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Warum unser Autor Louis C.K. lustig fand

Bajour ging mit gemischten Gefühlen zum amerikanischen Komiker, der wegen sexueller Belästigung in der öffentlichen Kritik steht. Und musste wider Erwarten lachen.

11/29/19, 12:52 PM

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Notizblock bitte draussen lassen.

Notizblock bitte draussen lassen. (Foto: Samuel Hufschmid)

Jetzt mal kurz und knapp: Die Show von Louis C.K. war sehr lustig. Und: Er hat es unterlassen, sich auf Kosten seiner Opfer lustig zu machen, was einem Menschen mit seinen Moralvorstellungen durchaus zuzutrauen gewesen wäre.

Wir von Bajour haben viel darüber diskutiert, ob und wie wir diesen Auftritt thematisieren sollen. Wir haben uns entschieden, bereits vorab in den USA eine Journalistin an eine Show zu schicken. Wir wollten wissen, ob der Comedian die Opfer seiner sexuellen Übergriffe öffentlich verspottet. Das hat er nicht getan; trotzdem bleibt er für mich, was er ist: Ein Typ mit einem Frauen- und Menschenbild, das mir zutiefst widerstrebt. Und ein Mensch mit einer kaputten Moralvorstellung, den man am besten totschweigen würde (und ihm sicherlich nicht helfen sollte, das Congresszentrum nicht nur einmal, sonder zweimal zu füllen).

Zwischen Journalist*innen und Zuschauer*innen klafft ein Graben

Wir hatten jedoch im Vorfeld ein Ticket gekauft und deshalb ging ich hin. Ich muss dazu sagen, dass ich kein grosser Comedy-Kenner bin und mir Louis C.K. kein Begriff war, bevor über sein Auftritt in Basel geschrieben wurde. Und: Dass ich über Witze selten lache. Ich erinnere mich an eine Show des überaus erfolgreichen Schweizer Cabaret-Duos Divertimento vor einigen Jahren, die mich nicht mal zum Schmunzeln brachten; inmitten eines Saals, in dem die Leute Tränen lachten. Am Mittwoch im Kongresszentrum lachte ich, zwar nicht Tränen und im Saalvergleich unterdurchschnittlich viel, aber mehrfach und herzhaft. 

Jade Sewell - jene Journalistin, die für Bajour die Louis-C-K-Show in den USA besuchte - schrieb, dass es Momente gab, in denen er fürs Publikum zu weit gegangen sei. Etwa, wenn er körperliche Behinderung und das Bombenattentat am Boston-Marathon verknüpfte. Auch die «bz»-Journalistin schrieb, dass «weder der Comedian selbst noch sein Publikum in Basel verstanden zu haben scheinen, wo die Grenzen zu ziehen sind». Für den Watson-Chefredaktor war die Show enttäuschend, ebenso für den Comedian Gabriel Vetter. Er hätte sich «ehrliche Selbstreflexion gewünscht, die dorthin geht, wo es wehtut.» Und doch kochte der Saal, und in den Kommentaren zum Watson-Artikel öffnet sich ein tiefer Graben zwischen Journalisten- und Zuschauermeinung.

Wieso?

Im Falle des Boston-Marathon-Witzes scheint der Fall klar. Hier hat unsere Autorin die tatsächlich negative Reaktion – «ein Raunen ging durchs Publikum» - isoliert beschrieben. Dabei war es für mich ein Highlight des Programms, die Provokation wurde gezielt eingesetzt, um dem Publikum den Spiegel vorzuhalten. Es war eine präzis kalkulierte Pointe, in die sogar die Reaktion des Publikums miteinbezogen wurde. Und zwar so:

Louis C.K. erzählt, er habe sich beim Anblick eines Ladens gefragt, wieso dort ein Rollstuhl im Schaufenster stehe. Spontankäufe bei Rollstühlen seien doch eher selten. Ausser natürlich, es komme ein Beinamputierter am Schaufenster entlang, der sich seit einem Jahrzehnt mangels Rollstuhl kriechend vorwärts bewege und beim Anblick des Schaufensters denke: «Genau das brauche ich». 

«Ihr habt euch soeben geschätzte zehn Minuten lang über einen beinlosen Behinderten lustig gemacht, der sich durchs Leben hangelt. Und nun macht ihr einen auf Moralapostel, weil er seine Beine am Boston-Marathon verloren hat? Sollten wir nicht ‘Gleiche Rechte für alle Beinlosen’ fordern?»

Louis C.K

Das Ganze ist mit allerlei Geschmacklosigkeiten garniert, doch dann macht Louis C.K. den Verweis zum Bombenattentat - es sei eben dort, wo der Mann seine Beine verloren habe. Und auch in Basel geht daraufhin, wie in den USA, ein Raunen durchs Publikum. Bis der Comedian (Gedächtnisprotokoll) sagt: «Jetzt kommt schon, ihr habt euch soeben geschätzte zehn Minuten lang über einen beinlosen Behinderten lustig gemacht, der sich durchs Leben hangelt. Und nun macht ihr einen auf Moralapostel, weil er seine Beine am Boston-Marathon verloren hat? Sollten wir nicht ‘Gleiche Rechte für alle Beinlosen’ fordern?»

Ich fand das lustig, die überwiegende Mehrheit der Zuschauer*innen auch, soweit ich das von meinem Platz aus beobachten konnte. Einzig die Journalist*innen fanden es unisono daneben bis schlecht.

Woher kommt dieser Graben?

Vermutlich daher, dass wir Journalist*innen mit der Erwartung zur Show gegangen sind, eine öffentliche Abbitte zu hören - im Gegensatz zur Mehrzahl der Zuschauer*innen, die gekommen sind, um bestens unterhalten zu werden. Seine Taten hat Louis C.K. nicht oder nur ansatzweise öffentlich verhandelt. Das kann man als vergebene Chance bezeichnen, wie es Vetter im bz-Interview sagt.

Ich persönlich hatte diese Erwartung nicht. Ein Typ, der seine Machtposition ausnutzt, um Frauen sexuell zu belästigen, ist mir zuwider. Aber er kann trotzdem ein guter Comedian sein und mich als solcher unterhalten. Und das tat Louis C.K. meisterlich.

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