Weibliche Unterdrückung in Hochglanz

Ein Yuppie-Schnösel steht auf Peitschenhiebe und Fesselspiele, seine Auserwählte ist eher von der romantischen Fraktion. Das haut nicht so ganz hin und vermittelt fragwürdige Botschaften. Das Beispiel «Fifty Shades of Grey».

Kultzgrün

Dieser Artikel ist am 02.04.22 zuerst auf Kultz erschienen. Kultz gehört wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz.

fifty shades of grey richtig

Ein attraktiver jungreicher Typ, dem eine fette Firma in Seattle gehört, die was auch immer macht, findet Gefallen an einer schüchternen blümchenbeblusten Literaturstudentin, die buchstäblich in sein Büro fällt. Sie heisst Anastasia und springt für ihre beste Freundin ein, die ursprünglich das Interview mit dem vielbeschäftigten Wichtigtuer für die Studentenzeitung machen sollte, jedoch mit Grippe zuhause weilt. Klingt alles super nachvollziehbar, vor allem, weil der gute Herr Grey danach die Antworten ohnehin per Mail schickt – was natürlich nicht vorher schon möglich gewesen wäre.

Aber egal – Logik war sowieso nicht Hauptbestandteil dieser Schmonzette, zumal der ihr zugrunde liegende Schundroman noch viel schlimmer ist. Jedenfalls werden während dieser bewusstseinsverändernden Begegnung bedeutungsschwangere Blicke und Worte ausgetauscht wie: «Anastasia» und darauf: «Christian», kurz bevor die Lifttüre zugeht. Dazwischen gibts Close-ups von ihr, wie sie sich auf die Lippe beisst, um zu demonstrieren, dass sie ihn selbstverständlich auch total heiss findet und als Jungfrau (natürlich!) nur auf einen wie ihn gewartet hat.

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Warum auch immer. Denn eigentlich ist er nur ein arroganter Gordon-Gecko-Verschnitt ohne jegliches Charisma. Dazu noch ein furchtbar herrischer Kontrollfreak, der vor seiner Auserkorenen gerne mit Hubschraubern und Autos protzt, ohne Anastasias Einwilligung ihren VW-Käfer verscherbelt und des nachts oben ohne traurige Klaviertöne anstimmt. Nicht zu vergessen sein unbewältigtes Kindheitstrauma. Der Grund dafür, warum er sich sein rotbeleuchtetes Spielzimmer eingerichtet hat, in dem es keine Xbox zu entdecken gibt, dafür aber jede Menge Peitschen und Handschellen.

Als Liebesfilm funktioniert das schon gar nicht. Zumal die damit vermittelten Botschaften recht ärgerlich sind.

Unterm Strich ist dieser als skandalträchtig beworbene Gurz, der als «Twilight-Fanfiction» seinen Anfang nahm, nichts als heisse Luft und mehr schlechte «Pretty Woman» als gute «Secretary». Für den BDSM-Inhalt bräuchte es mehr als ein bisschen Peitschenstreicheln, Eiswürfellutschen und Poklatschen. Als Liebesfilm funktioniert das schon gar nicht. Zumal die damit vermittelten Botschaften recht ärgerlich sind. Zum einen, dass alle SM-Praktizierenden irgendeine Psychomacke haben. Zum anderen, dass sie unbedingt von diesem abnormalen sexuellen Verhalten «geheilt» werden müssen, indem man sie in eine liebevolle Zweierbeziehung führt. So wird es in den nicht minder käsigen Fortsetzungen verkauft. Darüber hinaus ist «Fifty Shades of Grey» – von einer Frau geschrieben und von einer anderen auf die Leinwand gebracht – auch ein hochglanzpoliertes Beispiel weiblicher Unterdrückung, denn eine gleichberechtigte Beziehung sieht irgendwie anders aus.

Dieser Kultz-Artikel wurde im Rahmen des «Innereien»-Kulturprojektes der Albert Koechlin Stiftung produziert. Hier erfährst du mehr darüber. Und hier geht es zur offiziellen Webseite: www.innereien.ch.

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