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«Es gibt keine Rechtfertigung für solche Aktionen»

Didi Kolumnist Till Keller traf sich mit FC Schaffhausen-Spieler Karim Barry (26) zum Gespräch. Der Basler Stürmer mit deutschem Pass äusserte sich zum harten Alltag in der Challenge League und zur Rassismus-Debatte.

07/04/20, 06:12 AM

Aktualisiert 07/04/20, 06:16 AM

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Keine Frage, wenn Murat Yakin anruft, dann sagt man nicht nein: Karim Barry im Dress des FC Schaffhausen.

Keine Frage, wenn Murat Yakin anruft, dann sagt man nicht nein: Karim Barry im Dress des FC Schaffhausen.

Gut gelaunt erscheint Karim Barry zum Interview-Termin. Kein Wunder, denn endlich darf er wieder Fussball spielen. Zwischen dem 22. Februar und dem 20. Juni stand der Spielbetrieb wegen Corona still. Für den Stürmer des FC Schaffhausen keine einfache Situation: «Ich habe das Training vermisst, die Ambiance in der Kabine und die Teamkameraden.» Dies seien schliesslich die Menschen, die man normalerweise jeden Tag sehe. Dafür konnte er viel Zeit mit der Familie und der Lebenspartnerin verbringen, was sonst nicht oft möglich sei.

Karim Barry ist kein typischer Profifussballer. Bis auf ein Jahr in frühen Juniorenzeiten spielte er nie für grosse Nachwuchsmannschaften. Von seinem Jugendverein Amicitia Riehen wechselte er zum BSC Old Boys. Nach einer torreichen Zeit in der zweiten Liga holt ihn Old Boys-Trainer Massimo Ceccaroni zu sich in die Promotion League. Dort erzielt Barry in seiner besten Saison 14 Tore.

Ein Wechsel zur U23 des SC Freiburg scheitert trotz unterschriebenem Vertrag an der Ausbildungsentschädigung. Und obwohl sich die U21 des FC Basel für den heutigen Thun-Stürmer Simone Rapp und gegen ihn entschied, funktionierte es 2017 doch noch mit dem Wechsel in den Profi-Fussball. Barry erinnert sich: «Fast wäre ich in Neuenburg gelandet, doch sie konnten mir keine direkte Zusage geben. Dann kam der Anruf von Murat Yakin.» Die Möglichkeit, unter dem zweifachen FCB-Meistertrainer zu spielen, war eine grosse Motivation.

Mittlerweile spielt er seine dritte Saison beim FCS und hat noch einen Vertrag bis 2021. «Wenn man auch in schweren Zeiten stets daran glaubt und an sich arbeitet, kann man es auch ohne klassische Karriere in den Profifussball schaffen. Falls etwas dabei rauskommt, umso besser. Und sonst kann man sich nichts vorwerfen.» Das wolle er allen mitgeben.

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Wie es für ihn im nächsten Sommer weitergeht, weiss der Deutsche nicht. Seinen Kindheitstraum habe er sich erfüllt: «Ich konnte vier Jahre vom Fussball leben. Es gibt wenige Profiteams in der Schweiz und ich bin einer der Glücklichen, der in einem spielen darf. Darauf bin ich sehr stolz.» Er sei immer noch hungrig, jedoch auch nicht traurig, wenn es in einem Jahr vorbei sei.

Aber wenn sich irgendeine Tür doch noch öffne, werde er diese Chance sicher wahrnehmen. Denn in dieser Liga gehe es darum, zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige zu tun, dann sei alles möglich.

Doch das Leben in der Challenge League hat auch seine negativen Seiten. In seiner ersten Saison kam er selten zum Einsatz, spielt trotz Treffer beim Debut nur zwei Mal von Beginn an. «Es gibt zwischendurch sicher auch schwere Zeiten, wenn es dir persönlich nicht läuft oder der Trainer nicht voll auf dich setzt. Das prägt einen und man wird vorsichtiger, man träumt nicht mehr allzu gross.»

«Eine flexible Stelle zu finden, die Rücksicht auf spontan wechselnde Trainings- und Spielzeiten nimmt, ist sehr schwer.»

Barry wünscht sich mehr Wertschätzung für die Challenge League. Denn schliesslich würden gerade bei Vereinen mit einer professionellen Infrastruktur wie beim FC Schaffhausen nicht mehr viele Unterschiede zur Super League bestehen. «In der Super League hat man eine umfassendere Betreuung und es kommen mehr Zuschauer. Unser Tagesablauf ist aber sehr ähnlich, da wir gleich oft trainieren und spielen.» 

Der Durchschnittslohn in der Challenge League liegt gemäss Umfragen unter mehreren Schweizer Klubchefs bei rund 3500 Franken im Monat. Das reicht nur knapp zum Überleben. Viele Spieler spielen gar für noch weniger, sagt Barry. Die Beurteilung, ob dieser schlechte Lohn gerechtfertigt ist, fällt ihm schwer. Die Popularität der Challenge League sei nun mal gering. Die Tatsache, dass in den meisten Verträgen der Challenge League Klauseln existieren, die den Spielern grundsätzlich Nebentätigkeiten verbieten, stelle für viele Spieler eine Schwierigkeit dar. «Eine flexible Stelle zu finden, die Rücksicht auf spontan wechselnde Trainings- und Spielzeiten nimmt, ist sehr schwer. Zudem darf die Arbeit die Leistungen auf dem Feld nicht beeinträchtigen.»

Aus diesem Grund arbeiten nur wenige Spieler nebenbei. Sie spielen in der Challenge League gewissermassen um ihre Existenz und befinden sich in einer ständigen Drucksituation um den nächsten Vertrag. Barry selber verspürt diesen Druck nicht so sehr. Dank abgeschlossener Ausbildung kann er wieder in seinen Beruf als KV-Angestellter einsteigen und nebenbei als Hobby «vielleicht ein, zwei Ligen tiefer» kicken. Vielleicht fällt es ihm deshalb leichter zu sagen: «Das ist das Fussballbusiness. Man muss damit leben können, denn man hat es sich ja ausgesucht und dafür unterschrieben.»

Spiele gegen Vereine aus der Super League haben eine besondere Bedeutung. «Man versucht immer eine starke Visitenkarte abzugeben, sei es in einem Freundschaftsspiel oder im Cup.» Spiele gegen Höherklassige seien speziell motivierend. Zum Beispiel jenes im September 2018 im 1/16-Final des Cups gegen den Meister aus Bern in vollem Stadion vor 6500 Zuschauern. «Das war sicherlich eines meiner Karriere-Highlights», sagt Barry, der bei der 2:3-Niederlage nach Verlängerung über die volle Spielzeit eine starke Leistung zeigte.

«Es braucht die öffentliche Diskussion. Nur so kann man Rassismus bekämpfen.»

Bei einem aktuellen Thema wird der sonst so aufgestellte und selten ohne Grinsen anzutreffende Barry jedoch ernst. Es geht um die Rassismus-Debatte. Der Sohn eines Senegalesen ist davon direkt betroffen: «Ich bin sehr stolz darauf, dass das Thema auf der ganzen Welt von den Medien wirklich behandelt wird. Das war bis jetzt nicht der Fall.» Es gebe so viele verschiedene Nationen, Hautfarben und Länder und es müsse möglich sein, alle gleich zu behandeln.

Auch er habe Erfahrungen mit Rassismus auf dem Feld gemacht. «Und obwohl ich die Bemerkungen oder Laute meistens ausblenden kann, gibt es keine Rechtfertigung für solche Aktionen», stellt Barry klar. Der Frage, ob er bei seinem nächsten Treffer auf die Knie gehen würde, weicht er aus: «Vermutlich schon, auch ich kann meinen kleinen Beitrag dazu leisten. Aber es ist einfach nur eine Geste, gemacht ist damit noch nichts. Nur eine Faust in der Luft verändert die Einstellungen der Rassisten nicht.» Es brauche die öffentliche Diskussion. Denn nur so könne man Rassismus bekämpfen.

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Der Autor: Till Keller ist Mitarbeiter im Didi Offensiv und Fussballfanatiker. Seit diesem Sommer ist er Stadionsprecher und Medienverantwortlicher des NLA-Teams der FC Basel 1893 Frauen und Kommentator beim Radio Rotblau. Hauptberuflich arbeitet er bei der Post.

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