Riesige Erwartungen, herbe Enttäuschungen

Vor 50 Jahren wurde in Basel aus Protest gegen den europäischen Kolonialismus das Afrika-Komitee gegründet. Doch der Wandel der Kolonien in selbstständige Staaten war dornenreich und meist nur teilweise von Erfolg gekrönt. Die Bilanz ist ernüchternd.

Gertrud Baud Barbara Müller
Gertrud Baud (l) ist Gründungsmitglied des Afrika-Komitees. Auch in der Vereinigung Schweiz–Simbabwe war die Anwältin von der Gründung 1988 bis zur Auflösung 2018 aktiv. Barbara Müller ist langjähriges Mitglied des Afrika-Komitees. Die Ethnologin ist am Zentrum für Afrikastudien der Uni Basel tätig.

Es begann mit einem Paukenschlag, erinnert sich die Rechtsanwältin Gertrud Baud im Gespräch mit Bajour. Sie ist wie auch Ethnologin Barbara Müller eine Exponentin des Afrika-Komitees, das in Basel vor 50 Jahren aus Protest gegen den europäischen Kolonialismus gegründet wurde. Damals war die Welt eine andere. Portugal, noch eine brutale Rechts-Diktatur und eine skrupellose Kolonialmacht, wurde 1973 von der «offiziellen» Schweiz an die Westschweizer Leistungsschau Comptoir Suisse in Lausanne eingeladen. In verschiedenen portugiesischen Kolonien wie Angola, Mosambik und Guinea-Bissau verlangte die Bevölkerung Unabhängigkeit. Der portugiesische Diktator António de Oliveira Salazar und sein Nachfolger hielten mit aller militärischer Gewalt dagegen, es herrschte ein Unterdrückungskrieg.

«Die Unabhängigkeitsbewegungen wurden als Terroristen bezeichnet.»

von Gertrud Baud, Rechtsanwältin

In linken Kreisen gab es einen lauten Aufschrei, aber die offizielle Schweiz war nicht dazu zu bewegen, Portugal auszuladen. «Die Unabhängigkeitsbewegungen wurden als Terroristen bezeichnet», sagt die Rechtsanwältin Baud. «Doch diese Völker haben das Recht auf Unabhängigkeit. Es ist schon eigenartig, dass sich die Schweiz, die sich selbst geschichtlich immer wieder auf ihren Unabhängigkeitskampf beruft, auf die Seite der Unterdrücker schlägt.»

«Meine Empörung ist immer noch da»

Verschiedene Solidaritätskomitees riefen im September 1973 zu einer nationalen Demo auf und mit 20000 Teilnehmenden wurde es eine der grössten Kundgebungen in der Schweiz, was vermuten lässt, dass auch viele bürgerlich-liberale Menschen auf die Strasse gingen. Bereits ein Jahr später wurde die Diktatur mit einem Militärputsch, der «Nelkenrevolution», beendet. Ausgerechnet die portugiesischen Militärstrategen waren es, die zur Einsicht kamen, dass die Kriege in den Kolonien niemals zu gewinnen waren. Portugal wurde eine Demokratie, die Kolonien nach und nach in ihre Unabhängigkeit entlassen. «Es ist jetzt bereits 50 Jahre her. Aber wenn ich die Geschichte heute erzähle, ist ein Teil meiner Empörung plötzlich wieder da. Unglaublich», sagt Gertrud Baud.

«Emanzipationsbewegungen wurden als Gefahr für den freien Westen angesehen.»

von Barbara Müller, Ethnologin

Es war die Zeit des «Kalten Krieges», dominiert von den beiden Blöcken USA und der Sowjetunion/China. «Es gab damals die Angst, dass sich Portugal dem Sowjetblock anschliessen könnte», sagt die Ethnologin Barbara Müller. «Emanzipationsbewegungen wurden als Gefahr für den freien Westen angesehen.»

Afrikaforschung in Basel

Das Afrika-Komitee ist mit seinen 8 aktiven und 120 passiven Mitgliedern eine verhältnismässig kleine Organisation. Die Mehrheit der aktiven Mitglieder wohnt in Basel und der Region. Die Vereinigung hat sich der Aufklärung und Information über  einige wenige Länder verschrieben (Angola, Mosambik, Guinea Bissau, Kapverden, Eritrea, Republik Sahara, Simbabwe und Südafrika).  Es arbeitet mit dem  2001 gegründeten  Zentrum für Afrikastudien (zasb.unibas.ch) der Uni Basel zusammen. 2017 verabschiedete die Uni eine umfassende Afrika-Strategie. Seitens der Uni heisst es, Basel sei zu einem nationalen und internationalen Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung geworden Die Strategie fusse auf einer langen Tradition des wissenschaftlichen Engagements mit Afrika in der Region Basel. Zu den assoziierten Mitgliedern gehören das Schweizerische Tropen- und Public Health Institut (Swiss TPH), das Museum der  Kulturen, die Mission 21, Basel Institute on Governance und die Basler Afrika Bibliographien.

Das Afrika-Komitee stand im Austausch mit Mitgliedern der Befreiungsbewegungen in Afrika und Europa, an den Versammlungen lasen und diskutierten die Komiteemitglieder ihre Texte. «Ich bewunderte ihr Engagement: Frauen und Männer, sehr oft gut ausgebildet, hatten ihre guten und bequemen Jobs aufgegeben, um sich im afrikanischen Busch oder auf Reisen um die ganze Welt für die Befreiung ihres Landes einzusetzen», sagt Gertrud Baud.

«Wir bereisten das Land und hatten den Eindruck, dass da etwas der Bevölkerung zugutekommt.»

von Gertrud Baud, Rechtsanwältin

Hoffnung und Rückschläge

Die Hoffnungen waren anfänglich gross, die ersten Erfolge der Unabhängigkeitsbewegung konnten sich sehen lassen. Die Apartheid geriet in der Öffentlichkeit immer mehr unter Druck. In der Schweiz sammelte das Komitee Geld für Schulen für Simbabwe. Auch die Kirchen machten mit, es kamen über 150’000 Franken zusammen. «Simbabwes Präsident Robert Mugabe war Hoffnungsträger eines Afrikas, das die Kurve kriegt. Es entstanden Kliniken, es gab sauberes Wasser, Kleinbauern waren erfolgreich mit Maisanbau», so Gertrud Baud. «Wir bereisten das Land und hatten den Eindruck, dass da etwas der Bevölkerung zugutekommt.»

Zimbabwean President Robert Mugabe expresses himself during a ZANU-PF rally near the town of Mbaira south of Harare, Zimbabwe, Friday, 25 March 2005, in the lead up to the 2005 palimentary elections which take place on the 31 March 2005. (KEYSTONE/EPA/STR)
Robert Mugabe, ehemaliger Präsident Simbabwe

Doch es zeigten sich auch Probleme. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds wollten beispielsweise die simbawschen Schulden nicht mehr finanzieren, im Schul- und Gesundheitswesen wurden die Budgets zusammengestrichen. «Es gab sogar den Vorschlag, die Universität zu schliessen, weil das für ein afrikanisches Land nicht prioritär sei», sagt Barbara Müller. Mugabe kam unter Druck. Die Opposition erstarkte und er klammerte sich mehr und mehr an die Macht und reagierte mit Repression. Er beschlagnahmte Ländereien von Weissen und bediente unter anderem seine eigenen Eliten. «Für den Westen ein absolutes No-Go. Das kam auch in den Medien so rüber. Mugabe und seine Eliten haben wirklich alles gemacht, um sich selbst zu schaden. Simbabwe wurde zum Paria-Staat.»

Reiche Kunst- und Kulturszene

«Die Unfähigkeit der herrschenden Eliten und die Zunahme der Repression gegen Andersdenkende - das zu erleben war für mich sehr schmerzhaft», sagt Baud. Aber es gab auch sehr viel Hilfe auf privater Initiative, vor allem im sozialen und medizinischen Bereich. «Die Zivilgesellschaft funktioniert trotzdem. Das geht oft vergessen, wenn man über politische Probleme spricht.» Das Afrika-Komitee hatte in der Folge die Beziehungen zu den Behörden nach und nach stillgelegt und dafür mit zivilgesellschaftlichen Organisationen Kontakt aufgenommen.

«Afrikas Bevölkerung ist jung. Es herrscht eine unglaubliche Dynamik. Architektur und Städteplanung sind nicht zu unterschätzen»

von Barbara Müller, Ethnologin

Erfreulich hingegen sei die reiche kulturelle Szene Afrikas, die sich mittlerweile über die ganze Welt verbreitet hat - am meisten die Musik. Auch im Bereich der bildenden Kunst, Design und Mode müsse sich Afrika nicht verstecken. Afrika ohne Perspektive? «Stimmt nur zum Teil», sagt Barbara Müller. «Afrikas Bevölkerung ist jung. Es herrscht eine unglaubliche Dynamik. Architektur und Städteplanung sind nicht zu unterschätzen», so die Ethnologin. Wichtig ist dem Afrika-Komitee nicht zuletzt der kulturelle Austausch und das Sichtbarmachen des Reichtums der afrikanischen Kultur.

«Der guten Arbeit des Afrika-Komitees könnte man mehr Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wünschen.»

von Georg Kreis, Basler Historiker

Auch Aussenstehende schätzen die Arbeit des Komitees. So meint beispielsweise der Basler Historiker Georg Kreis: «Der guten Arbeit des Afrika-Komitees könnte man mehr Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wünschen. Das heisst, das Komitee müsste sich vielleicht selbst sichtbarer bzw. hörbarer machen und so eine stärkere öffentliche Stimme in den Wortmeldungen der vielen nach Aufmerksamkeit schreienden Interessenvertretungen erlangen.»

Ein Fest zum 50sten

Das Afrika-Komitee Basel feiert am Samstag, 9. September, im Gundeldingerfeld in Basel sein 50-jähriges Bestehen, zusammen mit dem Fonds Fepa, der seit 60 Jahren besteht. Dieser unterstützt seit 60 Jahren Selbsthilfeprojekte in Simbabwe und Südafrika. Das Programm ist vielfältig: Das Afrika-Komitee zeigt ein ca. 10-minütiges Video über die eigene Geschichte . Es gibt eine Gesprächsrunde über die Solidaritätsarbeit mit Mitgliedern des Afrikas-Komitees und mit Marcel Dreier vom Fepa, moderiert von Ruedi Küng, ehemaliger SRF-Korrespondent für Afrika. Und nach dem Apéro gibt’s eine halbe Stunde Jazz aus Südafrika.

Herz Elefant
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