Traum aller Bastler*innen

Im Offcut auf dem Dreispitz-Areal findest du alles von Restmaterialien für dein Kunstprojekt bis zu hochwertigen Textilien – und nach dem Ausmisten darfst du deine Papier- und Stoffreste vorbeibringen. Ende August feiert der Materialmarkt sein zehnjähriges Bestehen.

Offcut
(Bild: Laura Ferrari)

Spätestens seit Marie Kondo wissen wir, dass Ausmisten unserer Seele gut tut. Sich bewusst von Dingen zu trennen, die wir nicht mehr brauchen, schafft Raum im Zuhause und für manche nicht zuletzt auch Ordnung im Kopf.

Wohin aber mit dem ganzen Kram? Einen sehr grossen Teil davon kannst du ins Offcut bringen. Dort werden Restmaterialien wie Stoffballen, Holzreste, Papier, Notizhefte, Stifte, leere Flaschen, Korken, nicht mehr gebrauchtes Geschenkpapier, Knöpfe, Folien und vieles mehr mit offenen Armen empfangen. «Wir nehmen Dinge an, die in irgendeiner Form wiederverwendet werden können», sagt Simone Steinegger, Co-Leiterin des Offcut Basel und zuständig für die Kommunikation.

«Kommt jemand mit einem Tisch, nehmen wir ihn nicht. Kommt dieser Tisch aber in alle Einzelteile zerlegt, dann findet er bei uns ein Zuhause.»
Simone Steinegger, Co-Leiterin Offcut Basel

Das Offcut ist in der Holzhalle auf dem Dreispitz-Areal eingemietet. Dort teilt sich der Materialmarkt die Halle mit dem Verein Padel-Basel. Betritt man das Offcut, könnte man sich auf den ersten Blick auch in einem Brockenhaus befinden. Die Regale reichen weit nach oben und sind beladen mit den unterschiedlichsten Dingen.

«Uns unterscheidet von einem Brocki, dass wir zum Beispiel keine Kleidung annehmen. Auch keine Küchengeräte oder Teller und Besteck», erklärt Steinegger. «Kommt jemand mit einem Tisch, nehmen wir ihn nicht. Kommt dieser Tisch aber in alle Einzelteile zerlegt, mit einem separaten Sack mit Schrauben, dann findet er bei uns ein Zuhause.» Denn die Dinge, die man ins Offcut bringt, werden häufig nicht mehr für das gebraucht, wofür sie ursprünglich gedacht waren.

Offcut
Die Verkaufsleiterin Susanne Roser (links) und Simone Steinegger. (Bild: Laura Ferrari)

Weiterverwenden, statt wegwerfen also. Alles im Sinne der Nachhaltigkeit: «Die Leute schätzen unser Angebot. Das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend politisch. Die Menschen machen sich vermehrt über die Kreisläufe und den Ursprung von Materialien Gedanken» sagt Steinegger.

An diesem Nachmittag ist es eher ruhig in der Halle, an einem Samstag könne es jedoch sein, dass man bis nach Draussen anstehen müsse, um seinen Einkauf zu bezahlen. Apropos bezahlen: Wie beziffert man den Wert von Gebrauchtem?

«Wir richten uns nach dem Neuwert und setzen ungefähr bei der Hälfte an», erklärt Steinegger. «Da man aber auch einen einzelnen Reissnagel oder nur ein Stück Papier kaufen darf, haben wir eine Liste mit den Preisen und wiegen den Einkauf an der Kasse ab oder rechnen die Preise auf den Quadratmeter aus», sagt sie.

Weg von der ursprünglichen Funktion

«Unsere Kundschaft ist vielfältig, von Künstler*innen, Kreativschaffenden über Heimwerker*innen, Lehrpersonen und Menschen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt», sagt die Offcut-Co-Leiterin. 

Sortiert werden die ganzen Gegenstände und Materialien nach Thema, also gibt es beispielsweise eine Abteilung mit Papeterie-Artikeln oder eine Regalwand mit Werkzeug, Schrauben und Nägeln. Aber es wird auch nach Werkstoff sortiert, um nochmals zum Beispiel des zerlegten Tisches zurückzukommen: Die Tischbeine kommen zu den Holzlatten, die Plattenteile zu den grösseren Holzresten, die Schrauben zum Werkzeug. So wird ein Objekt seiner ursprünglichen Funktion entledigt. 

Simone Steinegger nimmt ein rundes, längliches Holzstück in die Hand: «Das war mal ein Bein von einem Holzbett. Jetzt ist es einfach dieses Holzstück mit einem Loch und kann wieder als etwas ganz anderes gebraucht werden».

«Die Leute schätzen unser Angebot. Das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend politisch.»
Simone Steinegger, Co-Leiterin Offcut Basel

Material spenden kann jede*r. Das Offcut erhält viele private Spenden, es gibt aber auch sogenannte High-End-Spenden, die von grossen Firmen stammen. Hinter einem Stapel aus Kisten zeigt Steinegger auf zwei grosse Paletten mit Stoffrollen: «Das sind alles hochwertige, wasserdichte, winddichte und atmungsaktive Textilien, damit kann man sich zum Beispiel Outdoor-Kleidung selber nähen». 

Die Preise bleiben dabei immer innerhalb des Konzepts. «Wir bleiben auch bei Material mit hoher Qualität günstig. Wir könnten mehr verlangen, aber wir wollen bei fairen Preisen bleiben. Und das obwohl das Offcut noch nicht selbsttragend ist.

Offcut
Garnreste, Klettrollen, Stricknadeln, Nadel und Faden. Auch für deine Nähprojekte kannst du dich im Offcut eindecken. (Bild: Laura Ferrari)

Das Offcut gibt es bereits seit zehn Jahren. Es hat in Basel seinen Ursprung. Der erste Standort war im Turbinenhaus der Aktienmühle im Klybeckquartier. Bereits nach einem Jahr zog das Offcut auf das Dreispitz-Areal, wo es von 2014 bis 2021 an der Venedig-Strasse eingemietet war. Im August 2021 zog der Materialmarkt schliesslich in die Holzhalle an der Lyon-Strasse. 

Das Basler Modell machte die Runde: Im Jahr 2018 zog Zürich, im Jahr 2020 Bern und 2021 Luzern nach: «Die Leute kamen zu uns und wollten so ein Angebot auch in ihrer Stadt schaffen», sagt Simone Steinegger. Zuletzt hat auch in St. Gallen ein Offcut seine Türen geöffnet. 

Als Verein gestartet, ist Offcut mittlerweile eine Genossenschaft. «Jeder Standort wird eigenständig geführt, durch die Gründung einer Genossenschaft haben wir eine nationale Vernetzung mit den verschiedenen Standorten», sagt Steinegger. 

Die Vernetzung findet aber auch mit anderen Vereinen und Organisationen statt, die ein ähnliches Konzept verfolgen. Nebst lokalen Projekten, wie zum Beispiel das Leihlager, wo man alltägliche Dinge ausleihen kann, haben die Macher*innen ihr Netzwerk nun auch über die Landesgrenze hinaus erweitert. So ist Offcut Teil der Initiativen für Materialkreisläufe (IfM), ein internationales Projekt, das verschiedene Materialverwertungs-Projekte miteinander verknüpft und für Interessierte mit einer interaktiven Karte auf der Website zugänglich macht.

Nun feiert das Offcut sein zehnjähriges Bestehen. Am 26. August lädt das Team des Offcut Basel zu einer Jubiläumsfeier an der Lyon-Strasse ein. Ab 13 Uhr startet das Programm, alle weiteren Infos findest du hier www.offcut.ch.

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