Carla Schuler macht weiter

Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Eine langjährige Mitarbeiterin der Aids-Hilfe beider Basel kämpft hartnäckig gegen alte Phantome.

Carla Schuler
Carla Schuler kämpft auch 2022 für eine Normalisierung der Infektionskrankheit.

Carla Schuler hat klamme Hände. Sie kommt aus der Kälte, hat am Welt-Aids-Tag mit Passant*innen auf der Strasse über HIV-Prävention gesprochen. Schuler macht ihren Job. Unprätentiös, aufmerksam, geduldig. In diesem Jahr feiert sie ihr 30-jähriges Jubiläum bei der Aids-Hilfe beider Basel. 


«Ich wünsche mir so sehr, dass wir als Gesellschaft damit leben lernen, dass eine HIV-Infektion nichts Spezielles ist», sagt sie. Und: «Solange eine Person noch darüber nachdenken muss, ob sie offen über eine HIV-Infektion reden kann, so lange sind wir als Gesellschaft noch an einem rückständigen Punkt.»

30 Jahre Aids-Hilfe Basel sind eine lange Zeit. Bevor Schuler 1992 anfing, arbeitete sie im BaselLighthouse an der Hebelstrasse. An Aids erkrankte Menschen verbrachten dort ihr Lebensende, sagt Schuler. Es gab damals keine wirkungsvollen Medikamente, um eine Ausbruch zu verhindern, die HIV-Infektion stand kulturell unter dem Schrecken der 80er-Jahre. Das änderte sich 1996, erinnert sich Schuler. «Damals kamen die ersten wirkungsvollen Medikamente auf den Markt.» 

Das hat die Behandlung des Virus revolutioniert. Das Bild in den Köpfen der Menschen, das hielt sich allerdings hartnäckig und Schuler lernte: Stereotype sind zäher als medizinischer Fortschritt. 

Von der Pflegeinstitution zur Prävention 

Heute ist das Krankheitsbild Aids kein Thema mehr, sagt Schuler, das HI-Virus ist weitgehend unter Kontrolle. Dennoch zählt die Schweiz pro Jahr zwischen 350 und 400 Neuinfektionen mit HIV. Die Behandlung ist unkompliziert, die Medikamentierung liegt bei einer Pille am Tag und nicht wie in den 90ern bei mehreren Pillen, die mit eiserner Regelmässigkeit nach jeweils acht Stunden eingenommen werden mussten. Wenn Aids weg ist: Warum heisst dann die Aids-Hilfe immer noch Aids-Hilfe?

«Weil wir mit unserem Namen einen anerkannten Ruf haben, als Beratungsstelle und Informationsplattform», sagt Schuler. Heute engagiert sich die Institution vor allem in der Aufklärung von Schulklassen, Migrant*innen, Sexarbeitenden, Männern, die Sex mit Männern haben. Schuler berät Menschen mit HIV, die zum Beispiel neu nach Basel ziehen und sich mit dem Gesundheitssystem nicht auskennen. Sie empfiehlt ihnen Ärzt*innen, sie erklärt das Krankenkassensystem, sie vermittelt Rechtsberatung – aus der Pflegerin aus den 1990ern ist eine Aufklärerin geworden. 

Ihre Ausdauer ist ihrem Team ein Vorbild. Die Aids-Hilfe regte an, am gestrigen Welt-Aids-Tag den Claraplatz in Carla-Platz umzutaufen. Schuler freut sich eher still darüber. Sie steht nicht gerne im Mittelpunkt, sagt sie. Aber die Aids-Hilfe ist auch dank Schuler da, wo sie heute ist. Die Kantone Basel-Stadt und Baselland subventionieren die Institution. Mitglieder und Spender*innen tragen die übrigen Kosten. Die Aufgaben haben sich verändert, sagt Schuler, doch ein Teil des gefährlichen Halbwissens über sexuell übertragbare Krankheiten ist geblieben. 

Was rät sie Menschen, die unsicher sind, ob sie über eine HIV-Infektion sprechen sollen?

Schuler sagt, das müsse jede*r für sich selbst entscheiden und komme immer auch etwas auf den Kontext drauf an. Die Angst vor Diskriminierungen ist immer noch allgegenwärtig und leider berechtigt. Was man seit bald 15 Jahre weiss, erzählt, schreibt und nicht überall angekommen ist: Menschen mit HIV, die regelmässig ihre Medikamente einnehmen, können niemanden anstecken – auch nicht beim Sex.

Es gibt noch zu tun, sagt Schuler. Darum steht sie am Donnerstag Anfang Dezember draussen in der Kälte. Verteilt Flyer, spricht mit den Leuten. HIV ist normalisiert. Normal ist die Infektion deswegen nicht. Schuler macht weiter. 

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