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«Vertretungen» in der Landesregierung

Herkunft und Heimat

Wird Eva Herzog in den Bundesrat gewählt, weil sie oder obwohl sie Baslerin ist? Sie wird in erster Linie gewählt, weil sie Eva Herzog ist.

12/05/22, 05:07 PM

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Eva Herzog, SP-BS, arbeitet im Vorzimmer des Staenderats, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 29. November 2022 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Mit Eva Herzog könnte Basel-Stadt nach rund 50 Jahren wieder eine Vertretung im Bundesrat haben. (Foto: KEYSTONE / ANTHONY ANEX)

In Basel rechnet man damit und freut sich darauf, dass mit der Basler Ständerätin Eva Herzog nun zum dritten Mal eine «Vertretung» der Stadt in die Landesregierung gewählt werden wird. Das ist allerdings zweifach nicht ganz zutreffend. Denn erstens ist neben Ernst Brenner 1897 und Hans-Peter Tschudi 1959 im Jahr 1855 ein weiterer Basler in den Bundesrat gewählt worden. Dieser hat aber nach einer Bedenkzeit die Wahl abgelehnt.

Der liberal-konservative Basler Johann Jakob Stehlin erklärte, dass er sich den hohen Anforderungen nicht gewachsen fühle. Eine andere Erklärung ging allerdings dahin, dass Stehlin, Mitglied des Grossen wie des Kleinen Rats und der einflussreichen Baukommission, in Basel mehr verdiente, als er in Bern erhalten hätte. So wurde in einem weiteren Wahlakt der Luzerner Melchior Josef Martin Knüsel gewählt.

Fast Bundesrat: Johann Jakob Stehlin.

Fast Bundesrat: Johann Jakob Stehlin. (Foto: Charles Reutlinger - CC BY-SA 4.0)

Zweitens sollte man auch diejenigen Bundesräte in der Zählung berücksichtigen, die aus der Basler Region stammen. Zuallererst den Baselbieter Emil Frey, der 1890 in den Bundesrat gewählt worden ist. An ihn wurde kürzlich in der Presse vorzeitig erinnert, weil sich am 24. Dezember sein Todestag zum hundertsten Mal jährt. Frey stammte aus einer Basler Familie, die sich aus politischen Gründen in die basellandschaftliche Nachbarschaft (Münchenstein/Arlesheim) abgesetzt hatte. Seine Schulausbildung bezog Frey im städtischen Gymnasium. 

Im weiteren könnte man auch den offiziell dem solothurnischen Schwarzbubenland (Dornach) zugerechnete Otto Stich dazuzählen. Er kam in Basel zur Welt, absolvierte sein Studium an der Universität Basel, war zunächst Lehrer an der Basler Gewerbeschule und wurde schliesslich Personalchef und Direktor der in Basel domizilierten Coop.

Eva Herzog, die Basler Bundesratskandidatin, ist im Basler Vorort Pratteln aufgewachsen, ihre Eltern hatten Bürgerrechte im Kanton Aargau und Solothurn, sie selbst ist baselstädtische Bürgerin. Studiert hat sie in der Stadt, in ihrer Doktorarbeit (1995) hat sie sich mit dem Baselbieter Frauenturnen beschäftigt. Man mag nun ihre Basler Herkunft betonen, sie ist jedoch wie alle Menschen ein Mehrfaches: Historikerin, Magistratin mit Führungserfahrung, Mutter, Velofahrerin, an bestimmten Büchern interessiert etc. 

Neben der geografischen Heimat gibt es auch inhaltliche Heimaten. Man kann auf verschiedene Arten Baslerin oder Basler sein. Gewiss ist das wichtig, was man Erfahrungshintergrund nennt. Und sicher hat Eva Herzog ein besonderes Quantum an Knowhow aus einem urbanen Raum und aus einer Grenzregion. Basels starke Pharma ist kaum auf «Vertretung» in der Landesregierung angewiesen, etwas wichtiger könnte direkter Einfluss für die Fahrplangestaltung der SBB sein.

Herzogs Diktum, dass sie es gewohnt sei, über den Tellerrand zu schauen, könnten auch andere aus anderen Grenzregionen der kleinen Schweiz vorgebringen. Am wichtigsten ist die Wertehaltung einer Repräsentantin. Allein die regionale Herkunft, so beachtet sie zu Recht im helvetischen Verteilungssystem ist, genügt nicht. Damit geht einher, dass es selbstverständlich die Region überaus freut, dass eine der Ihren in höchste Ämter gewählt wird, weil Qualität der Kandidatin und Konstellation es möglich machen. 

Wird Eva Herzog in den Bundesrat gewählt, weil sie oder obwohl sie Baslerin ist? Sie wird in erster Linie gewählt, weil sie Eva Herzog ist.

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