Gemeinsam statt einsam
Still und heimlich hat sich in den vergangenen Jahren eine neue Arbeitsform breit gemacht: Die Coworking-Spaces. Während Corona war diese unkomplizierte Art der gemeinsamen Nutzung von Büroraum nicht mehr gefragt, aber jetzt kommt Leben in die Bude. Bajour fühlt dieser jungen Branche auf den Zahn.
Nach dem Ende der Pandemie kehrt wieder Normalität in den Arbeitsalltag ein. Novartis und andere grosse Firmen rufen ihre Mitarbeitenden wieder zurück ins Office. Es gebe schlicht keinen Ersatz für direkte persönliche Kontakte, begründet Novartis den Schritt kürzlich gegenüber der bz.
Von der Möglichkeit, sich wieder direkt und intensiver austauschen zu können, profitieren auch die Bürogemeinschaften, neudeutsch: Coworking-Spaces. Das zeigt die Umfrage von Bajour bei einigen Anbieter*innen in Basel.
kHaus
Wenn Annette Mokler nach rechts blickt, sieht sie grün. Grün der Baum vorm Fenster, blau-grün der Rhein, grau-grün die Fassaden am Grossbasler Ufer. Ein Blick, der Kontemplation zulässt. Der Raum, in dem sie sitzt, ist schlicht und nüchtern. Weisse Wände, dunkler Holzboden, sorgfältigstens renoviert. Auf dem Gang duften neue Kästen nach frischem Tannenholz. «Du? Hier?», sagen wir beide gleichzeitig. «Willkommen im KHaus!» sagt die langjährige Bekannte. Sie ist ebenso langjährige Mitarbeiterin von Terre des Hommes Schweiz (tdh), und ihr ist wohl hier, sehr wohl.
Der Umzug vor einem Jahr von tdh Schweiz in renovierten Kopfbau der Kaserne – KHaus – hatte einen ökologischen Hintergrund: Die vorgängige Liegenschaft war schlecht isoliert und tdh Basel hatte sich zum Ziel gemacht, den ökologischen Fussabdruck der Organisation zu halbieren. «Ausserdem wollten wir durch Co-Working, der gemeinsam genutzten Infrastruktur und eine dem Homeoffice angepasste Zahl von flexiblen Arbeitsplätzen zum Klimaschutz beitragen», sagt Annette. «Nun profitieren wir von vielen spannenden neuen Möglichkeiten und dem Austausch mit anderen Organisationen, die in dieser tollen Location möglich sind. In jeder sonnigen Mittagspause mit Kolleginnen auf den Stufen des Rheinufers freue ich mich wieder darüber.» Bei tdh Schweiz sind hier rund 30 Mitarbeitende beschäftigt.
Es gibt auch kritische Stimmen. Es sehe zwar alles super aus, aber für eher introvertierte Mitarbeiter seien diese Working-Spaces nicht angenehm, da man kaum Rückzugsmöglichkeiten habe. Die Telefonboxen würden schlecht isolieren und die Luft sei drinnen rasch verbraucht.
Ambiance: Cool, stylish, frisch renoviert.
Grösse: 55 Arbeitsplätze ohne Infrastruktur, 87 Desks mit Bildschirm. Diese werden zwar bereits von 130 Personen in 15 Organisationen genutzt, aber rund 30 Arbeitsplätze sind noch zu haben.
Lage: Zentral, am Rhein
Preise*: 250.– bis 500.–
Foyer Public
Im ersten Stock des Foyers des Theaters Basel ist ordentlich was los. Kinder wuseln rum oder lauschen im Kreis andächtig einer rätselhaften Geschichte, die ein junger Pädagoge da gerade erzählt. Unten, im grossen Eingangsbereich, finden ein paar flotte Dreikäsehochs eine grossartige Bühne und hüpfen, was das Zeug hält – genau: Wir sind hier im Theater. Die Idee, das Foyer zu einem «Foyer Public» zu machen, ist schlau. Das Theater schleicht sich damit ganz sachte in das tägliche öffentliche Bewusstsein – selbst Kinder gewöhnen sich daran, ins Theater zu gehen. Sie werden das nicht vergessen...
Trotz aller Betriebsamkeit: Überall finden sich stillere Ecken, in denen man sich zurückziehen kann. An diesem Mittwochnachmittag unseres Besuches waren gegen 40 Personen an der Arbeit, am Diskutieren oder Chillen.
Jahrzentelang war dieses Foyer morgens und nachmittags leer. «Das war sicherlich ein Experiment», sagt Patrick Oes, Co-Leiter des Theater Public. Aber nach einem etwas harzigen Start erfreut sich das Foyer Public ab August 2022 einem wachsenden Zulauf. «Besonders in den kälteren Tagen hatte das Foyer 4000 Besuchende pro Monat.» In wärmeren Zeiten sind es wohl um die 3000. Die Besucher*innenzahlen werden gezählt und von einer externen Organisation eingeordnet.
Ambiance: Urban, lebendig, durchmischt.
Grösse: 1000 Quadratmeter
Lage: Zentral, am Theaterplatz
Preise*: Gratis, kein Konsumationszwang
Impact Hub Basel
Till Kleisli ist selbständiger Programmierer und arbeitet im erst kürzlich eröffneten Franck Areal, genauer: im Impact Hub Basel. «Nur zuhause arbeiten – geht nicht», sagt er. Leute sehen und mit ihnen in Kontak kommen, das sei ihm wichtig. Hier stimme die Infrastruktur, die Ambiance.
Und tatsächlich: Es herrscht hier ein fröhlicher Stilmix von geschenkten Möbeln von irgendwelchen Firmen, Basteleien in der hauseigenen Küche, einem Ruheraum mit Hängematte und Tischchen aus ehemaligen Kabelrollen. Till gefällt es hier, «nicht zu clean», meint er. Er hat sich auch schon in anderen Co-Workingspaces umgeschaut und ist jetzt offenbar fündig geworden. Andernorts war es ihm zu steril.
«Auch im Impact Hub nimmt die Nachfrage zu», sagt Rahel Gerber, seit November 2021 Co-Leiterin des Impact Hub. «Wir wollen vor allem Startups und Firmen ansprechen, die auf ökologische und soziale Themen fokussiert sind.» Die Stimmung sei gut und die Einbettung in die Community der Organisationen und Firmen auf dem Franck Areal wertet sie als sehr positiv.
Ambiance: Gemütlich, leichter WG-Touch. Fokus auf Startups und Firmen mit ökologischen und sozialen Themen
Grösse: 40 Arbeitsplätze, 10 – 30 noch frei
Lage: Franck Areal, Horburgstrasse
Preise*: 135.– bis 550.–
Nike Coworking Space
Eine weitere Kategorie sind die Räume über dem Nike-Laden in der Steinenvorstadt. Diese Coworking-Räume sind gewissermassen aus purer Opportunität entstanden. «Wir hatten für diese Büroräume den Eigenbedarf nicht mehr», sagt Sandra Ischi, die umtriebige Managerin von Coworking Nike Basel. «Wenn du Geld verdienen willst, musst du das nicht machen», gibt sie unumwunden zu.
Umsatzträger ist der Nike-Laden, aber es gab auch Platz für einen Trainigsraum, Sitzungszimmer und ein Pausenraum mit Terrasse. Auch hier ist eine lockere Stimmung zu spüren, die sicherlich auch mit der positiven Ausstrahlung und der «Just-do-it»-Attitüde der Chefin zu tun hat. Hier arbeiten auch viele Expats, wahrscheinlich auch wegen der zentralen Lage.
Ambiance: Unkompliziert, ruhig
Grösse: 10 bis 12 Arbeitsplätze, nur teilweise genutzt.
Lage: zentral, Steinenvorstadt
Preise*: Tagesmiete beträgt 35.– (oder andere Preismodelle)
Switzerland Innovation Park Basel Area
Ein grosser Player in der Region ist auch der Switzerland Innovation Park Basel Area. Dieser bietet seit wenigen Monaten im Gebäude «Main Campus» einen neuen, grossen Schwerpunkt auf dem Bachgraben-Areal in Allschwil an.
Der «Main Campus» ist eines der grössten Gebäude auf dem Bachgrabenareal und wird im Endausbau rund 2000 Arbeitsplätze umfassen. Ein kleinerer Teil davon sind Coworking-Bereiche, genauer: 46 Büros und 28 Labore. Sie sind unterschiedlich ausgestattet.
«Alle Standorte sind gut ausgelastet», sagt Karin Crisanto, die für die Infrastruktur des Innovationsparks verantwortlich ist. «Die Nachfrage ist zurück, wir sind sehr zufrieden», sagt sie. Die Büros und Labors seien derzeit zu 100 Prozent ausgelastet, eine Erweiterung wird Mitte Jahr eröffnet. Der Fokus in Allschwil liegt auf Biotechnologie und Medizintechnik.
Basel Area betreibt ausserdem den 2020 in Betrieb genommenen Coworking-Space auf dem Novartis Campus und einen weiteren Innovationspark im Jura.
Ambiance: Ultimatives Arbeitsumfeld für Wissenschafter*innen, Fokus Life Sciences, Medtech, digital Health
Grösse: 46 Büros, 28 Labore
Lage: Bachgraben, Allschwil
Preise*: 290.– bis 550.– (Büro)
__________
* Die Preise inkludieren praktisch immer die Nutzung von Internet und Druckstationen, die Reinigung, Kaffee, Gemeinschaftsküche, je nach dem auch von Meeting- und Workshop- und Gemenischaftsräumen.
Jetzt Teil von Bajour werden.