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Arbeiten und leben im Quadrat

Kurzporträts aus Block 6.1.021 im Gundeli.

11/13/19, 03:16 PM

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528 Bewohner*innen, 12 Hunde, 374 Arbeitnehmende. Das ist Block 6.1.021 im Gundeli.

528 Bewohner*innen, 12 Hunde, 374 Arbeitnehmende. Das ist Block 6.1.021 im Gundeli.

(Foto: Daniel Faulhaber)

Das ist Jörg Vitelli. Er ist SP-Grossrat UND Volvo-Besitzer (😱) aber das soll uns, wenns geht, nicht weiter kümmern, denn Vitelli ist für uns vor allem interessant als Gründer der Vitelli Velobedarf AG an der Dornacherstrasse 101 in #Block61021. Dies ist ein Porträt mit Blick auf unser Monatsthema:

Wenig Fläche, viele Ansprüche. Hat es in Basel noch Platz fürs Gewerbe?

Mit Vitelli sind wir endlich bei den «Experten für Gewerbemigration» angelangt. Ernsthaft: Wenn man Vitelli zuhört, dann kriegt man den Eindruck, diese Stadt sei eine einzige, unermüdlich mahlende Gewerbe-Drehscheibe, die an einem Ort zu gross gewordene Gewerbe-Buden rauskippt, dafür an anderer Stelle wieder Kreativwirtschafter*innen anzieht und dass in Sachen Arbeitsplätze insgesamt alles beim Gleichen bleibt.

Businesskunde mit Vitelli

Vitelli selbst ist in dieser Stadt bereits drei Mal umgezogen mit seinem Geschäft. Erst hat er 1985 an der Davidsbodenstrasse im St. Johann mit dem Import von Velozubehör aus Holland, Deutschland und Dänemark begonnen. Als es dort zu eng wurde, zog das Geschäft an die Kraftstrasse und schliesslich an die Dornacherstrasse im Gundeli. Das Geschäft mit zwölf Angestellten führen mittlerweile Tochter und Schwiegersohn.

Was denkt einer wie er, der seit 34 Jahren mit Velos arbeitet über das Business in seinem Block? Und was hält er von der Kritik, die rotgrüne Regierung mache den Gewerbler*innen und ihren Autos das Leben zur Hölle?

Wir nehmen Platz in der Werkstatt und erwarten eine Breitseite gegen alles bürgerliche Geschimpfe. Wir werden nicht enttäuscht. 

Aber erst gibts eine kurze Geschäftsrunde mit Vitelli:

Mit einer Bude sei es normalerweise so: Erst kommt der Aufbau, dann das Wachstum «und irgendwann kommt eben der Quantensprung, der einen Ausbau der Logistik erfordert. Du kannst dann ein paar Räume dazumieten aber mit der zunehmenden Verzettelung der Produktionsabläufe wird es dir schnell zu unwirtschaftlich. Also ziehst Du um. Dann dauert es wieder 10 bis 15 Jahre, dann kommt es wieder zu einem Quantensprung und wieder wird dir der Platz zu knapp». So sei das sicher auch bei Selmoni gewesen, so war das auch bei der Firma AS Aufzüge und anderen, die abgewandert sind, sagt Vitelli . «Zum Schluss wird alles an den Parkplätzen aufgehängt, aber das ist nicht korrekt. Irgendwann wird es in der Stadt einfach zu eng, das ist der logische Lauf der Dinge.»

Sticheleien gegen den Arbeitgeberverband

Wir machen mit dem Hausherrn einen Spaziergang durch die Lagerhalle. Sie ist rappelvoll bis unters Dach. Vitelli überlegt immer wieder, die Spedition auszulagern. Nach Pratteln, Münchenstein, auf den Dreispitz. Bislang hat er verzichtet.

Der Vitelli-Hinterhof ist die erste Fabrikumnutzung der Stadt und gerade darum hochinteressant, weil ein Teil der Fläche schon in den 1940er Jahren unterkellert wurde. Der gesamte Innenhof wurde abgesenkt, um dadurch mehr Stauraum für die damalige Papierfabrik zu schaffen, quasi unterirdisch.

Genau davon, nämlich der Nutzung unterirdischen Raums fürs Gewerbe, haben Marcel Schweizer Präsident des Gewerbeverbands ­Basel-Stadt, und Marc Jaquet Präsident des ­Arbeitgeberverbands BS kürzlich in der BaZ auch geträumt. «Wenn der Wille da wäre und die Ideologie nicht im Weg stünde» (O-Ton Schweizer / Jaquet).

Noch einmal Vitelli. Laut ihm gibt es zwei Arten von Raumtransformation. Eine, bei der ausziehendes Gewerbe durch nachrückendes Gewerbe ersetzt wird. Und eine, bei der frei werdende Gewerbefläche in Wohnraum umgenutzt wird. End of Story. Dass in Basel mehr Umnutzungen stattfinden, als Gewerbe nachrückt, liesse sich empirisch nicht feststellen.

Und dann stichelt Vitelli noch ein bisschen gegen den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes, Marc Jaquet, der auf seinem ehemaligen Firmengelände in Basel kein Gewerbe mehr beherberge, sondern Renditewohnungen bauen liesse, um mehr Geld zu verdienen. Der es sich gleichzeitig nicht nehmen liesse, auf die Stadt und ihre Gewerbefeindlichkeit zu schimpfen. Starkes Stück, findet Vitelli. Wir finden: Schön durften wir da sein, danke für Ihre Zeit.

Jörg Vitelli und die Mitarbeitenden sind zwölf von 374 Arbeiter*innen in Block 6.1.021. Wie geht es denen? Welche Änderungen wünschen sie sich im Gundeli und was läuft gut? Wir hören uns einen Monat lang um. Das war Teil 6 unserer Porträtserie.

PS: Den Vorwurf, Arbeitgeberpräsident Marc Jaquet verrate durch die Umnutzung seiner Liegenschaften von Gewerbe- in Wohnungsraum seine eigene Lobby, erhob jüngst auch SP-Präsident Pascal Pfister in einem BaZ-Kommentar. Strukturelle Probleme wurden noch nie durch das Herauspicken vermeintlich skandalöser Einzelfälle erklärt. Unsere Meinung. Darum konfrontieren wir Jaquet lieber ein andermal mit Fragen. Und versuchen hier weiterhin mit Fleissarbeit mit kleinen Einzelporträts die Komplexität eines Gesamtbilds abzubilden. Eines Gesamtbilds, indem es Gewinner*innen (z.B. Schneider Logistik), wie auch Verlierer*innen (z.B. Schleiss Modellbau) gibt. Der logische Lauf der Dinge? Wir bleiben dran.

(Foto: Daniel Faulhaber)

Das ist Yannick Abgottspon. Er ist Geschäftsführer des KM-Küchenstudios & Schreinerei an der Solothurnerstrasse 62 / 69 in #Block61021. Und weil Ihr Euch fragt, wie man gleichzeitig so jung sein kann und schon Geschäftsführer, gibts hier die Erklärung und eine weitere Begegnung mit Blick auf unser Monatsthema:

Wenig Fläche, viele Ansprüche. Hat es in Basel noch Platz fürs Gewerbe?

Ums kurz zu machen: Ja, hat es. Seit 1951 gibt es die KM Küchenstudio Schreinerei GMBH, erst als Partnerbetrieb mit einem Paul Schneider, dann übernahm Walter Abgottspon alleine das Zepter. Der Rest ist bis dato 68 Jahre währschafte Arbeit, Demut und Fleiss etcetera pp, Fakt ist, heute hat Yannick Abgottspon die Zügel in der Hand, weil so läuft das nun mal in Familienbetrieben. Irgendwann ist man eben dran.

Die Küchenstudio Schreinerei GMBH ist schon der vierte Familienbetrieb, den wir im Gundeli antreffen, und der noch immer gut läuft. Von wegen KMU-Sterben. Ob es da im Süden der Stadt Geschäftssinn im Wasser hat, würden wir gerne wissen.

Verkehr: Die Lage entspannt sich

Der Hauptsitz des Küchenstudios mit anliegender Schreinerei ist an der Solothurnerstrasse 69 einquartiert, sie liegen damit ausserhalb «unseres» #Block61021. Aber in der Nummer 62, und damit direkt an der Ecke Solothurnerstrasse / Dornacherstrasse, hat das Geschäft vor zehn Jahren einen Showroom dazu gemietet. Weil es, Achtung, MEHR Platz brauchte. Mehr Platz, um den eigenen Erfolg, Küchen nach Mass, an den Mann zu bringen.

Problemanalyse mit Abgottspon: «Die Parkplatzsituation hat sich für uns verschlechtert. Früher durften wir mit den Camions auch mal länger vor der Bude stehen, um ein- und auszuladen. Dann hat die Stadt die Verkehrsordnung verschärft und vor drei Jahren gab es eine Zeit, in der die Polizei an uns Gewerblern fast Schikane betrieb.»

Zuletzt habe sich die Lage wieder entspannt, sagt Abgottspon, aber mehr Parkplätze für seine Handwerker wären schon gut. Endlich! Endlich einer mit Parkplatzproblem, wir dachten bei Bajour schon, das ganze Thema sei Hokuspokus. Die Fahrzeugflotte der kleinen Firma umfasst 7 Fahrzeuge, davon ein grosser Transporter und sonst kleinere Busse. Das Verhältnis mit den Nachbarn sei gut, aber «wir wollen den Leuten im Quartier ja ungern auf die Nerven gehen, weil wir ihre Parkplätze besetzen», sagt Abgottspon.

Für die Kunden der Firma gibts wiederum Parkplätze in der Einstellhalle unter der Tankstelle.

Familie Abgottspon hat sich auch schon ein paar Mal überlegt, aus der Stadt zu ziehen, die Pläne dann aber verworfen. Zum einen will der Betrieb gar nicht weiterwachsen. Und zum anderen ist die Lage, «mitten in der Stadt» (O-Ton Abgottspon), einfach zu toll. Dann erzählt der Geschäftsführer eine Anekdote zum Schluss unserer kurzen Begegnung. Demnach komme es vor, das andere Handwerker mit Buden in Liestal oder sonstwo an der Peripherie lieber bei ihnen, der Abgottspon-Schreinerei, ihre Leisten zurechtschneiden lassen wenn das spontan auf Montage passieren muss, anstatt in die eigene Werkstatt zurückzufahren.

So toll ist also die Lage im Gundeli, dass sie auch von der Konkurrenz geschätzt wird. Wegen ein paar Parkplätzen den Standort aufzugeben, kommt nicht in Frage.

Dann muss Abgottspon, dynamisch wie es sich für einen Jungunternehmer gehört, wieder zurück zur Arbeit. Wir bedanken uns für die Zeit! Yannick Abgottspon und die Verantwortliche Mitarbeitende des Showrooms sind zwei von 374 Arbeiter*innen in Block 6.1.021. Wie geht es denen? Welche Änderungen wünschen sie sich im Gundeli und was läuft gut? Wir hören uns einen Monat lang um. Das war Teil 5 unserer Porträtserie.

(Foto: Daniel Faulhaber)

Das ist Christoph Dietmann. Er ist Verkaufsleiter der Gruppe Schneider & Cie AG, Transport und Logistik an der Solothurnerstrasse 48 in #Block61021 und dies ist eine Begegnung mit Blick auf unser Monatsthema:

Wenig Fläche, viele Ansprüche. Hat es in Basel noch Platz fürs Gewerbe?

Mit Christoph Dietmann hat Bajour endlich einen der ganz grossen Fische in #Block61021 an der Angel. Dietmann ist keiner dieser Kleinkrämer, nee, Dietmann ist ein richtiger (Co-)Unternehmer. Das erkennt man zum Beispiel an der Farbe des Anzugs, am Sprechtempo (zeitsparend schnell, dabei präzise), sowie am weltmännischen Händedruck Marke Schraubstock. Autsch.

Eckdaten zur Firma Schneider Logistik: Entstanden 1865, ein Familienunternehmen mit Basler DNA. Seit 45 Jahren mit dem «Headquarter» an der Solothurnerstrasse zuhause. Hier arbeiten auf 1600 Quadratmetern 70 Mitarbeitende, weltweit sinds 500. Schneider Logistik hat Büros in der Schweiz, Frankreich, Holland, USA, China. Jährlicher Umsatz? Über 300 Millionen Franken (2018). Läuft.

Basel als «absolut innovative Region» fürs Speditionsgewerbe

Wer gross geschäftet, hat sicher auch grosse Probleme. Herr Dietmann, jetzt mal Butter bei die Fische: Wie gewerbefeindlich ist Basel?

Dietmann: «Dieses Stadt ist nicht gewerbefeindlich, glauben Sie mir und ich weiss von was ich rede, ich habe auch schon in anderen Unternehmen gearbeitet. Man muss aber fairerweise sagen: Basel ist ein Mekka für uns Speditionsleute. In Basel tummelt sich die komplette Speditionslandschaft der Schweiz, das hat mit verschiedenen Faktoren zu tun. Zum Beispiel mit der Anbindung an die Wasserstrassen, oder mit den Zugverbindungen ins Ausland. Der gesamte Transitverkehr in die Schweiz beginnt in der Regel in Basel. Die Speditionswelt war immer in Basel zu hause und der Kanton hat dieses Gewerbe auch immer geschätzt und gefördert.»

Diekmann sagt, in Bezug auf das Speditionsgewerbe könne er Basel nur als «absolut innovative Region» beschreiben.

Ok, aber hier im Gundeli, da gibts sicher Probleme oder? Zu eng, zu wenig Parkplätze, steigende Mieten?

Dietmann: «Das Thema Parkplätze ist schon ein Thema. Aber wir motivieren unsere Arbeiter mit dem ÖV zur Arbeit zu kommen. Und wenn ich von Motivation rede, dann meine ich konkret finanzielle Anreize. Wer den ÖV nutzt, kriegt Geld obendrauf, so machen wir das. Die ganze Infrastruktur im Gundeli ist für uns eine gewinnende Geschichte, das ist viel attraktiver, als in Pratteln zu arbeiten. Hier hat man viele Auswahlmöglichkeiten, um Essen zu gehen, Einkaufen nach der Arbeit ist kein Problem und der Flughafen ist für unsere internationalen Partner gut angebunden.»

Gewerberaum gesucht, Gewerberaum gefunden

Als Standort für den administrativen Workspace ist das Gundeli also toll. Den Warenumschlag selber, und damit den verkehrsintensiven Teil des Business, den tätigt Schneider Logistik aber in Pratteln. So wie das auch die anderen Player auf dem Feld wie etwa die Firma Planzer, die Gebrüder Weiss, oder Leimgruber machen. Diekmann sagt: «Wenn ich draussen in Pratteln die Gewerbefläche für den Warenumschlag verdoppeln will, dann kann ich das morgen tun, kein Problem. Aber hier im Gundeli, hier wirds in der Tat langsam eng.»

Weils also gut läuft bei der Schneider & Cie AG, sucht die Firma aktuell 600 Quadratmeter Platz, um weitere 35 bis 40 Angestellte aus der IT oder Buchhaltung unterzubringen. Wo? Im Gundeli. Im Moment laufen Gespräche mit dem Vermieter einer Bürofläche, es sehe gut aus, sagt Dietmann.

Nach 17 Minuten ist das Gespräch vorbei, danke für die Zeit, Herr Dietmann. Herr Dietmann und die Angestellten der Schneider Logistik sind 71 von von 374 Arbeitskräften in Block 6.1.021. Wie geht es denen? Welche Änderungen wünschen sie sich im Gundeli und was läuft gut? Wir hören uns einen Monat lang um. Das war Teil 4 unserer Porträtserie.

(Foto: Daniel Faulhaber)

Das ist O, ihr Name hat tatsächlich nur einen Buchstaben. O ist seit 2005 die Wirtin des Thai-Restaurants Su-Li an der Sempacherstrasse 3 im #Block61021 und dies ist ein Begegnung mit Blick auf unser Monatsthema:

Wenig Fläche, viele Ansprüche. Hat es in Basel noch Platz fürs Gewerbe?

Wir steigen direkt ein: O, was läuft hier nicht so, wie es sollte? O: «Da fällt mir erstmal nichts ein, dieser Ort ist eine Goldgrube.» Das kleine Restaurant ist in zwei Hälften geteilt. In einem befindet sich eine Art Lounge und die Küche, im anderen die übrigen Tische. O arbeitet seit dem Tod ihrer Mutter als Köchin und Service in Personalunion «Das Mise en Place will gut vorbereitet sein», sagt sie.

Su ist der Name ihrer Mutter, Li der Name ihrer Grossmutter. Restaurant Su Li, eine Hommage an die Familie. Das Gebäude fällt in Block 6.1.021 aus dem Rahmen, denn es hat nur ein Stockwerk und reisst damit eine Zahnlücke in die sonst fast vollkommen geschlossene Häuserreihe um das Geviert. «Früher war hier ein Velogeschäft, später ein Hanfladen», sagt O. Seit 2005 ist sie da. Warum das Gebäude nur ein Geschoss hat, weiss sie nicht.

Ein bisschen wirkt dieses Häuschen wie aus der Zeit gefallen. Aus einer Zeit, in der man es sich noch leisten konnte, eingeschossig zu bauen.

Die Gentrifizierung lässt auf sich warten

Der Mietzins sei in den vergangenen 14 Jahren beinahe unverändert geblieben, daran hat sich auch mit den Neubauten rund um den Bahnhof wie etwa dem Südpark, oder dem kürzlich fertiggestellten Meret Oppenheim Hochhaus, nichts geändert. Die Gentrifizierung lässt auf sich warten. Fürs Geschäft seien die Neubauten allerdings gut, sagt O, «neuerdings habe ich auch Kundschaft vom SRF.»

O wohnt in Muttenz und kommt mit dem ÖV zur Arbeit. Parkplatzprobleme? Nicht ihre Probleme. Überhaupt kommt in O’s Erzählung die Fussgängerfreundlichkeit des Gundeli und auch die Nachbarschaft in Block 6.1.021 gut weg. «Manchmal, wenn ich Essen übrig habe, dann bringe ich das die Strasse runter zur Velowerkstatt Zweifach.» Der Besitzer habe dafür auch schon auf ihren Hund aufgepasst, als sie mal in der Klemme steckte.

Für O’s Restaurant ist die Lage perfekt und dass die Wirtin nicht mehr aus der «Goldgrube» macht liegt auch daran, dass sie nicht will. Geöffnet hat das Restaurant Su Li von 12:00 bis 14:00 Uhr. «Danach kümmere ich mich um meinen Sohn», sagt O. «Das Leben ist mir ebenso wichtig, wie das Geschäft.» Krank ist O nie, Ferien hat sie allerdings auch nicht. O ist eine Arbeiterfrau, sie schlägt sich durch. Danke für das Gespräch!

O ist eine von 374 Arbeitskräften in Block 6.1.021. Wie geht es denen? Welche Änderungen wünschen sie sich im Gundeli. Und was läuft gut? Wir hören uns einen Monat lang um. Das war Teil 3 unserer Porträtserie.

Das ist die Schaufensterfront von Herr und Frau Schleiss, den Inhabern von Schleiss Modellbau an der Dornacherstrasse 106 in #Block61021. Du kannst sie nicht sehen, denn sie wollen nicht fotografiert werden. Gegen ein Porträt haben sie nichts, darum ist dies eine weitere Begegnung mit Blick auf unser Monatsthema:

Wenig Fläche, viele Ansprüche. Hat es in Basel noch Platz fürs Gewerbe?

Bei Schleissens läufts nicht mehr so, muss man erfahren. Herr Schleiss, ein älterer Herr mit Respektschnauzer, hasst zwar das Internet, aber um zu zeigen, wie toll der Laden hier früher aussah, macht er doch rasch den Computer an und zeigt Fotos. «Die ganze Front, drei Fenster, das gehörte alles zu uns», sagt er. Das war 2014 (oberes Foto). 2016 waren es noch zwei Fenster und heute, heute ist es nur noch die kleine Auslage in der Mitte übrig geblieben (unteres Foto). Die Schaufenster rechts und links sind mittlerweile vermietet.

Modellbau interessiert im Jahr 2019 nur noch ein paar Alte «ohne Haare auf dem Kopf», so Schleiss. Modellbau Schleiss, so zynisch das klingt, ist ein bisschen die Antithese zu unserem Thema: Viel Fläche, wenig Ansprüche.

Business kaputt, dem Internet sei Dank

Schleiss, das ist eins der alten Geschäfte im #Block61021. Bereits der Vater von Herrn F. Schleiss Junior, der seinen Vornamen nicht nennt und überhaupt ungern mit der Presse spricht, seit er mal wegen einer Verbrennungsmotorengeschichte im Zusammenhang mit ferngesteuerten Helikoptern falsch zitiert wurde, führte den Laden. Seit den Sechzigern ist das Ehepaar Schleiss am Steuer. Oder am Hebeln. Zunehmend auch am Verzweifeln, je nachdem, nach was man fragt.

Das Internet hat den Schleissens das Geschäft kaputt gemacht aber trägt auch viel zur generellen Verblödung der Menschheit bei, erfährt man hier zwischen kleinen Monstertrucks und Segelschiffen. Die Feinmotorik der Kinder gehe vor die Hunde, die Fantasie ebenso. «Die Kinder sind alle nur noch klickklick, wischwisch» sagt Frau Schleiss, es sei eine Tragödie.

Kulturpessimismus beiseite, kommen wir zur Analyse der Situation. Was nervt, was nicht?

Die Schleissens haben zwei Parkplätze vor dem Haus, das reicht für den eigenen Wagen dicke und falls mal ein Kunde parken will, hats da auch noch Platz. Wenn die Schleissens geschlossen haben, wie Dienstags und Donnerstags, dann stellen sie eine selbergebaute Barrikade quer über die beiden Parkplätze, damit da keiner parkt. Was schon stört, aber mehr so vom Hörensagen, seien die anderen «faulen» Geschäfte, die ihren Angestellten die Geschäftsfahrzeuge mit nach hause geben, wodurch in den Quartieren dann die blauen Parkfelder besetzt seien. Weil die Buden keine eigenen Parkplätze haben.

Schleissens wohnen im Hirzbrunnenquartier, dort sei das gang und gäbe.

Aber eben, den Schleissens ist das eigentlich egal. Sie haben ja Platz. Und die Kunden? Die kommen mittlerweile ohnehin in den allermeisten Fällen wegen der Kleinteile. Schrauben, Leisten, sowas. Das geht dann zu Fuss.

Dann wird im Hause Schleiss noch ein bisschen über den Dreck auf den Strassen geredet, der da früher noch nicht war, und über viele neue Leute im Quartier, deren Namen man nicht aussprechen kann und dann wieder über das Internet, diese Elendserfindung, die den Kleinen die Kindheit raubt und den Grossen das Geschäft. Aber das sei eben so, da könne man jetzt eben nichts machen, sagen beide.

Dann fallen auch noch ein paar nette Worte. Über die Polsterei Bänteli an der Solothurnerstrasse, der man ab und an «was elektisch mache» und im Gegenzug ein paar Polster ersetzt kriegt, über das Küchenstudio nebenan und das Velogeschäft Vitelli, die seien toll, alte Basler Betriebe eben.

Ob man sie fotografieren dürfe, fürs Porträt? «Ou nein danke auf keinen Fall, wir wollen nicht berühmt werden», sagt Frau Schleiss zum Schluss.

Wir sagen: durch uns ist zwar noch niemand berühmt geworden, aber danke fürs Kompliment. Und danke für die Zeit und das Gespräch, Herr und Frau Schleiss! Die beiden sind 2 von von 374 Arbeitskräften in Block 6.1.021. Wie geht es denen? Welche Änderungen wünschen sie sich im Gundeli und was läuft gut? Wir hören uns einen Monat lang um. Das war Teil 2 unserer Porträtserie.

Das ist Menderes Memeti, er ist seit vier Jahren Wirt des «Schwyzerhüsli» an der Ecke Güterstrasse / Sempacherstrasse im #Block61021. Dies ist ein Kurzporträt mit Blick auf unser Bajour-Monatsthema:

Wenig Fläche, viele Ansprüche. Hat es in Basel noch Platz fürs Gewerbe?

Herr Memeti, wenn Sie hier etwas ändern könnten, um ideale Geschäftsbedingungen zu schaffen, was wär das? Memeti denkt nach. «Ich würde gerne bis an die Strasse rausstuhlen, so wie die anderen Beizen auch.» Und sonst? «Einen eigener Parkplatz wäre toll», sagt er. «Einmal die Woche gehe ich einkaufen, aber manchmal ist vor dem Haus das Trottoir vom Lastwagen eines Lieferanten oder der Post besetzt, wenn ich zurückkomme. Dann muss ich das Auto um die Ecke abstellen und das Zeugs hertragen.»

Alles sehr authentisch

Als Stadthipster haben wir natürlich ein Flair für urchige Möbel und fühlen uns im Schwyzerhüsli augenblicklich wohl. Die Fenster sind aus Milchglas, die Stühle alt, die Küche eng, es riecht nach Pommes und Kaffee und in der Ecke ist eine Telefonzelle in die Wandtäfelung eingelassen. Quartierbeizencharme, alles ist sehr authentisch. Herr Menderes, wie läuft das Geschäft?

«Das Geschäft läuft ok, aber könnte ich was ändern, würde ich als erstes das Interieur austauschen. Neue Fenster, neue Küche, alle Möbel raus. Kostet aber 40’000 Franken, hab ich berechnet und der Vermieter macht das nicht mit. Selber ist mir das auch zu teuer. Also bleibt erstmal alles wie es ist.»

Wer kehrt im Schwyzerhüsli ein? «Meine Kunden sind zu 95 Prozent Schweizerinnen und Schweizer.» Wegen des Namens? «Wahrscheinlich auch», sagt Memeti und lacht ein bisschen unter dem Schnauz. Er kommt aus Nordmazedonien, auf der Karte stehen fünf Menüs. Schweinsschnitzel mit Pommes Frites, Rindshaxen mit Spätzli, inklusive Softdrink und Kaffee kostet alles 21.50.

Inklusive Menderes Memeti arbeiten vier Personen im Schwyzerhüsli. Akute Businessprobleme: keine. Änderungswünsche: vorhanden (Parkplatz, Renovation) . Hervorzuheben: Das tolle Verhältnis mit den Nachbarn und die Lage. Sie ist Fussgängerfreundlich und gut an den ÖV angebunden, «eigentlich haben wir nichts zu beklagen», sagt der Chef. Danke, Herr Memeti, für das Gespräch!

Menderes Memeti ist einer von 374 Arbeitskräften in Block 6.1.021. Wie geht es denen? Welche Änderungen wünschen sie sich, was läuft ganz ok? Wir hören uns einen Monat lang um. Das war Teil 1 unserer Porträtserie.

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