Auf Kontrolle folgt die Besetzung

Das Bernoullianum der Uni Basel wird seit Montagvormittag von pro-palästinensischen Student*innen besetzt. Die Aktion ist eine Reaktion auf die von der Uni eingeführten Einlasskontrollen. Was halten die Studierenden von den Massnahmen? Ein Stimmungsbild.

Uni Basel
Der Haupteingang des Kollegiengebäudes wird seit Montag kontrolliert. (Bild: Valerie Wendenburg)

Vor dem Kollegienhaus an der Uni Basel bildet sich eine kleine Schlange. Seit Montagmorgen werden Student*innen, die ins Gebäude möchten, kontrolliert. Der Zugang ist nur noch für Inhaber*innen der UniCard zulässig. Zwei Männer und eine Frau der Securitas stehen vor der grossen Tür und lassen sich von jede*r Person ihre Berechtigung vorlegen. Die Seiteneingänge sind komplett verschlossen. Einige der Studierenden scheint es nicht gross zu stören, bei anderen sorgen die Kontrollen für Kopfschütteln und Diskussionen. 

«Ich war sehr überrascht, als die Ankündigung gestern per Mail gesehen habe», sagt Antonia*. Sie studiert Geschichte und Englisch und findet die Massnahmen übertrieben. «Mich erinnert diese Kontrolle total an die Corona-Zeit und das ist kein schönes Gefühl», sagt sie. Sie könne schon verstehen, dass die Uni Vorsichtsmassmahmen ergreife, aber: «Ist das wirklich nötig?» 

Kontrolle an der Uni Basel

Das Rektorat hat entschieden, dass die Gebäude der Universität Basel nur noch für Angehörige der Universität Basel, für Besucher*innen von bewilligten Veranstaltungen (wie Volkshochschule, Senioren-Uni) sowie für eingeladene Gäste zugänglich sind. Diese Regelung gilt vorerst bis am 24. Mai 2024. Studierende, Dozierende und Mitarbeitende müssen beim Betreten der Gebäude ihre UNIcard vorweisen. Für das Rektorat habe «in der anstehenden Prüfungsphase ein ungestörter Lehr- und Forschungsbetrieb oberste Priorität». Aufrufe zu Gewalt (wie beispielsweise die Parolen «Intifada bis zum Sieg» oder «From the River to the Sea») würden auf dem Campus der Universität Basel nicht toleriert.

Während Antonia ihr Unverständnis äussert, kommen zwei Studentinnen vorbei, die nur sagen: «Uns ist das egal, wir haben ja die UniCard. Die Kontrolle stört uns nicht.» Hört man sich um, sind die beiden aber eher in der Minderheit. «Es ist sehr mühsam», sagt zum Beispiel Lisa*, die Geografie und Kunstgeschichte studiert «Selbst beim Unisport wurde ich kontrolliert. Ich verstehe das überhaupt nicht, von mir aus sollte die Uni für alle offen sein.» Und es gehe nicht nur ihr so: «Alle sind total genervt, das stresst uns gerade jetzt in der Lern- und Prüfungsphase besonders.» 

Das Thema gibt zu reden und die Student*innen geben gerne Auskunft. Allerdings möchten alle anonym blieben. So auch Samira*. Sie ist so aufgebracht über die Kontrollen, dass sie bereits einen Brief an das Rektorat der Uni verfasst hat. «Einige meiner Bekannten haben das heute als Erstes gemacht», sagt die Studentin der Philosophie und Deutschen Philologie. Ihre Kritik ist deutlich: «Am schlimmsten finde ich, dass uns Studierenden eine Gewaltbereitschaft unterstellt wird. Dazu gibt es gar keinen Grund. Anstatt den Dialog mit uns zu führen, reagiert die Uni nun mit strengen Kontrollen, das verstört mich sehr.» 

Uni Basel
Das Unigebäude am Petersplatz ist nicht mehr frei zugänglich. (Bild: Valerie Wendenburg)

Sie vermisse ein offizielles Statement der Unileitung zum Gaza-Krieg und findet, die Uni müsse Stellung beziehen, da das Thema sehr viele der Student*innen sehr stark beschäftige. «Es ist traurig, ich habe bisher immer gerne an der Uni Basel studiert, aber jetzt habe ich schlechte Gefühle. Repression ist nie der richtige Weg», sagt Samira. 

Ihre Kollegin Anna* ist gleicher Meinung und sagt, die Uni sei eigentlich ein Ort, an dem Meinungsfreiheit ganz oben stehen sollte. «Ich hoffe wirklich, dass diese Aktion der Uni Konsequenzen nach sich zieht», sagt die Soziologiestudentin. 

Matthias Geering, Mediensprecher der Uni Basel, erklärt gegenüber Bajour, die Uni habe die Kontrollen eingeführt, um den Studierenden zu zeigen, dass die Leitung sich für einen laufenden Unibetrieb einsetze. Nils* findet die Kontrollen auch aus diesem Grund «sehr gut». Gerade in der Zeit der Prüfungen, könne er keine Störungen des Uni-Betriebs gebrauchen: «Ich finde auch, dass gewisse Slogans nicht an die Uni gehören und daher befürworte ich diesen Schritt der Unileitung», so der Jus-Student. 

Kurz nachdem Nils im Kollegiengebäude verschwindet, kommt ein junger Dozent – auch er will seinen Namen nicht öffentlich nennen, aus dem Gebäude. Er findet, die Kontrollen seien «völlig übertrieben», er würde nicht hinter der Unileitung stehen und diese Massnahme «ganz sicher nicht» unterstützen.

Uni Basel Bernoullianum
Seit Montagvormittag ist das Bernoullianum in den Händen der Besetzer*innen. (Bild: Valerie Wendenburg)

In der Sonne vorm Kollegienhaus sitzt Jordi* ein Wirtschaftsstudent, der gerade eine Vorlesung im Bernoullianum besucht hat. Während er in der Vorlesung gewesen sei, habe die Besetzung begonnen. «Ich kann die Massnahmen der Unileitung schon nachvollziehen, aber nur als vorübergehende Massnahme und sicher nicht als permanenten Zustand.» 

Jordi ist prinzipiell nicht gegen Kundgebungen, fühlt sich aktuell aber auch gestört. «Die Besetzer*innen sagen zwar, dass sie den Unibetrieb nicht stören, was aber faktisch nicht stimmt. Natürlich wurde meine Vorlesung eben gestört, wir haben ja alle gehört, dass Musik läuft und Parolen gerufen werden. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren.» Gerade in der Prüfungsphase sieht Jordi die Aktion der pro-palästinensischen Student*innen daher auch eher kritisch.  

Von ihnen haben sich Dutzende vorm und im Bernoullianum, dessen Eingänge nicht kontrolliert wurden, versammelt. Die Sonne scheint, Musik läuft und die Transparente werden ans Haus gehängt. Auch vor der Unibibliothek, gegenüber vom nun besetzten Unigebäude, versammeln sich Leute. Jannik*, Student der Psychologie, ist eher zufällig dort und auf dem Weg zum Mittagessen. Er fragt sich mit Blick aufs Bernoullianum, was die Kontrollen überhaupt bringen, wenn nur vereinzelte Gebäude überwacht werden. «Ich bin ohnehin eher dafür, den Studierenden eine Plattform zu geben und den Dialog zu suchen, anstatt sie zu kontrollieren. Das halte ich für kontraproduktiv.» 

Uni Basel
Transparente werden vor der Uni-Bibliothek befestigt. (Bild: Valerie Wendenburg)

Diese These bestätigen dann die Besetzer*innen selbst. Sie haben auf Social Media zur Besetzung aufgerufen, um sich «gegen die Einschüchterungsversuche der Uni-Leitung zu wehren», wie es in einer Mitteilung heisst. Eigentlich war eine Kundgebung für Mittwoch angekündigt. Nachdem die Uni aber am Sonntag kommuniziert hatte, den Zutritt zur Uni einzuschränken, um Proteste zu verhindern, haben sich die «Basel Students for Palestine» dazu entschieden, die Uni bereits am Montag zu besetzen. Eine Besetzung wie in anderen Schweizer Städten war aber offenbar für die Woche ohnehin geplant, wie Chats aufzeigen, die Bajour vorliegen.

Ihre Forderungen haben die Besetzer*innen auf einem Din-A-5-Blatt zusammengefasst, ebenso die Regeln der Besetzung. Sim, der ein Batch der ETH-Zürich trägt und seinen vollen Namen nicht nennen möchte, gibt den Medien vor Ort Auskunft. «Wir fordern die Uni auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen zu sistieren.» 

Uni Basel Bernoullianum
Por-palästinensische Student*innen besetzen das Bernoullianum. (Bild: Valerie Wendenburg)

Sim, der einen Palästina-Schal um den Kopf gewickelt hat, sagt: «Wir sind friedlich und suchen den Dialog mit der Uni-Leitung.» Die Studierenden wollten nicht passiv bleiben. Sie prangern einen «fortlaufenden Genozid» des israelischen Staats an den Palästinenser*innen an. «Wir fordern von der Uni, ihre institutionelle Verantwortung wahrzunehmen». 

Der Genozid-Vorwurf ist umstritten. Ob man Israel wirklich einen Genozid vorwerfen kann, müsste vor Gericht festgestellt werden. Der Internationale Gerichtshof hat die juristische Prüfung zugelassen, dessen Ergebnis noch nicht vorliegt. 

Die pro-palästinensischen Student*innen sind gekommen, um zu bleiben, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Montagabend organisieren sie eine Versammlung, an der auch Unisprecher Matthias Geering teilnehmen möchte, wie er sagt: «Ich werde dort die Position der Uni Basel erläutern.» 

Während immer mehr Leute zum Gebäude kommen, um sich zu solidarisieren, sitzen andere Student*innen gegenüber vor der Uni-Bibliothek und essen in der Sonne Zmittag. Die Meinungen dort sind sehr unterschiedlich. Eine Gruppe möchte sich nicht äussern, findet die Besetzung aber «gar nicht toll.» Die Stimmung am Tisch daneben ist euphorisch. Die Aktion sei «fantastisch» heisst es unisono von den sechs Student*innen. 

Am Rande stehen selbsternannte «Menschenrechtsbeobachter*innen» und behalten die Szenerie im Auge. Sie beobachten, wie die Besetzung weitergeht und wie die Uni Basel nun darauf reagiert. Während immer mehr Student*innen in Richtung Bernoullianum gehen, kontrollieren die Sicherheitsleute wenige hundert Meter vor dem Kollegienhaus fleissig weiter. 

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* Die Namen sind der Redaktion bekannt.

** In einer ersten Version des Artikels hiess es, die Besetzung sei eine Reaktion auf die Uni-Massnahmen gewesen. Sie war aber offenbar ohnehin (allerdings zu einem späteren Zeitpunkt) geplant.

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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