellung hat Männer, Transmenschen, Homosexuelle jahrelang verschlafen, zack, Sie schaffen eine neue Stelle. Die Trinkgeldinitiative fordert 5 Prozent der Kulturausgaben für Jugendkultur, zack, Sie erhöhen das Budget. Beim Historischen Museum machen Sie eine Strategie, ohne auszurechnen, wieviel die kostet. Geld sprechen statt priorisieren tönt ein bisschen nach dem Weg des geringsten Widerstands, oder nicht?

Verstehen Sie mich nicht falsch, das ist eine absolut gerechtfertigte Frage. Es ist einfach schwierig, darauf so pauschal zu antworten. Im Umwelt- und Klimabereich nehmen die Herausforderungen zu, da sind neue Stellen zwingend. Und die Basler Gleichstellungsarbeit war nur auf Frauen und Männer ausgerichtet, jetzt möchte man das Thema LGBTIq+ mehr gewichten. Dafür eine halbe Stelle einzusparen, ist ein Witz. Zumal diese neue Aufgabe auch ein Auftrag des Parlaments ist. Andere Städte haben in diesem Bereich deutlich mehr Kapazitäten geschaffen. Aber dass es im Gleichstellungsbereich Verbesserungsmöglichkeiten gibt, ist mir bewusst.

Zum Beispiel?

In der Männerberatung gibt es ein Defizit, die Männerberatungsstelle wird durch die CMS finanziert. Diese Finanzierung läuft voraussichtlich aus.

Ihre Vorgängerin, Elisabeth Ackermann, und die Leiterin der Abteilung Gleichstellung, hatten bislang kein offenes Ohr für die Männerberatung.

Am Schluss wird der Regierungsrat entscheiden, ob er Männerberatung will.

Zurück zum Klima: Sie haben mir jetzt nur zwei konkrete Massnahmen präsentiert: Elektroladestationen und Fernwärme, Projekte, die vor Ihrer Wahl aus dem Parlament kamen. Der Rest sind nur vage Ideen. Haben Sie Angst, konkrete Ziele aufzustellen, weil Sie dann daran gemessen werden?

Ich glaube, es geht vor allem darum, verschiedene Prozesse zu beschleunigen. Der Regierungsrat hat viele Vorstösse aus dem Parlament auf dem Tisch. Mir geht es darum, dass das Klima Priorität hat. Dass dafür Finanzen gesprochen und Personen in der Verwaltung beauftragt werden. Dazu kann ich beitragen.

Wieviel Steuergeld gibt es fürs Klima?

Das kommt darauf an, welche Massnahmen wir beschliessen. Welche, ist noch zu früh zu sagen. Ausserdem braucht es ja nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Firmen und Verbände, die mitmachen. Ich stehe im Zusammenhang mit dem European Green Capital Award unter anderem mit dem Gewerbeverband, Novartis oder Roche in Kontakt. Die wollen mithelfen. Nochmals: Das Klima hat Priorität im Legislaturplan der Regierung. Jetzt geht es an die Umsetzung.

Dafür kommt die soziale Ungleichheit kaum vor.

Doch. Wir haben acht Massnahmen gegen die soziale Ungleichheit. Etwa die Unterstützung von einkommensschwachen Haushalten, die Alterspolitik, die Frühförderung – das ist Armutsprävention!

Sind Sie langsam ungeduldig mit mir?

Nein, Entschuldigung, wenn ich so wirke. Im Legislaturplan fehlen einfach Triggerbegriffe wie «Armut» oder «Wohnungsnot», wir sprechen von sozialem Zusammenhalt.

Podium: Wird Basel zur Miethölle oder langt's mit dem Wohnschutz?

Podium: Wird Basel zur Miethölle oder langt's mit dem Wohnschutz?

Am 28. November stimmen wir über die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» ab. Die Linke glaubt: Ohne Initiative geht es weiter mit Massenkündigungen. Die bürgerliche Mehrheit und die Regierung dagegen finden, der Kanton mache schon genug für die Mieter*innen. Mach dir selbst ein Bild: Am Montag um 19 Uhr kreuzen Hauseigentümer- und Mieter*innen am Polit-Talk im KLARA die Klingen.

Pro: Patrizia Bernasconi, Mieterverband Basel und Pascal Pfister, SP Basel-Stadt
Contra: Andreas Zappalá, Hauseigentümerverband Basel und Michael Hug, Grossrat LDP
Moderation: Andrea Fopp, Bajour
Organisation: Komitee «Ja zum echten Wohnschutz»

Ich komme.

Apropos Wohnungsnot. Am 28. November stimmen wir über die neuste Wohnschutzinitiative der Linken ab. Wann machen Sie die Pressekonferenz dazu?

Der Regierungsrat macht vor Abstimmungen äusserst selten eine Pressekonferenz zur Abstimmungsempfehlung.

Wirklich? Kaspar Sutter machte beim Mindestlohn auch eine. Haben Sie vielleicht Angst, weil Sie die Regierungsposition gegen den Wohnschutz vertreten müssen? Bevor Sie Regierungsrat wurden, haben Sie kritisiert, der Wohnschutz sei «ungenügend» umgesetzt worden.

Darum geben wir als Regierung jetzt auch noch einen oben drauf.

Wie, noch oben drauf?

Mit der neuen Verordnung, die im Jahr 2022 in Kraft tritt. Gemäss Verordnung wird die Hälfte der Basler Wohnungen vor überrissenen Mietpreiserhöhungen nach Sanierungen geschützt. Dazu haben wir eine Pressekonferenz einberufen und dabei auch unsere Haltung zur Volksinitiative bekannt gegeben.

Mit allen Ausnahmen sind es eher ein Drittel, kritisiert der Mieterverband. Die Initiative will alle Wohnungen schützen.

Der Schuh drückt bei den tiefsten Einkommen, also den billigsten Wohnungen, am meisten. Mit der aktuellen Verordnung können wir schauen, welche Auswirkungen das Gesetz auf Investitionstätigkeit und Mietpreisentwicklung hat und ob es weitere Schritte braucht.

Haben wir Zeit, abzuwarten? Seit 2005 sind die Mieten um 20 Prozent gestiegen.

Ja, das ist enorm.

Wem gehört Basel?

Wem gehört Basel?

Grossbanken und Versicherungen besitzen in Basel fast jede dritte Wohnung und führen stolze Renditen ab. Das sind anteilsmässig mehr Wohnungen als in Zürich, wie die grosse «Wem gehört Basel»-Recherche zeigt. Kanton und Genossenschaften haben das Handtuch geworfen.

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Reicht es dann, einfach mal zu sagen, wir schützen die billigsten und schauen, was mit den anderen Wohnungen passiert? Wenn das so weitergeht, haben Sie am Schluss vielleicht gar nichts mehr zu schützen.

Die Regierung hat verschiedene Massnahmen gegen die Wohnungsnot aufgegleist: Wir haben beispielsweise auch das Ziel, den Genossenschaftsanteil auf 25 Prozent zu erhöhen.

70 Prozent der Wohnungen sind heute Marktmieten, die Zahlen habe ich von Ihrem Genossen, Pascal Pfister. Deshalb nochmals die Frage: Macht die Regierung genug für bezahlbare Mieten?

Wir tun viel, aber einfache Lösungen gibt es keine. Die Explosion der Mietpreise findet in allen Zentrumsstädten statt. Die Mietpreise in London und New York sind jenseits.

Ja?

Selbstverständlich ist es total wichtig, dass wir jetzt handeln, aber ich habe gesagt, die Regierung hat etwa sieben Massnahmen pendent. Das Problem: Auch dort, wo man bei Sanierungen streng reguliert, steigen die Mieten stark, etwa in Genf.

Ihre Zürcher Genossin, Jacqueline Badran, sagt, das einzige Mittel sei, als Staat den Boden zu kaufen und so der Spekulation zu entziehen.

Stimmt, das ist ein wichtiger Auftrag. Deshalb hat der Kanton das Rosentalareal gekauft und baut mit dem Programm 1000+ günstige Wohnungen.

Aber damit hat es sich auch. Finanzdirektorin Tanja Soland hat Bajour gesagt, viel mehr Engagement auf dem Wohnungsmarkt sei nicht geplant. Der grösste Teil der Wohnungen ist dann immer noch der Spekulation ausgesetzt. Ist das die Wohnpolitik, die man von SP-Regierungsrät*innen erwarten darf?

Mir ist einfach nicht ganz klar, was wir noch tun können. Wir können die globalen Trends hier in Basel nicht im Alleingang aufhalten. Wir können ja Bodenbesitzer nicht enteignen.

Zuletzt reden wir noch über die Causa Fehlmann: Sind Sie froh, dass Sie das Dossier zum geschassten Direktor des Historischen Museums an Regierungsrat Lukas Engelberger abgeben konnten?

Es war der Wunsch von Herrn Fehlmann, dass ich das Dossier nicht mehr führe. Der Grund war, dass ich während des Wahlkampfs auf die Frage, ob Herr Fehlmann zurückkommen soll, sagte, dem Historischen Museum würde ein Neuanfang gut tun. Ich bin zum Schluss gekommen, dass es für den Kanton besser ist, wenn ich das Dossier abgebe. Aber das war ein absolut freiwilliger Entscheid, das betone ich.

In der BaZ stand, das Dossier sei Ihnen vom Regierungsrat entzogen worden.

Das war falsch.

Waren Sie erstaunt, als Sie merkten, dass die Freistellung von Marc Fehlmann nicht rechtens war, da sie nur mündlich ausgesprochen wurde? Die Juristen, die Ihre Vorgängerin, Elisabeth Ackermann, für 110‘000 Franken beigezogen hat, hätten doch wissen müssen, dass man das schriftlich macht.

Wir werden sicher unser Schlüsse ziehen, das ist klar.

Sogar ich als Nichtjuristin weiss, dass man eine Freistellung und das Ganze drumherum schriftlich handhaben muss.

Ich würde Ihre Fragen gerne beantworten. Doch ich kann nicht, da ich als Arbeitgeber dem Amtsgeheimnis unterliege und es im Interesse des Kantons ist, dass ich mich daran halte. Sonst riskiere ich ein neues Verfahren und das möchte ich nicht.

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