«Die Sozialdemokratie war schon immer für ein Trennbankensystem»
Der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer spricht im Interview über Monsterbanken, Investment und den internationalen Wettbewerb. Er sagt: «Es wird turbulent bleiben, wenn man meint, man muss weiterhin höchste Risiken eingehen.»
Herr Nussbaumer, im Moment geht es hektisch zu bei UBS und Credit Suisse. Was wird in diesem Banken-Krimi als Nächstes passieren?
Eric Nussbaumer: Wir haben ausserordentliche Session im April. Im Zusammenhang mit den neun Milliarden Franken Garantien, die der Bundesrat zugesichert hat, wird man parlamentarische Entscheide fällen müssen, in welchem Bereich wir Regulierungsbedarf haben. Ich bin einig mit einigen Experten: Wenn die UBS gar nichts macht und zur Monsterbank wird, wird der Druck für sie enorm, dann werden Überwachung und Regulierung der Bank verschärft.
Wäre das denn nötig?
So eine Bank wäre grösser als das BIP unseres Landes, das ist massiv zu gross für unsere Volkswirtschaft. Die Schieflage einer solchen Institution könnten wir uns nicht leisten, deshalb müsste sie sehr streng reguliert werden. Es gibt einen gesellschaftlich-politischen Druck auf die UBS, dass sie selber schauen muss, wie sie vermeidet, eine Monsterbank zu werden.
Könnte die UBS also mit kleinen Zugeständnissen der Selbstregulierung schon der staatlichen Kontrolle entgehen?
Es ist immer die Frage, wie stark das Primat der Politik akzeptiert wird. Ich bin der Meinung, der Staat hat mit Notrecht nun ein Konstrukt geschaffen, mit dem es sehr anspruchsvoll ist, schnell eine gute Lösung zu finden. Danach gibt es aber viele Möglichkeiten, die UBS weiterzuentwickeln. Die Bank hat weiterhin Staatsgarantien, entsprechend hat sie auch eine Verpflichtung, auf den gesellschaftlichen Druck zu reagieren.
Glauben Sie das wirklich?
Es ist die Frage, was die Politik der UBS vorschreiben wird – das ist politisch auszuhandeln und nötig.
Die Credit Suisse schrieb schon seit Jahren keine guten Zahlen mehr, ab Herbst 2022 zogen zahlreiche Kund*innen weltweit grosse Einlagen aus der Bank ab. Die Lage spitzte sich Mitte März 2023 zu: Die Credit Suisse wollte sich 50 Milliarden Franken bei der Schweizerischen Nationalbank leihen, woraufhin die Bank niedriger geratet wurde – das hätte zu einer weiteren Abwärtsspirale für die Bank führen können.
Am 19. März 2023 wurde dann bekanntgegeben, dass die UBS die CS für 3 Milliarden Franken übernehmen würde. Der Bundesrat hat mit Notrecht einen dringlichen Kredit beschlossen, um der UBS bei Bedarf einen Ausfallgarantie von 9 Milliarden Franken zu gewähren.
Die Entscheidungen der Manager*innen von CS werden stark hinterfragt. Braucht es neue Regulierungen, um das risikoreiche Managen einzudämmen?
Es gibt zwei grosse Hebel, an denen wir ansetzen müssen. Einer ist die Bonikultur, die wir durchbrechen müssen. Die hohen Boni haben unsägliche Dimensionen erreicht und das pusht kurzfristige Überlegungen – das ist eines der Übel in der Bankenwelt, dass sich die Boni komplett von der Realwirtschaft entfernt haben.
Eine Eindämmung würde aber den Bankenplatz Schweiz schwächen, wenn man im Ausland höhere Boni bekommt. Dann würden Banken woanders hinziehen.
Es gibt keinen Grund, warum man so grosse Boni zahlen muss. Das ist eine Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte, dass behauptet wird, Menschen arbeiten nicht gut, wenn sie keine Boni bekommen. Das ist dummes Geschwätz, eine wirtschaftspolitische Entgleisung, die mit verantwortungsvoller Unternehmensführung nichts mehr zu tun hat. Entscheidend sind anständige Löhne auf allen Ebenen, nicht nur in der obersten Kaste.
Was ist der zweite Hebel, von dem sie gesprochen haben?
Schärfere Vorschriften zur Eigenkapitaldeckung. Das wurde zwar das letzte Mal verschärft, aber anscheinend ist es immer noch ein Problem. Bei der CS war es wohl keine reine Frage des Eigenkapitals, aber man hätte wenigstens schneller Liquidität und damit Stabilisierung bekommen.
Das ist eine Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte, dass behauptet wird, Menschen arbeiten nicht gut, wenn sie keine Boni bekommen.Eric Nussbaumer, Baselbieter SP-Nationalrat
Hätten Sie eine Abspaltung des Schweizer Geschäfts begrüsst?
Die Sozialdemokratie war schon immer für ein Trennbankensystem.
Das bedeutet, dass risikoreiche Abteilungen wie das Investmentbanking vom restlichen Geschäft einer Bank abgetrennt werden.
Genau. Bei den letzten Regulierungsbemühungen haben wir schon dafür geworben, auch jetzt müssen wir wieder darüber reden und nach Lösungen suchen, wie man das machen kann. Jetzt war es ja das Investmentbanking, das die Bank so runtergezogen hat. Von dem her muss man schon ernsthaft überlegen, ob so grosse, nicht getrennte Banken im Interesse der Schweiz sind. Das ist ein Punkt der SP.
Da kommt Ihnen der CS-Niedergang ja gerade recht.
Wir wollten es schon, als die UBS-Rettung aufgearbeitet wurde. Es ist ungut, dass wir jetzt eine Krise brauchen, um das wieder diskutieren zu können – das ist nicht in unserem Interesse. Man hätte das Trennbankensystem einfach bei der letzten Regulierungswelle einführen müssen, so wie es andere Länder auch getan haben. Wir werden das auch dieses Mal wieder fordern.
Eric Nussbaumer ist im aktuellen Politjahr Vizepräsident des Nationalrats. Seit 2007 vertritt er die SP Baselland im Parlament in Bern, zuvor war er Landrat. Der 62-Jährige ist gelernter Elektroingenieur und entsprechend ist er schwerpunktmässig Energiepolitiker. Von 2004 bis 2016 war er Mitglied des Verwaltungsrats der Alternativen Bank Schweiz, ab 2008 als VR-Präsident.
Hat die Idee jetzt bessere Chancen?
Keine Ahnung, das kann ich nach so kurzer Zeit nicht beurteilen.
Schon damals war der Kritikpunkt, dass die ganze Schweizer Volkswirtschaft mit drin hängt in dem dicht verflochtenen System von Banken und Wirtschaft, und eine Trennung für die ganze Wirtschaft Nachteile mit sich bringen würde.
Das Investmentbanking in den USA hängt nicht an der Volkswirtschaft der Schweiz. Die grossen Fehler haben jetzt im Investmentbanking stattgefunden – das kann man schon abtrennen. Die These ist falsch, dass immer alle Sektoren eines Konzerns weiterbetrieben werden müssen. Es gibt immer wieder grosse Konzerne, die sich von einzelnen Sektoren trennen.
Doch auch wenn das Trennbankensystem eingeführt worden wäre, hätten wir eine ähnliche Situation.
Die CS hätte trotzdem grosse Fehler gemacht, sodass die Bank Liquiditätsprobleme bekommen hätte. Die hätte man lösen müssen. Aber wenn wir ein Trennbankensystem gehabt hätten, wäre ein ordentliches Herunterfahren von verlustreichen Segmenten möglich gewesen.
Auch in der aktuellen Situation?
Ja, so argumentieren einige Leute. Ich denke, es war ein Problem des Zeitdrucks, dass wir am Montagmorgen eine Lösung haben mussten. Und natürlich auch eines der Unternehmensgefüges: Bei einem solchen Zwangs-Deal stellt auch die UBS Bedingungen, zu welchen Konditionen sie die CS übernehmen will. Es ist ein schlechtes Konzept, dass man nur eine Firma hatte und gesagt hat, wir wollen es mit euch lösen.
Man muss ernsthaft überlegen, ob so grosse, nicht getrennte Banken im Interesse der Schweiz sind.Eric Nussbaumer, Baselbieter SP-Nationalrat
Sie waren lange Verwaltungsratspräsident bei der Alternativen Bank Schweiz, die auf Investmentbanking und Börsenspekulation verzichtet. Das funktioniert zwar, wie der Name schon sagt, als Alternative. Im Geschäft der «Grossen», im internationalen Wettbewerb, kann man so aber nicht bestehen.
Es gibt viele grosse, multinationale Banken, die ohne Investmentbanking auskommen. Es ist in einem multinationalen Bankensystem nicht nötig, dass eine Bank alle Dienstleistungen erbringt. Man kann genauso gut multinationale Spar- und Kredit- oder Wealth-Management-Banken machen.
Könnten die Banken denn im internationalen Wettbewerb bestehen, wenn sie keine Risiken eingehen würden?
Das Bankengeschäft ist nicht nur ein unbedachtes Risikogeschäft. Es gibt risikoarme und risikoreiche Bereiche im Bankengeschäft, Investmentbanking ist sicher risikoreich. Banken machen ihre Gewinne traditionell mit Zinsdifferenzen. Die ABS ist im Spar- und Kreditgeschäft und in der Vermögensverwaltung tätig. Da braucht es Finanzierungsstabilität, keine unbedachten Risiken.
Die ABS ist aber auch eine kleine Bank.
Es geht nicht um die Grösse der Bank, sondern um das Geschäftsmodell. Julius Bär ist eine multinationale Vermögensverwaltungsbank, das funktioniert auch. Und gerade das Investmentbanking in den USA – aus dem sich die UBS rechtzeitig verabschiedet hat, die Credit Suisse eben nicht – ist wegen des anderen Rechtssystems dort nochmal eine andere Risikodimension.
Das Investmentbanking in den USA hängt nicht an der Volkswirtschaft der Schweiz.Eric Nussbaumer, Baselbieter SP-Nationalrat
Aber der Finanzplatz Schweiz lebt von diesen internationalen Banken, zu denen nunmal auch Investmentbanking gehört.
Der Finanzplatz Schweiz ist nicht mit Investmentbanking gross geworden. Die Schweiz ist wegen Wealth Management international anerkannt. Dass die Banken auch Investmentbanking machen, ist eine neuere Entwicklung – und letztlich eine unternehmerische, keine Notwendigkeit.
Werden die grossen Banken, wie wir sie kennen, in 20 Jahren noch existieren?
Es gibt andere funktionierende Universalbanken. Zweimal mussten wir in den letzten 15 Jahren Grossbanken mit schlechtem Management unterstützen bis retten. Das waren zwei von 30 systemrelevanten Banken, manche auch in dieser Grössenordnung. Man kann aus den jetzigen Ereignissen nicht schliessen, dass sie alle kleiner werden. Es ist sicher nicht unmöglich, dass so grosse Banken weiter existieren.
Das klingt so, als wäre das nicht die letzte Schweizer Bankenrettung gewesen.
Es geht nicht um den Selbstzweck der Bankenrettung, sondern um die Finanzstabilität im internationalen System – man wollte eine grosse Instabilität verhindern. Es wird turbulent bleiben, wenn man meint, man muss weiterhin höchste Risiken eingehen. Deshalb braucht es Regulierung. Die Bankenwelt wird deshalb in zehn Jahren ein wenig anders aussehen, aber es wird immer noch grosse Institutionen geben.
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