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Gamestop

«Brennt das Haus nieder»

Interview mit einem Basler Kleinanleger, der die Finanzwelt ins Wanken bringt.

01/29/21, 11:48 AM

Aktualisiert 01/29/21, 04:36 PM

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Die Aktie von Gamestop steigt und steigt.

Die Aktie von Gamestop steigt und steigt. (Foto: Google)

Über Soziale Medien tun sich weltweit Anleger*innen zusammen und lehren die mächtige Finanzwelt das Fürchten.

Und das geht so: Sie kaufen Aktien serbelnder Firmen auf und bringen die Kurse gezielt zum Steigen. Mit dem Schwarm an Kleinanleger*innen haben die grossen Hedgefonds nicht gerechnet. Die haben auf sinkende Aktienkurse gesetzt, wie etwa beim US-Spielhändler Gamestop und sich zum Kauf der Aktien zu einem späteren Zeitpunkt verpflichtet. Die horrend steigenden Kurse bringen jetzt selbst Hedgfonds-Riesen an den Abgrund.

Bajour traf einen Basler, der mit einem kleinen Gamestop-Engagement Grosses vor hat und deshalb lieber anonym bleiben will.

Wie bist du drauf gekommen, bei Gamestop einzusteigen?

Ich verfolge auf Reddit schon länger sogenannte Subreddits bei denen es thematisch um Aktien geht. Diese Idee, gegen Hedgefonds und Leerverkäufe (Verkauf der Aktie zu einem späteren Zeitpunkt) zu wetten, ist ebenfalls nicht neu. Als dann der Fokus auf die Firma GameStop kam, dachte ich, das ist ein ziemlich langweiliger, analoger Spielehändler, mit vielen Filialen in US-Fussgängerzonen und ohne grosse Zukunft. Aber letzte Woche hab ich begriffen, worum es geht. 

Reddit what?

Reddit what?

Reddit nennen sich «the front page of the internet». Das ist auch so: Reddit ist ein riesiges Forum mit allen Nischen, die man sich vorstellen kann. Du magst Katzenmemes? Gibt ein Subreddit dafür. Du hast gerne schlechte Witze? Gibt's auch eines dafür... zum Teil sind die dann moderiert.

Worum geht's?

Es geht darum, gezielt gegen Hedgefonds anzutreten und sie mit steigenden Kursen, bzw. ihren eigenen Mitteln zu schlagen.

Und dann bist du eingestiegen?

Ich hab die Kommentare durchgelesen und gedacht, die Idee ist gut und das Prinzip ist es mir wert, das rauszufinden. Ich hab was Kleines investiert und abgewartet.

Was Kleines?

Mir war klar, dass ich damit rechnen musste, alles zu verlieren. 

Wie lange musstest du warten?

Es ging quasi sofort raketenmässig ab. Meinen Einsatz hatte ich im Nu raus. Den hab ich dann zurückgeholt und den Rest lass ich stehen. A fonds perdu, so quasi. Und aus Prinzip.

Aus Prinzip?

Ich halte das Finanzsystem seit längerem für sehr schädlich und letztlich ausser Kontrolle. Selbst nach dem Beinahe-Kollaps nach dem Lehmann-Bankrott wurden keine Massnahmen getroffen. Das Finanzsystem hat sich längst abgekoppelt von der realen Wirtschaft. Es nützt uns nichts. Im Gegenteil. Es schadet der realen Wirtschaft. Und die Politik kann offenbar nichts mehr dagegen tun. Diesem System einfach durch Halten noch mehr Schmerzen zuzufügen, find ich super.

Aber du verdienst ja Geld dabei.

Mir ist der gesellschaftliche Aspekt wichtiger. Wenn ich am Schluss einen Nuller rausziehe, ist es mir Wurst. Auf Reddit geht's wohl vielen gleich. Aber den «freien Markt» mal so zu nützen, dass es vielen nützt und nicht nur wenigen, find ich super. Es sind jetzt die Finanzleute, die nach Regulierung und Schutz vor neuen Marktteilnehmern schreien. Die gleichen, die sonst immer für Deregulierung und freie Wildbahn plädieren.

Die beiden Hedgefonds Melville Capital und Citron Research werden, Stand heute, mehreren Milliarden Verlust aus der Gamestop-Wette herausziehen. Hast du Mitleid mit denen?

Ich befasse mich seit langem mit der Banken- und Finanzwelt und lese viele Sachbücher. Zum Beispiel «Flash Boys» von Michael Lewis ist ein echter Augenöffner. Die ganze Finanzwelt betreibt Null Innovation. Nur Abschottung, Absprachen und Lobbying. Der ganze Sektor schafft nirgends an einer positiven Veränderung. Niemand sagt: «Meine Bank macht ganz tolle neue Sachen.» Null Innovation und gegen die Bedürfnisse der Gesellschaft. Und wenn es mal nicht nach dem Gusto der von der Wirtschaft völlig abgekoppelten Kapitalwelt läuft, gibt's ein Bailout – durch uns Steuerzahler und Staatsschutz. 

«Gamestop ist ein Signal. Die Politik ist in der Tasche der Finanzindustrie.»

Wann bist du eingestiegen. 

Ungefähr vor sieben Tagen. 

Möglich ist die Jekami-Börse erst, seit über Internet-Broker der Zugang zur Börse extrem billig geworden ist. Soll ich das jetzt auch noch machen?

Das würde ich nur denjenigen empfehlen, die nicht auf das Geld angewiesen sind oder sich extrem gut auskennen. Und denen sag ich im Fall von Gamestop: Nehmt es eher als Spende. Nicht als Anlage.

Wenn Hedgefonds pleite gehen, ist das kein Zuckerschlecken. 1998 war die Finanzwelt am Abgrund. Der Crash des LTCM-Funds führte vor zwanzig Jahren in der Schweiz innerhalb der neu fusionierten UBS zu einem existenzbedrohenden Erdbeben. 

Ich sehe schon, was das für gewaltige Folgen hat. Aber wir haben wieder und wieder nichts gelernt. Etwa aus der Finanzkrise. Man verlässt sich einfach drauf, dass man gerettet wird. Gamestop ist ein Signal. Die Politik ist in der Tasche der Finanzindustrie. 

Wenn du Bundesrat Maurer, Kanzlerin Merkel und Präsident Biden wärst, was würdest du tun?

Mein Instinkt ist: Brennt das Haus nieder. Ihr habt so lange profitiert. Jetzt langts. Der Schaden an der Gesellschaft ist gewaltig. Die Politik hat zu lange zugeschaut.

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