Basler Handarbeit für Diktaturen
Am Basler Flughafen verdienen zwei Schweizer Firmen mit der Wartung von Flugzeugen autokratischer Regimes Millionen. Einblicke in ein skrupelloses Geschäft. Eine Recherche von WOZ und Das Lamm.
Dieser Artikel ist auch bei Die Wochenzeitung und Das Lamm erschienen. Beide gehören wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz.
Über den Köpfen der Bewohner:innen der kleinen elsässischen Gemeinde Bartenheim, unweit von Basel gelegen, fliegen regelmässig Flugzeuge. Am 3. März dieses Jahres flog jedoch eine besondere Maschine über sie hinweg: eine Gulfstream, die nach der Landung in einem Hangar der Firma Jet Aviation verschwand. Das Flugzeug mit dem Kennzeichen HZ-SK2 wurde in einem Uno-Bericht als eines von zwei Flugzeugen eruiert, mit denen die mutmasslichen Mörder des oppositionellen saudi-arabischen Publizisten Jamal Khashoggi zum Tatort Istanbul gelangt waren und die Stadt danach wieder verlassen hatten.
Die Landung eines Jets aus einem autokratisch regierten Staat am Euroairport Basel Mulhouse Freiburg ist kein Einzelfall, im Gegenteil. So setzte im November 2023 ein sechzig Meter langer Airbus A340–300 mit vier Triebwerken auf der Piste auf. Die weinrote Farbe und ein Antilopenkopf auf dem Flugzeugheck waren gut erkennbar, ebenso der riesige Schriftzug «Qatar» an der Seite und am hinteren Teil die Registrationsnummer A7-AAH. Nach der Landung rollte der Jet an den Passagier- und Cargoterminals des Euroairports vorbei in den Schweizer Sektor des Flughafens, schaltete die Ortungssignale ab und verschwand in einem grossen Hangar am Südende der Piste, den die Firma Amac Aerospace betreibt.
«Seit einigen Jahren beobachte ich, dass der Euroairport eine der wichtigsten Destinationen von Flugzeugen im Besitz von Diktaturen ist.»Emmanuel Freudenthal, Experte im Bereich Tracking von Flugbewegungen
Das Flugzeug gehört dem katarischen Staat und wird fast ausschliesslich von der dortigen Herrscherfamilie al-Thani genutzt. Seit über fünf Monaten steht das Flugzeug nun schon im Amac-Hangar, Flügel an Flügel neben einer fast ebenso grossen Maschine des saudischen Königshauses. Dies zeigen Unterlagen, die der WOZ exklusiv vorliegen.
Fliegende Luxushotels
Amac Aerospace ist ein weltweit führendes Unternehmen im Umbau und in der Wartung von Flugzeugen im Besitz reicher Privatleute oder Staaten. Ihre wichtigste Konkurrentin, die Firma Jet Aviation, ein Tochterunternehmen des US-Rüstungskonzerns General Dynamics, hat ihren Standort nur wenige Meter entfernt am Euroairport. Der Hauptsitz beider Firmen liegt in Basel. Schon seit längerer Zeit werden Flugzeuge aus autokratischen Regimes in ihren Hangars gesichtet. Nach Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland und Belarus waren hier zum Beispiel diverse Privatjets festgesetzt. Eine nun von der WOZ vorgenommene systematische Analyse der Kund:innen von Jet Aviation und Amac zeigt erstmals: Die Kundschaft der beiden Basler Firmen besteht zu einem wesentlichen Teil aus autoritären Staaten und ihren Herrschenden.
Der freie Journalist Emmanuel Freudenthal ist Experte im Bereich Tracking von Flugbewegungen. Er hat ein Auge auf 190 Flugzeuge im Besitz autoritärer Regimes und dokumentiert ihre Bewegungen auf der Website «Dictator Alert», die als Grundlage dieser Recherche diente. «Seit einigen Jahren beobachte ich, dass der Euroairport eine der wichtigsten Destinationen von Flugzeugen im Besitz von Diktaturen ist», sagt Freudenthal. Dass diese hier gewartet würden, sei zwar schon lange bekannt, nicht aber, wer daran verdiene und was genau gemacht werde. «Das ist nun anders.»
Von den auf dictatoralert.org dokumentierten 190 Flugzeuge waren in den letzten drei Jahren rund 60 zwischenzeitlich in den Hangars von Amac und Jet Aviation am Euroairport, viele davon mehrfach. Über 70 Mal blieb ein Flugzeug mehr als zwei Monate, was auf umfangreiche Arbeiten schliessen lässt. Mit Abstand die meisten Flugzeuge gehören Golfstaaten wie Katar, Saudi-Arabien, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain oder Oman. Aber auch die Regimes von Libyen, Gabun, Kamerun, Äquatorialguinea, dem Niger, Belarus, Aserbaidschan oder Kasachstan befanden sich in den letzten drei Jahren unter der Kundschaft.
Der Zugang zu den Hangars ist für Aussenstehende nicht möglich. Grosse rote Schilder am Zaun verbieten das Fotografieren. Und die beiden Firmen verweigern auf Anfrage jegliche Auskunft. Aktuelle und ehemalige Mitarbeiter:innen bestätigen die grosse Bedeutung der genannten Staaten für die beiden Basler Unternehmen. Sie schätzen, dass rund die Hälfte von deren Umsatz durch Arbeiten für autoritär geführte Staaten generiert werde.
Die Aufträge können in zwei Gruppen unterschieden werden: Da ist zum einen der Innenausbau, der die Jets in fliegende Luxushotels verwandeln kann, und deren Restaurierung. Auf der anderen Seite steht die äusserst aufwendige Wartung. Neben kleineren Prüfungen im Monats- oder Jahresrhythmus muss ein Flugzeug alle zwölf Jahre einem umfangreichen Check unterzogen werden. Einen solchen durchläuft gerade der eingangs genannte Airbus 340–300 aus Katar, wie die vorliegenden Dokumente zeigen. «Bei solchen Checks wird ein Flugzeug mehr oder weniger komplett auseinandergebaut, geprüft und wieder zusammengebaut», erklärt einer der Befragten.
«In vielen Staaten, die zu den Kunden der beiden Basler Firmen gehören, herrscht eine katastrophale Menschenrechtslage.»Natalie Wenger, Menschenrechtsexpertin bei Amnesty International Schweiz
Über 11 000 Arbeitsstunden seien allein für das katarische Flugzeug geplant. Bei einem geschätzten Stundenansatz von 130 Franken würden sich die Lohnkosten auf eineinhalb Millionen Franken belaufen. Hinzu kommen Materialkosten, die bei einem solchen Check schnell anderthalb Millionen Franken und mehr betragen.
Einbau von Raketenabwehr
«In vielen Staaten, die zu den Kunden der beiden Basler Firmen gehören, herrscht eine katastrophale Menschenrechtslage», sagt Natalie Wenger, Menschenrechtsexpertin bei Amnesty International Schweiz. Sie fordert deshalb, dass Unternehmen, die mit diesen Staaten Geschäfte machen, sorgfältig prüfen müssten, ob ihre Praktiken nicht zu diesen Menschenrechtsverletzungen beitragen würden. «Diese Firmen brauchen nicht nur eine Wirtschaftsstrategie, sondern auch eine Menschenrechtsstrategie.»
Die Frage, ob eine solche Menschenrechtsstrategie bestehe und wie sie zu den Menschenrechtsverletzungen in Staaten stünden, für die sie arbeiteten, lassen sowohl Jet Aviation als auch Amac unbeantwortet. Ebenso diejenige, ob es Aufträge gebe, die sie aufgrund von ethischen Bedenken ablehnten.
Nicht relevant seien in Basel hingegen Umbauten im Rüstungsbereich, sagen mehrere Angestellte. Dies, obwohl mit General Dynamics, dem Mutterkonzern von Jet Aviation, ein Rüstungsunternehmen am Euroairport angesiedelt ist. Mit einer Ausnahme: Mehrfach wurden in den vergangenen Jahren angeblich Raketenabwehrsysteme der Firma Elbit Systems, sogenannte Jammer, in Flugzeuge eingebaut. Das berichten Personen, die namentlich nicht genannt werden möchten.
Bereits seit 2019 verfolgt das Projekt «Dictator Alert» 190 Flugzeuge im Besitz von Diktaturen. Aufbauend darauf hat die WOZ ausgewertet, welche dieser Flugzeuge in den vergangenen drei Jahren in den Hangars von Jet Aviation und AMAC Aerospace am Euroairport waren. Das vollständige Datenset kann über diesen Link eingesehen werden.
Ein Fall ist dabei besonders brisant. 2018 baute Amac im Basler Hangar für die griechische Chartergesellschaft Gainjet offenbar ein Raketenabwehrsystem des Typs J-Music in ein Gulfstream-Flugzeug mit der Registrierungsnummer EI-LSN ein. Diverse Berichte belegen, dass diese Maschine regelmässig vom ruandischen Diktator Paul Kagame gechartert wird.
In einem anderen Flugzeug (SX-FSA) derselben Chartergesellschaft wurde im August 2020 mutmasslich der ruandische Menschenrechtsaktivist Paul Rusesabagina entführt, dessen Leben von Hollywood in «Hotel Rwanda» verfilmt wurde. Gainjet behauptet, nichts von der Entführung gewusst zu haben, was aufgrund der engen Zusammenarbeit mit Kagame aber unwahrscheinlich wirkt. Auch die Maschine, mit der Rusesabagina mutmasslich entführt wurde, war zuvor in Basel gewesen, wohl bei der Firma Jet Aviation, wie Angaben in der Flugdatenbank ADS-B Exchange zeigen. Dass Kagame ein Kunde der griechischen Chartergesellschaft ist, verdeutlicht, wie wichtig es für Amac und Jet Aviation wäre, sorgfältige Menschenrechtsprüfungen durchzuführen.
«Dienstleistungen rund um Luxusgüter wie der Kauf und Verkauf oder die Wartung von Privatjets sollten unter das Geldwäschereigesetz fallen.»Martin Hilti, Korruptions- und Geldwäschereiexperte bei der NGO Transparency International
Das Land, auf dem die Hangars der beiden Firmen stehen, gehört dem Euroairport, der dadurch an diesen Geschäften mitverdient. Der Flughafen ist ein öffentlich-rechtliches Unternehmen und weltweit der einzige Flughafen, der von zwei Staaten gemeinsam betrieben wird, der Schweiz und Frankreich.
Angesprochen auf die Geschäftsbeziehungen mit Regimes, die schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, weist der Euroairport jede Verantwortung von sich. Genauso wie die beiden basel-städtischen Regierungsrät:innen Kaspar Sutter (SP) und Esther Keller (GLP), die im Flughafenverwaltungsrat sitzen. Beide schreiben auf Anfrage, dass die Geschäftsbeziehungen in der Verantwortung der einzelnen Unternehmen lägen, und verweisen auf die Wirtschaftsfreiheit.
Sorgfaltsprüfungen nötig
Dabei wären auch rechtliche Bedenken in diesem Geschäft angebracht. Martin Hilti, Korruptions- und Geldwäschereiexperte bei der NGO Transparency International, betont die Bedeutung der Sorgfaltsprüfungs- und Meldepflicht bei Verdacht auf Geldwäscherei. Denn die beiden Unternehmen würden nachweislich mit Privatkund:innen aus Staaten zusammenarbeiten, die zu den korruptesten der Welt gehören. Gleichzeitig kritisiert Hilti die aktuelle Gesetzeslage in der Schweiz: «Dienstleistungen rund um Luxusgüter wie der Kauf und Verkauf oder die Wartung von Privatjets sollten unter das Geldwäschereigesetz fallen, was heute leider noch nicht der Fall ist», so Hilti.
Die Lücken im Gesetz und das Desinteresse der politischen Verantwortlichen ermöglichen Jet Aviation und Amac ein unbeschwertes Geschäften mit einigen der autoritärsten Regimes der Welt. Doch Angestellten der beiden Firmen ist durchaus bewusst, mit wem sie es zu tun haben. Der WOZ schildern mehrere ihre moralischen Skrupel: Würde man sich an ethische Prinzipien halten, könne man viele dieser Geschäfte nicht mehr machen.
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Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von JournaFONDS recherchiert und umgesetzt.