Wird die «kleine Freiheit» unter Mietwohnungen begraben?

Die Beiz am Erasmusplatz hat erst seit Oktober offen. Jetzt steht plötzlich eine Umbautafel vor dem Restaurant. Wir gehen vorbei – und treffen auf Widerstand.

IMG_7056
Garten offen. Noch.

Eine Bajourleserin schrieb eine Mail an die Redaktion: Sie habe gelesen, dass Bajour im Massenkündigungsticker über Sanierungen Buch führe. Jetzt habe sie im Kantonsblatt vom 12. August die «kleine Freiheit» entdeckt. Dort steht, dass in der Feldbergstrasse 23 neue Wohnungen entstehen sollen. Im Wortlaut: «Umbau Erdgeschoss in fünf Wohnungen («bisher Restaurationsbetrieb)».

Heisst das, die «kleine Freiheit» muss jetzt raus? Die Beiz ist erst seit Oktober 2019 dort.

Besuch vor Ort. Tatsächlich, vor dem Restaurant steht ein Schild des Baudepartements, das über den Bau informiert. Und nur dank dieses Schilds hat das Team der kleinen Freiheit erfahren, dass sie vielleicht rausmüssen. Vom Vermieter selbst haben sie nichts gehört.

IMG_7046
Mit freundlichen Grüssen.

«Wir waren sehr überrascht über die Situation», sagt Umut Koylu, Geschäftsführer der «kleinen Freiheit». «Das wird für unsere Firma eine Herausforderung». Er verstehe, dass dem Eigentümer die Rendite wohl das Wichtigste sei, aber: «hier wird wahrscheinlich ein spannendes, Menschen vereinendes und Kultur förderndes Projekt für Profit gebodigt.»

Bei den Vermieter*innen der Liegenschaft handelt es sich gemäss mapBS Basel Stadt um einen 
Privatbesitzer aus Belgien und die Marom Immobilien GmbH. Diese hat ihren Sitz in Zürich. Allerdings gibt es weder Telefonnummer noch E-Mail-Adresse auf die Schnelle zu finden. (Anm. d. Redaktion: Ob es sich nur um eine Briefkastenfirma handelt, wie ursprünglich hier zu lesen war, wissen wir noch nicht. Wir bleiben dran.)

Auch Geschäftsführer Umut Koylu hat niemanden erreicht. Laut Bau- und Verkehrsdepartement sind Vermieter*innen nicht verpflichtet, Mieter*innen einen geplanten Umbau mitzuteilen, wie es auf Anfrage heisst. «Die feine Art» sei es aber nicht, den Mieter nur über die Tafel vor dem Haus über den Umbau zu informieren. 

Nachbar*innen haben keine Freude

Für Umut Koylu von der «kleinen Freiheit» ist klar: «Wir sind jederzeit offen für einen Dialog.» Aber:«Wir werden nicht widerstandslos den Betrieb einstellen und ein solch beliebten und belebten Quartiertreff begraben.» Einigen Anwohner*innen am Ersasmusplatz wäre das aber wohl gerade recht. Ismail Korkut, der Wirt der Beiz, kämpft schon seit der Eröffnung um Akzeptanz.

Gewisse Nachbar*innen würden ihm wöchentlich Polizei und Ämter auf den Hals hetzen, sagt Koylu. Und im Mai hätten sie über 100 Briefe an die gesamte Nachbarschaft versendet. Darin stehen die Öffnungszeiten der Beiz feinsäuberlich aufgelistet. Ausserdem gibt der Brief auch gleich einen Tipp, wie man sich gegen allfällige Nachtruhestörungen wehren kann: «Für Reklamationen» sei «alleinig die Polizei zuständig» steht da.

Bildschirmfoto 2020-09-04 um 15
Der Brief, der im Mai an die ganze Nachbarschaft versendet wurde

Was Ismail Korkut besonders stört: «Die Briefe kamen, bevor wir die Gartenbeiz überhaupt in Betrieb genommen haben.» Lärmemissionen hätte es bis dann auch noch nie gegeben. Sie seien ja erst im Herbst eingezogen.

Er ist nicht der erste Wirt am Erasmusplatz, der mit Anwohner*innen kämpft. Schon sein Vorgänger, Uli Künzer, Wirt vom ehemaligen Wiener Beisl, wurde mit Lärmklagen eingedeckt, wie die TagesWoche (selig) 2017 schrieb. Unmut Koylu will sich aber nicht vertreiben lassen. Der Mietvertrag läuft noch und das Projekt sei langfristig angelegt. 

Die «kleine Freiheit» hat noch bis am 11. September Zeit, Rekurs einzulegen.

Bajour wollte mit den Anwohner*innen über ihren Brief sprechen, doch die Mail blieb unbeantwortet.

Wurde dir gekündigt? Oder kennst du jemanden?
Ja, Scheisse.

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Kyburz Stöcklin Olympische Spiele

Michelle Isler am 25. Juli 2024

Vorfreude auf Olympia

Drei Sportler*innen aus der Region haben sich für die Olympischen Spiele qualifziert und messen sich in Paris mit der Weltspitze. Die Leichtathlet*innen Matthias Kyburz und Pascale Stöcklin sprechen vor der Abreise über jahrelange Vorbereitung, Nervosität und die Betten im Olympischen Dorf.

Weiterlesen
Gewerbeverband im Grossen Rat

Ina Bullwinkel am 25. Juli 2024

Linke Unternehmer*innen – rechte Unternehmer*innen: Hauptsache erfolgreich

Wer erwartet hatte, dass sich der Gewerbeverband nach dem Führungswechsel politisch etwas unabhängiger oder offener zeigt, wird enttäuscht. Mit linken Gewerbler*innen will man zwar Dialog, sie im Wahlkampf zu unterstützen, bleibt aber ein No-Go. Der Gewerbeverband muss mit der Zeit gehen, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen
xxxx-xx-xx Frage des Tages VORLAGE-1

Michelle Isler am 25. Juli 2024

Rheinschwimmen: Fühlst du dich momentan sicher?

Weiterlesen
Party

Valerie Zaslawski am 25. Juli 2024

Musikbüro verärgert elektronische Szene

Während die Alternativkultur von den gerade gesprochenen Clubfördergeldern profitiert, gehen kommerziellere Betriebe leer aus. Der Unmut ist gross, die Vermittlung der Förderpraxis verbesserungswürdig.

Weiterlesen

Kommentare