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Flugzeugwartung

Allschwiler Firma im Senkrechtflug nach oben

Die Firma Swiss Aviation Software hat sich in den vergangenen Jahren zur Weltmarktführerin für Wartungssoftware für Flugzeuge aufgeschwungen. Jetzt landet sie einen neuen Coup.

05/13/22, 04:19 PM

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Vor dem Firmensitz.

Vor dem Firmensitz. (Foto: zVg)

Kaum jemand kennt sie, aber die Schweiz ist voll davon: Hidden Champions, versteckte Weltmeister. Ein solcher Champion ist die Swiss Aviation Software, kurz Swiss AS. Wie es sich gehört, ist auch sie gut versteckt, am Rande des Allschwiler Entwicklungsgebietes Bachgraben, nur wenige Meter vom Gartenbad und von der französischen Grenze entfernt. Über den idyllischen Schrebergärten zieht ein Milan seine Runden. Der nahe Flughafen hat gerade Pause.

Kampf dem Papierkram

Die Geschichte ist fast zu gut, um wahr zu sein. Begonnen hat sie 1989 in einem Hangar der Crossair. Dort wurden, entsprechend dem Erfolg der Basler Regionalfluggesellschaft, immer mehr Flugzeuge gewartet. Ronald Scherer, damals 22, wurde mit der Programmierung einer Software betraut. Sie sollte Übersicht und Ordnung in die Unterhaltsarbeiten, Checks und Reparaturen bringen.

Und vor allem galt es, dem riesigen Papierkram Herr zu werden, den die Wartungen und Schadenbehebungen mit sich bringen. Die Fliegerei ist extrem reglementiert. Jedes Ersatzteil ist zertifiziert und registriert, jede Reparatur muss nachvollziehbar sein – «back to birth», wie es in der Branche heisst. Ohne eine ausgeklügelte intelligente Datenbank, gekoppelt mit einem Planungsinstrument, wäre Flugzeugwartung heute undenkbar. Das Tool bekam den Namen AMOS.

Ronald Scherer, CEO bei Swiss Aviation Software

Ronald Scherer, CEO bei Swiss Aviation Software (Foto: zVg)

Rega als erste Kundin

In einem Büro im damaligen Crossair-Hangar entwickelte Scherer AMOS Schritt für Schritt weiter. Die erste externe Kundin war die Schweizerische Rettungsflugwacht in Zürich. Die Rega ist es immer noch. «Bei uns ist noch nie ein Kunde abgesprungen», sagt Scherer. Sein Büro ist gespickt mit Flugzeugmodellen der Kunden und Reminiszenzen aus Crossair-Zeiten – so zum Beispiel die Leder-Sitzbank im legendären dunkelblauen Crossair-Look.

Das Grounding der Swissair und die folgenden Jahre waren auch für die Software-Abteilung schwierig. Zur Erinnerung: Die Crossair diente nach dem Grounding als Basis für die neue Swiss International Air Lines.

AMOS landete also bei der SWISS. Der eigentliche Aufschwung nahm diese Abteilung erst, als sie 2004 in eine separate Firma, die Swiss Aviation Software, ausgegliedert wurde, mit damals immerhin 23 Vollzeitstellen. Sie blieb aber eine 100%-Tochter von SWISS. Dank laufenden Verbesserungen und Innovationen wurde AMOS zu einem regelrechten Erfolgsmodell. Die Tatsache, dass auch Konkurrenten der SWISS Kunden von Swiss AS wurden, spielte keine Rolle, im Gegenteil. Der Name bürgt in der Branche für Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Geschäftszahlen gibt die Firma keine bekannt. Scherer sagt nur: «Wir haben noch nie Verlust gemacht.» Insider wissen: Die Firma ist brutal erfolgreich. Der Weltmarktanteil von Swiss AS liegt bei rund einem Drittel, die nächst kleineren Konkurrenten sind Ramco aus Indien oder Trax aus den USA.

Heute zählt die Firma weltweit über 200 Kunden. Es sind klingende Namen dabei wie Ryanair (469 Flugzeuge), Easyjet (318), Indigo (250), Austrian (160), SAS (153), Wizz Air (154), SWISS (107), um ein paar bekannte, grosse zu nennen. Auch Wartungsfirmen und Helikoptergesellschaften nutzen AMOS.

So sieht die Software aus.

So sieht die Software aus. (Foto: zVg)

Plus 300 Flugzeuge

An Wochenende vom 14./15. Mai stösst ein weiterer Grosskunde dazu: Lufthansa. Das bedeutet ein Plus von weiteren rund 300 Flugzeugen. Die Vorarbeit dazu habe drei Jahre gedauert, gibt Scherer zu Protokoll. «Ein Systemwechsel ist überaus anspruchsvoll und muss ab Tag 1 funktionieren.»

Der Personalbestand nahm durchschnittlich um 10% bis 15% zu; heute arbeiten in Allschwil 270 Beschäftigte. Bis Ende Jahr dürften es rund 300 sein, sagt Scherer. Das verwinkelte Gebäude, in dem sich früher halb Basel mit Baumaterial und Werkzeugen eindeckte oder eine Partie Minigolf spielte, wurde erst kürzlich weiter umgebaut und renoviert. Er gibt hier Platz für weitere 100 Arbeitsplätze. Das Gesamtinvestment in Allschwil: 17 Millionen Franken.

Flugzeuge der neuen Generation sind mit hochentwickelten Softwaresystemen ausgestattet. Das vereinfacht manchmal sogar die Arbeit. Wartungsunternehmen sind papierlos (oder sind auf dem Weg dorthin). Sie verlangen heute mobile Lösungen, um die Effizienz ihrer Mitarbeiter zu steigern. Ausserdem wollen viele Kund*innen ihr System in einer sicheren Cloud-Umgebung betreiben. In Werkstatt und Hangars kommen deshalb immer öfter Tablets und andere mobile Geräte zum Einsatz.

Ein Beispiel-Tablet.

Ein Beispiel-Tablet. (Foto: zVg)

Erfahrene Mitarbeitende

Des Lobes voll ist Scherer über den Standort so nahe an der Grenze, der vor allem für den Arbeitsmarkt sehr attraktiv ist. Rund 60% der Belegschaft sind Elsässer*innen. Viele, vor allem Kadermitarbeitende, sind seit 20 Jahren oder mehr dabei. Das sei in diesem Geschäft ein absoluter Pluspunkt. In der Nordwestschweiz ist Swiss-AS eine der grössten Softwarefirmen.

Swiss AS ist relativ gut durch die Pandemie gekommen. Die Arbeit ruhte nicht. Fluggesellschaften mussten auch gegroundete Flugzeuge warten und aus gesetzlichen Gründen entsprechende Protokolle erstellen. Weil die Kund*innen Jahrespauschalen zahlen, fielen die Ausfälle nicht so dramatisch ins Gewicht. Einige Airlines nutzten den Stillstand, ihre Systeme zu überprüfen und eventuell zu wechseln. Zwanzig neue Kund*innen stiessen neu zur Firma. Die Ziele waren, plump gesagt, dieselben wie vor der Pandemie: Prozesse optimieren, Ressourcen schonen, Bodenzeiten verringern, Geld sparen.

Die prompte Umsetzung von Homeoffice in der Pandemie lief reibungslos. Kurzarbeit gab‘s tatsächlich nur für Teile der Belegschaft über eine limitierte Zeit, als Ausbildner*innen und Berater*innen nicht mehr reisen durften. Ein Geschäft ist jedoch vor kurzem völlig weggebrochen: Russland. Aeroflot, Pobeda und Rossiya setzten ebenfalls auf Swiss-AS. Bei insgesamt 200 Kunden dürfte dies allerdings verschmerzbar sein.

Wir fliegen auch... und manchmal auf die Nase.

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