Bei diesen Food-Lieferdiensten kannst du mit gutem Gewissen bestellen, oder?
Seit Corona setzen viele Beizen auf Lieferservice. Wie geht es eigentlich den Kurier*innen? Wir haben den Check gemacht, das ist unser Ranking.
Dieser Text ist im Dezember 2020 entstanden und hält die damaligen Verhältnisse fest. Die Arbeitsbedingungen könnten sich in der Zwischenzeit geändert haben.
Es ist fast 12, der Magen macht ein Geräusch, als sässe ein kleines, unzufriedenes Monster darin. Der Hunger meldet sich. Da gibt es nur ein Problem: Das Homeoffice. Das bedeutet, entweder selbst kochen (keine Zeit!) oder bestellen (auja!).
Rasch drei Klicks im Internet, und schon bringen liebe Menschen mit grossen quadratischen Rucksäcken auf dem Rücken – meistens per Velo – die Mahlzeit an die Tür. Kleines Trinkgeld geben und reinhauen. Alles ist gut. Oder?
Kommt drauf an. In Basel gibt es vier grosse Lieferfirmen, mit denen die Beizen zusammenarbeiten: Uber eats, eat.ch, smood und Velogourmet. Wir haben recherchiert, welche Fahrer*innen es am besten haben.
Dafür haben wir die vier Lieferdienste in puncto Arbeitsbedingungen verglichen. Entscheidend für unsere Recherche waren
- erstens der Lohn
- zweitens der Vertrag
insbesondere die Frage, ob das Unternehmen gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) beschäftigt. Der GAV regelt nämlich nicht nur den Mindestlohn und ein festes Monatsgehalt, sondern unter anderem auch einen Mindestsatz Spesen, Lohnzuschläge für Schichten am Feiertag, Lohnfortzahlung bei Krankheit und dass die geplanten Arbeitseinsätze zwei Wochen zuvor bekannt sind.
Das ist unsere Rangliste.
🚴♀️🍔 Bajour-Essens-Kurier-Rangliste 🍕🚴♂️
Rang 1: Velogourmet
GAV: Ja
Stundenlohn: GAV-Basislohn 19.28 CHF/Stunde; mit Zuschlägen: 21.66 CHF/Stunde
Lokales Unternehmen: Ja
Das Basler Unternehmen Velogourmet ist, anders als etwa Uber eats, kein grosser Konzern. Chef Joost Oerlemans beschäftigt nach eigenen Angaben aktuell gut 60 Fahrer*innen, durch den derzeitigen Lockdown habe er das Team um etwa 10 Mitarbeiter*innen aufgestockt.
Velogourmet hält sich an den geltenden GAV für Velokurier*innen, das ist auch in der Branche so bekannt. Es gebe einen festen Stundenlohn plus Trinkgeld, wie hoch der Lohn ausfällt, möchte Oerlemans nicht sagen. Laut GAV liegt der Stundenlohn bei rund 20 Franken die Stunde – er bezahlt also etwa genauso viel wie die Gastrokurier GmbH (siehe unten).
Zum Lohn kommen die anderen Privilegien des GAV dazu. Zum Beispiel ein Vaterschaftsurlaub von fünf Tagen, Lohnzuschläge bei regelmässiger Sonntagsarbeit und bezahlte Überstunden.
Velogourmet setzt nicht unbedingt auf Personen, die eine Familie ernähren müssen: «Unsere Mannschaft besteht hauptsächlich aus Studenten», sagt Oerlemans. So habe sich schon so manche*r durch die Arbeit bei ihm das Studium finanziert.
Rang 2: Eat.ch (Lieferung durch Gastrokurier)
GAV: Nein
Stundenlohn: Basislohn von ca. 20 CHF/Stunde; flexibler Bonus
Lokales Unternehmen: Ja
Auf der Seite von takeaway.com (so heisst eat.ch seit Takeaway.com das eat.ch-Mutterhaus Just Eat gekauft hat) wird mit einem festen Vertrag geworben (wenn auch auf Stundenbasis) – jedoch nur für Bern, Genf, Zürich und Lausanne. In Basel ist es eine Drittfirma, die die Lieferant*innen anstellt: die Gastrokurier GmbH. Dort gilt laut Geschäftsführer Haider Khan noch kein GAV, aktuell werde aber mit der Gewerkschaft Syndicom verhandelt. Im Gegensatz zu Uber eats sind die Fahrer*innen jedoch fest angestellt.
Der Lohn sei jedoch nicht der entscheidende Punkt, sagt Khan, der liege genauso wie im GAV bei ca. 20 Franken und erfülle damit den Mindestlohn. Dazu gebe es einen flexiblen Bonus, wenn Fahrer*innen beim Ausliefern besonders schnell sind und die Trinkgelder.
Der Nachteil: Ohne GAV muss die Gastrokurier beispielsweise den Arbeitsplan nicht schon zwei Wochen im Voraus festlegen. Auch sind die Arbeitszeiten nicht so deutlich definiert, sodass es keinen festen Lohn für eine bestimmte Schicht gibt, etwa mittags, wenn nur für kurze Zeit viel los ist.
Die Anforderungen an potenzielle Fahrer*innen ist laut Gastrokurier-Website niedrigschwellig: «Egal ob du Hausfrau, Student, Schüler (ab 18), Arbeitsloser bist, oder einfach nur dein Haupteinkommen am Monatsende aufstocken willst. Selbst eine F-Bewilligung ist kein Problem.» Nach eigenen Angaben beschäftigt Gastrokurier mehr als 300 Kurier*innen in fünf Schweizer Städten.
Khan sagt uns auf Anfrage: «Unsere Fahrer sind alle bei uns angestellt inkl. BVG, KTG, NBU, BU etc.» Hinter den Abkürzungen verbergen sich etwa die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, Krankentaggeld und Unfallversicherungen.
Rang 3: Smood
GAV: Nein
Stundenlohn: ca. 19 CHF/Stunde (laut Gewerkschaft)
Lokales Unternehmen: Nein
Auf der eigenen Website wirbt Smood mit diesen Worten um neue Fahrer*innen: «Liefern Sie leckere Gerichte, sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen. Freie Stunden und schnelles und signifikantes Zusatzeinkommen!» Dieses «Zusatzeinkommen» klingt nicht nach einer (Vollzeit-)Stelle, von der sich der Lebensunterhalt bestreiten lässt. Ausserdem verweigere sich Smood Verhandlungen, einen Gesamtarbeitsvertrag für seine Fahrer*innen einzugehen, sagt David Roth von der Gewerkschaft Syndicom.
Roth hat nach eigenen Angaben mehrere Verträge von Smood gesehen. Die Bezahlung liege bei 19 Franken die Stunde, manchmal gebe es noch 2 Franken Spesen dazu. «Damit ist es der niedrigste Lohn bei den Festangestellten in der Foodkurier-Branche.» Auf der Seite Appjobs.com heisst es bei einer Smood-Annonce: «Du kannst durchschnittlich 13 CHF pro Stunde verdienen. Trinkgeld kannst du behalten.» Wie verlässlich diese Angabe ist, konnten wir leider nicht nachprüfen. Wir haben bei Smood nachgefragt, was üblicherweise gezahlt wird, haben allerdings bis zur Veröffentlichung des Artikels keine Rückmeldung bekommen.
Rang 4: Uber eats
GAV: Nein
Stundenlohn: ca. 8-10 CHF/Stunde (laut Gewerkschaft); im Schnitt 21 CHF/Stunde (laut Uber)
Lokales Unternehmen: Nein
Es wissen wahrscheinlich die meisten: Hinter Uber eats steckt ein grosses Unternehmen, das zum Uber-Konzern gehört. Der Lieferdienst ist ein Riese in der Branche und macht Millionengewinne, an ihm kommt man nicht vorbei. Aufgefallen ist das Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder durch die schlechten Arbeitsbedingungen für seine Fahrer*innen. Von Angestellten kann man hier nicht sprechen, feste Arbeitsverträge gibt es nicht.
Von den Kurier*innen wird verlangt, sich selbstständig zu melden, doch die AHV akzeptiert Uber-eats-Fahrer*innen nicht als Selbstständige, Uber sieht das anders. «Für die Fahrer*innen heisst das, dass sie in Schwarzarbeit gedrängt und bei den Sozialversicherungen nicht korrekt abrechnen können», sagt Roman Künzler von der Gewerkschaft Unia. Die Unia fordert, dass Uber eats die Fahrer*innen anstellt.
Auch, weil ihnen ohne GAV oder festen Arbeitsvertrag wichtige andere Rechte fehlen – etwa auf bezahlten Urlaub, Pausen oder eine Unfallversicherung. Nach Angaben von Roman Künzler liegt der Lohn der Uber-eats-Fahrer*innen «real zwischen 8 bis 10 Franken die Stunde».
Auf Anfrage schreibt uns dazu Barbara Ryter von Uber eats: «Die Verdienste der Kuriere sind variabel und hängen von der Anzahl der gelieferten Bestellungen und den zurückgelegten Strecken ab (CHF 4 für jede Abholung, CHF 1.50 pro km und CHF 1.50 für jede Ablieferung).» Das bedeutet, dass die Fahrer*innen keinen festen Stundenlohn bekommen und sich auch nicht auf ein festes Monatsgehalt verlassen können. Sind sie nicht auf dem Velo unterwegs, etwa weil sie krank sind oder eine Flaute herrscht, verdienen sie auch nichts.
«Der durchschnittliche Verdienst während den Essenszeiten liegt bei rund 21 Franken pro Stunde», heisst es von Uber eats. Dazu gebe es «an bestimmten Zeitpunkten» Prämien und Vergütungssysteme, die für mehr Lohn sorgten. Ausserdem bekämen die Kurier*innen Trinkgeld, das während der Corona-Pandemie «pro Lieferung im Durchschnitt um mehr als 45% gestiegen» sei.
Eine umfangreiche Unfallversicherung wie für Arbeitgeber gesetzlich vorgeschrieben, bietet Uber eats nicht. Dafür nach eigenen Angaben eine kostenlose Versicherung, mit der sich die finanzielle Belastung durch Ereignisse wie einen Unfall, Krankheit oder die Geburt eines Kindes reduziere.
Fazit:
Essen zu bestellen ist ein Privileg, es auszuliefern nicht so sehr. Davon leben wollen: schwierig. Unser Gewinner-Lieferdienst, Velogourmet, zahlt zwar den im GAV festgelegten Mindestlohn, aber viel verdienen die Fahrer*innen trotzdem nicht. Das Geschäft mit dem Ausliefern von Essen ist ein hartes Brot. Die meisten Anbieter in Basel bewegen sich – ob GAV oder nicht – bei einem Stundenlohn von etwa 20 Franken. Nach GAV verdienen Food-Fahrer*innen ein Jahresgehalt von mindestens 45’771 Franken brutto. Das ist nicht viel.
Uber eats ist die einzige Plattform, die keine Festanstellung anbietet, sie zahlt kein festes Monatsgehalt und hält sich nicht an einen GAV. Damit hat sich Uber eats den letzten Platz unseres Rankings verdient.
Tipps für mehr Fairness
Wer nicht nur gutes Essen bestellen will, sondern sich wirklich für die Arbeitsbedingungen der Lieferheld*innen interessiert, dem empfiehlt Roman Künzler von der Unia, grundsätzlich skeptisch zu sein gegenüber Plattformen für Essensbestellungen. «Uber eats sollte man in jedem Fall weglassen, die leisten einen Sozialbetrug, der die ganze Branche zerstört.» Besteller*innen sollten darauf schauen, ob für die Kuriere einen Arbeitsvertrag haben und mindestens den Bruttostundenlohn von 23,27 Franken aus dem Gesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes – das erreicht in unserem Ranking mit dem Basislohn niemand.
«Wir empfehlen, mit Kurieren zu sprechen, wenn sie an die Tür kommen. Dann kann man fragen, ob etwa ihre Auslagen für Velo und Handy gedeckt, sie gegen Unfall versichert sind und sie Zulagen bei schweren Witterungen erhalten», sagt Künzler.
Und zum Schluss noch ein Bajour-Tipp: Wer sich den Luxus leisten kann, Essen zu bestellen, der sollte den Kurierfahrer*innen ein ordentliches Trinkgeld geben – vielleicht am Gastgewerbe-Bruttolohn von 23,27 Franken orientieren. Vor allem bei den aktuellen Temperaturen werden die Bringer*innen das zu schätzen wissen.