OECD-Steuer: Basels Chance, sozial zu sein
In etwas mehr als zwei Wochen stimmt das Schweizer Stimmvolk darüber ab, wie die internationale Gewinnsteuer hierzulande umgesetzt werden soll. Für Basler*innen wird die OECD-Steuer zur Prinzipienfrage.
Noch gut zwei Wochen bis die Schweizer Stimmbevölkerung entscheidet, ob sie die OECD-Mindeststeuer befürwortet oder nicht. Die Steuer kommt so oder so, bei der Abstimmung am 18. Juni geht es also darum, wie die Steuer auf nationaler Ebene umgesetzt werden soll.
Mindestens 15 Prozent sollen international tätige Unternehmen, die mehr als 750 Millionen Franken Umsatz im Jahr machen, ab 2024 auf ihren Gewinn zahlen. Mit der einheitlichen Gewinnsteuer will die OECD dafür sorgen, dass es international gerechter zugeht und Konzerne nicht aus Ländern abziehen, um hohe Steuerzahlungen zu vermeiden. In Basel betrifft die Steuer etwa 250 Unternehmen, prominentestes Beispiel: Die Pharmariesen Roche und Novartis.
Begrüssenswert wäre allerdings, wenn durch die höheren Einnahmen auch mehr in den sozialen Bereich fliesst und nicht nur in die Wirtschaftsförderung: Eine gute Kinderbetreuung oder Elternzeit können einen Arbeitsort ebenso attraktiv machen.
Bei komplexen Themen, und so eins ist die OECD-Steuer, ist es als Wähler*in hilfreich, sich grob an der Linie der Partei zu orientieren, der man ansonsten seine Stimme gibt. Was aber, wenn diese Partei sich nicht einig ist? So wie die SP. Auf Bundesebene sagt sie Nein zur Mindeststeuer, obwohl eine gerechtere Besteuerung von Konzernen eigentlich die Butter auf ihrem Brot wäre. Der Grund: Die Zusatzeinnahmen sollen durch Standortförderung indirekt wieder an die Firmen zurückgehen. Auch die Verteilung der Mehreinnahmen stösst der Partei übel auf: Das nationale Parlament einigte sich auf eine Aufteilung von 75 Prozent für die Kantone und 25 Prozent für den Bund. Die SP hätte aber eine 50/50-Verteilung bevorzugt. Die Partei sieht die OECD-Steuer deshalb als vergiftetes Geschenk und will mit einem Nein eine andere Umverteilung erreichen.
Auf kantonaler Ebene sieht es anders aus, die SP Basel-Stadt votierte erst für ein Ja, einigte sich dann aber auf eine Stimmfreigabe, am Ende stimmt jede*r so wie er oder sie will. Dieser parteiinterne Zwist zeigt die Ohnmacht, die sich direkt auf die Wähler*innen überträgt.
Basel bleibt abhängig
Die Basler*innen müssen sich fragen, welcher Linie sie folgen. Sagen sie Ja und machen damit Basel und sich selbst zu Profiteur*innen, da der Kanton 75 Prozent der Gewinnsteuer einnimmt und durch Förderungen der Forschung und Subventionen an die Wirtschaft zurückfliessen lässt. SP-Finanzdirektorin Tanja Soland hat genau das vor, es geht um «Standortattraktivität». Übersetzt heisst das: Die Firmen und auch die Expats sollen bitte bleiben; Basel soll wirtschaftsfreundlich sein. Zu gross ist die Angst, Steuereinnahmen oder Arbeitsplätze durch Abwanderung zu verlieren. Man kann auch sagen: Basel bleibt abhängig von der Pharma.
Was wäre die Alternative?
Der Kanton hat durch seine Wirtschaftskraft viele Vorteile und nutzt die Einnahmen – im Gegensatz zum Steuerparadies Zug – auch für soziale Zwecke wie Prämienverbilligungen, Kitazuschüsse und Kultursubventionen. Ausserdem argumentiert etwa SP-Ständerätin Eva Herzog, Basel-Stadt würde nicht mehr so viel in den kantonalen Finanzausgleich zahlen können, verlöre der Kanton an Attraktivität und damit an Steuereinnahmen. Es wäre unfair, das nicht anzuerkennen.
Mit der neuen Steuer könnte Basel seinen Reichtum aus der Pharma jedoch noch besser nutzen – im Sozialen. Dann also, wenn dank der höheren Steuereinnahmen auch mehr Geld in den sozialen Bereich fliessen würde und nicht nur in die direkte Wirtschaftsförderung: Eine gute Kinderbetreuung oder Elternzeit können einen Arbeitsort ebenso attraktiv machen.
Mehr vom Kuchen
Ob die Schweiz Ja oder Nein stimmt, wird den anderen internationalen Player*innen egal sein. Wenn alle grossen EU-Länder mitziehen, bleibt der Schweiz, bleibt Basel, nichts anderes übrig, als mitzutraben. Dafür ist das Land schlicht zu klein. Ansonsten würden langfristig Steuergelder ins Ausland fliessen, ausserdem wären die Länder im Vorteil, die schon heute kräftig direkte Subventionen an Unternehmen zahlen. Mit niedrigen Gewinnsteuern kann man schliesslich nicht mehr punkten. Deshalb ist es für Basel so wichtig, viel vom Kuchen abzubekommen und die zusätzlichen Einnahmen klug einzusetzen. Und offensichtlich ist der Kanton überzeugt, dass er das Geld besser einsetzen würde als der Bund.
Klar ist: Der Konkurrenzdruck wird durch die Steuerharmonisierung nicht abnehmen zwischen den einzelnen Staaten und den Kantonen. Er wird sich bloss verlagern. Wenn es bei den Gewinnsteuern bald keinen Unterschied mehr gibt, braucht es andere Anreize: Welcher Kanton zahlt die höheren Fördersummen, welcher bietet die bei Expats gefragten Ganztagsschulen, wo zahlt man am wenigsten Steuern auf Einkommen und Vermögen? Auf diese Bereiche wird Basel vermutlich aufspringen. Ist das Ergebnis der OECD-Steuer dann wirklich «Mehr Fairness im Steuerwettbewerb», wie der Kanton Basel-Stadt verspricht? Wohl kaum, es bleibt ein Kompromiss. Wenn es finanzielle Anreize für Private braucht, um sich von anderen Ländern und Kantonen abzuheben, haben die Bürgerlichen in Basel jetzt ein Argument mehr, um steuerliche Entlastungen für Reiche und Besserverdienende durchzudrücken. Das angenommene Steuerpaket hat gezeigt, dass der Mittelstand Steuersenkungen schätzt.
Oder stimmen die Basler*innen gegen die vorgesehene Umsetzung der OECD-Steuer, damit – vielleicht – mehr der zusätzlichen Einnahmen über den Finanzausgleich an die anderen Kantone gehen. Faktoren wie Schule, Steuern und Subventionen auf kantonaler Ebene werden aber wahrscheinlich einen grösseren Effekt auf die Attraktivität haben als ein paar Millionen mehr aus dem kantonalen Finanzausgleich bewirken können. Der Kanton Basel-Stadt muss für sich beantworten, wie er – dank oder trotz – OECD-Steuer attraktiv bleibt – sozial wie wirtschaftlich.
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