Kopiert!

Bajour knackt die Louis C.K.-Blackbox: So ist sein neues Programm

Für Bajour besuchte ein ehemaliger Louis-C.K.-Fan seine neue Show in den USA. Das sagt sie dazu.

Jade Sewell

11/21/19, 08:13 AM

Kopiert!
Jade Sewell war für Bajour am Auftritt von Louis C.K. in Peoria, Illinois.

Jade Sewell war für Bajour am Auftritt von Louis C.K. in Peoria, Illinois. (Foto: Jade Sewell)

Am vergangenen Freitag, dem 15. November, habe ich die Show von Louis C.K. im Gemeindezentrum meiner Heimatstadt Peoria (Illinois, USA) besucht. Der Auftritt war Teil seiner «Comebacktour», nachdem er sich im November 2017 entschieden hatte, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Der Grund dafür: Fünf Frauen hatten ihm öffentlich vorgeworfen, sie belästigt zu haben, indem er vor ihnen masturbierte. Der Komiker gab zu, dass die Vorwürfe wahr seien.

Als früherer Fan habe ich wirklich gehofft, dass Louis C.K. sich während seiner Auszeit weiterentwickelt hatte. Doch ich hatte umsonst gehofft, das merkte ich schnell.

Nachdem ich durch einen Metalldetektor gehen musste, wurde ich aufgefordert, mein Handy in einen «Yondr case» zu packen. Dadurch soll das Publikum davon abgehalten werden, Video- oder Audioaufnahmen zu machen. Ich hielt es für kein gutes Zeichen, ging davon aus, dass C.K. Dinge sagen wird, die er nicht veröffentlicht haben will. Gemäss der Veranstaltungsregeln durfte ich mir keine Notizen machen und wollte auch nicht riskieren, dafür rausgeworfen zu werden.

Ich war die einzige junge Frau, die alleine da war

Die Veranstaltung war beinahe ausverkauft. Für Peoria ist das eher ungewöhnlich – selbst für bekanntere Künstler*innen. Das Publikum setzte sich zusammen aus Männern mittleren Alters und deren Freunden, Gruppen junger Männer und Paaren. Ich bin mir sicher, dass ich die einzige junge Frau war, die alleine kam. Ausser mir ist mir nur eine Gruppe junger Frauen aufgefallen, die nicht von mindestens einem Mann begleitet wurde.

Vor Louis C.K. traten drei Komiker auf, um das Publikum einzustimmen. Keiner von ihnen hat mich beeindruckt. Der zweite Komiker, dessen Name bei seiner Ankündigung gemurmelt wurde und den ich darum nicht verstanden habe, machte folgenden Witz: «Trump und dein Grossvater teilen das gleiche Gehirn. Der einzige Unterschied ist, dass Trump deine Grossmutter nicht geschlagen hat.» Der letzte Vor-act, Keith Robinson, äusserte sich zur #Metoo-Bewegung: «Alle Männer über 50 haben mindestens vier #Metoos auf dem Konto.»

Aufgrund der bisherigen Witze nahm ich nicht an, dass C.K. sich in irgendeiner Weise für seine Übergriffe entschuldigen würde. Und ich hatte Recht.

Holocaust und Terroranschläge als Pointen

Schnell griff der Komiker die Kontroverse rund um seine Person auf. Sein Programm eröffnete er mit der Frage: «Also, wie waren eure letzten zwei Jahre so?» um zu folgender Aussage überzuleiten: «Ich habe in den letzten zwei Jahren viel gelernt. Zum Beispiel in einem Restaurant zu essen, währenddem mir ein Typ auf der anderen Seite des Raumes den Mittelfinger zeigt.»

Während seiner Show machte er Witze über den Holocaust, den Anschlag auf den Boston Marathon und den 11. September, er imitierte eine chinesische Kellnerin und beschwerte sich darüber, dass er das Wort «behindert» nicht verwenden darf.

Der Louis C.K. den ich früher kannte und mochte, machte sorgfältig ausgearbeitete und originelle Witze, um sein Publikum zum Lachen zu bringen. Der Mann, den ich am Freitag auf der Bühne gesehen habe, verliess sich dafür auf den Schockfaktor seines Inhalts. Ich war mehr als nur etwas enttäuscht.

Ein Opfer der #Metoo-Bewegung

Komplett überrascht haben mich seine Inhalte nicht. Seine Witze haben schon immer von seinem morbiden Sinn für Humor gelebt. Aber dieses Mal wirkte es so, als ob ihm die moralische Komponente völlig egal sei.

Was mich jedoch überraschte, war die Reaktion des Publikums. Die Witze, die die lautesten Lacher ernteten, waren die kontroversesten. Nur bei einem Witz erntete er negative Reaktionen: Als er die Themen Bombenanschlag auf den Boston Marathon und körperliche Behinderungen kombinierte.

Louis C.K. stellte sich als Opfer der #Metoo-Bewegung dar. Er beschwerte sich darüber, dass er nach Polen gehen müsse, um auftreten zu können. Er implizierte, dass er wirklich nichts falsch gemacht hatte. Das, was einer Entschuldigung wohl am nächsten kam, war folgende Aussage: «Wenn du ein Mädchen fragst, ob du dir vor ihr einen runterholen kannst und sie sagt ja, frag, ob sie sich sicher ist und dann tu es nicht.»

Ich habe schon viele schlechte Witze gehört, aber...

Selbst mit dieser Aussage stellte C.K. die Anschuldigungen gegen ihn falsch dar. Manche der Frauen, die öffentlich von den Übergriffen berichteten, sagten, dass C.K. sie gar nie nach ihrem Einverständnis gefragt hatte, bevor er vor ihnen masturbierte. Die, die er fragte, dachten, er mache einen Witz.

Ich fühlte mich an dieser Veranstaltung fehl am Platz. Ich sass die Witze ab. Entsetzt darüber, was aus dem Mund des Komikers kam. Entsetzt darüber, wie positiv die Menschenmenge darauf reagierte. Während meiner Schulzeit verbrachte ich fast jeden Mittwoch im lokalen Comedy Club bei Veranstaltungen mit offenem Mikrofon. Ich habe also viele schlechte Witze gehört, von denen ich denke, dass man sie nicht machen sollte. Aber ich war noch nie in einem Saal voller Leute, die nonchalant solche Pointen weggelacht haben oder sogar nach mehr davon gierten – bis letzten Freitag.

Als ich die Veranstaltung verliess, hörte ich, wie eine Frau zu ihrer Freundin sagte: «In der Show gab es viele Momente, in denen ich mich unbehaglich gefühlt habe.»

Der Veranstaltungsort.

Der Veranstaltungsort. (Foto: Jade Sewell)

Wird geladen