Bauer sucht Kund*in
Felix Gebhardt, Demeter-Landwirt im Unteren Tiefental, fuhr eine schöne Kartoffelernte ein. Und blieb auf 2 Tonnen sitzen. Zum Glück fand er auf Facebook Abnehmer*innen.
Der schmale Weg führt zwischen schneebedeckten, beackerten Feldern am Vita-Parcours vorbei, dahinter liegt der Hof von Felix Gebhardt im Unteren Tiefental zwischen Dornach und Hochwald. Bei der Ankunft kommt der Hofherr gerade aus dem Stall. Kurz hält er inne, es scheint, als hätte er jemanden anders erwartet. «Den Termin hatte ich nicht mehr auf dem Schirm», gesteht der Landwirt, «komm gleich mit, wir sprechen währenddem ich einstreue.»
Wir wollen über überflüssige Kartoffeln und das Konsumverhalten der Menschen in der Region reden. Aber wer über Kartoffeln reden will, das wird klar, muss zuerst die Landschaft kennen. Der Bauer führt durch eine historische und topographische Lehrstunde des Gebiets. «Wir befinden uns in einem Quellenreich des Tafeljuras, gleich unter dem Gempenplateau.» Deshalb sei das Gebiet und der Boden besonders Mineralienreich, erklärt der Demeter-Landwirt, während er das getrocknete Stroh mit der Heugabel auflockert und verteilt.
Felix Gebhardt bewirtet gemeinsam mit Ursula Kradolfer den demeter-zertifizierten Hof «Untere Tüfleten». Abgesehen von einer Mutterkuhhaltung und einigen Hühnern beackern sie Felder für Kartoffeln und besitzen Obstbäume.
«Demeter» ist ein weltweit gültiges Label für Nahrungsmittel aus der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Bei dieser Art von Anbau wird ein besonderes Augenmerk auf die Gesundheit des Bodens und das Tierwohl gelegt. Das Label verfügt über strenge Richtlinien.
Wegen dieser Topographie handelt sich bei seinen Feldern um Grünlandgebiet, das eher für den Futteranbau – zum Beispiel eben für Gras – geeignet ist und weniger für den konventionellem Ackerbau . Nichtsdestotrotz kann der Bauer Gemüse in kleinen Mengen ziehen. Für einen kurzen Moment unterbricht uns eine Jungkuh, die das neu ausgelegte Stroh entdeckt hat und ihrer Freude freien Lauf lässt. «20 Aren Kartoffeln bauen wir an», erklärt Gebhardt und lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf unser Gespräch. Das sind 2000 Quadratmeter, die etwa sechs Tonnen Knollen ergeben.
Zu viel, denn Felix Gebhardt wurde zwei Tonnen seiner Kartoffeln nicht weg. Bis ein Aufruf über Social Media Abhilfe schaffte.
Schlechte Ernte für die Schweiz
Eigentlich fiel die Bilanz des Schweizer Kartoffel Erntejahrs 2021 schlecht aus. Nicht so auf dem Hof Untere Tüfleten, «für uns war es eigentlich eine gute Ernte», so Gebhardt. Doch die Nachfrage ist gesunken. Der Landwirt erklärt: Das Konsumverhalten der Bevölkerung habe sich verändert, beobachtet Gebhardt. Viele Leute seien mehrere Wochen im Jahr in den Ferien und deshalb nicht daran interessiert, Grundlebensmittel auf Vorrat aufzustocken – «man bezieht kleinere Mengen für den unmittelbaren Bedarf».
Zum Anderen ändern sich die gesellschaftlichen Umstände. Familien seien mittlerweile kleiner geworden und die Geschlechterverteilung Zuhause nicht mehr vorwiegend traditionell, «auch auf dem Land». Früher gab es «z’Mittag» zuhause im Kreise der Familie, «mittlerweile gibt es rundum Angebote in Schulen wie ein Mittagstisch während die Eltern arbeiten».
Besonders jene Stammkund*innen, die sich jeweils für einige Monate eindeckten «springen immer mehr ab» und schmerzen einem Betrieb wie den der Familie Kradolfer-Gebhardt besonders. «Das ist die gesellschaftliche Realität», und gleichzeitig die Herausforderung, der sich die Landwirtschaft anpassen muss.
Facebook-Post erreicht 31’000 Personen
Zurück zu den Kartoffeln. Gebhardt konnte sie dann doch noch an freudige Menschen verkaufen. Und zwar dank eines Facebook-Posts, den ein Bekannter von ihm verfasst hat: «Die einzigen Demeter-Bauern in Dornach (Kradolfer im Tiefental) bleiben auf ihren Kartoffeln sitzen, (...) Könnten wir Kartoffeln abnehmen oder Abnehmer vermitteln?», hiess es im Beitrag.
Und dann ging es zackzack: «Alles weg» verkündet der Bauer erleichtert, während er die Heugabel zur Seite legt und auf die Uhr schaut: 09:30 Uhr – «Ich bringe gleich noch die letzten Säcke an einen Abnehmer».
Der Aufruf wurde in die Facebook-Gruppe: «Rette die Ernte vor dem Müll» gepostet, der mehr als 31’000 Menschen erreicht. Der Beitrag selbst wurde dann 32 weitere Mal geteilt. Eine riesige Reichweite, die innerhalb von wenigen Minuten Sichtbarkeit in der ganzen Region erzeugt. Zwei Drittel der Kartoffeln gingen an ein Bionetzwerk, der Rest an über 15 Interessent*innen, die sich auf den Post gemeldet haben.
Der Aufruf lässt den Bauern über die sozialen Medien reflektieren: «Die Landwirtschaft hat ihren Kontakt zu Konsumentinnen und Konsumenten über die letzten Jahre verloren», sagt er «eine solche Plattform könnte das ändern.» Besonders weil man merke, dass es einem Teil der Bevölkerung wichtig ist, lokal zu konsumieren. «Die konventionelle Landwirtschaft muss sich nun an die verändernden Bedürfnisse anpassen.»
Nach der Ernte ist vor der Ernte
Zum Abschluss bleiben wir noch kurz draussen stehen und blicken auf die unteren Felder und Obstbäume. «Jetzt haben wir zwar ein Problem weniger mit den Kartoffeln – aber schau die Zwetschgenbäume.» Felix zeigt auf die bereits blühenden Zwetschgenbäume. Der Schnee der letzten Tage sei kein Problem gewesen, «das brachte wieder etwas Feuchtigkeit» – aber der Spätfrost mache zu schaffen.
Die Winter sind milder und lassen die Vegetation früher voranschreiten – was die Pflanzen wiederum anfällig macht für Frost. «Du siehst, wir Bauern haben immer etwas zu schaffen», sagt Felix Gebhardt etwas verschmitzt, ehe er im Lagerraum verschwindet, um die letzten Kartoffelsäcke in den Transporter zu stapeln.
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