Wie Prosecco auf Eis in der Hängematte
Streiflichter vom Polyfon Festival, das am Wochenende zum ersten Mal unter neuer Leitung auf dem Kasernen-Areal über die Bühne ging.
Die Stimmung rund um das Polyfon-Festival 2022 auf dem Kasernen-Areal war wie Prosecco auf Eis in der Hängematte. Weich, leicht auf der Zunge, schaukelnd. Zwei Bereiche prägten das Fest, wovon die Holzbühne draussen und die zahlreichen Stände mit Angeboten lokaler Projekte, ein Marktplatz unter dem Namen «Xplore» gratis waren. Die Konzerte in der Reithalle kosteten Eintritt.
Sie wünsche sich ein Festival, das alle Altersschichten anspricht, sagte Caroline Faust, die Co-Leitern am Freitagabend gegenüber Bajour. Andere Stadtfestivals zielten vor allem auf die Jugend, was gut sei, aber auch Menschen über 60 feierten Konzerte. Ob die auch kamen?
Blick unter die Linden auf der Kaserne: Die junge Altersklasse dominierte deutlich, über 60-Jährige blieben in der Unterzahl. Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Ein Awareness-Team war inmitten der Stände gut sichtbar auf Empfang. «Bislang gab es keine Beschwerden», sagte Annika, Leiterin des Teams am Freitag, kurz vor 23:00 Uhr.
Plakate streuten verspielte Achtsamkeits-Botschaften unter die Leute. «Flirt, dont hurt» (Flirte, tue niemandem weh) oder «Schön bist du da, du bist wundervoll». «Ja heisst Ja».
Im Ausstellungsraum Klingental erhielt zur Festival-Ausgabe 2022 das Basler Label «Bambient Records» eine Carte Blanche. Im kleinen Raum etwas abseits des Festivals tanzten Visuals über die Wände. Die wechselnden Künstler*innen, namentlich vor allem Insider*innen ein Begriff, arbeiteten dort mal mit ruhigen, entschleunigten, beinahe meditativen Klängen. Vor allem Freitagabends war der Bambient-Floor eine Ruheinsel.
Am Samstag war die Energie eine ganz andere. Unter anderen spielte dort Cécile Meyer aka Anna Aaron, eine der Köpfe von Bambient Records, ein elektrisierendes Set. Wuchtig.
Überhaupt waren Freitag und Samstag stimmungsmässig wie Tag und Nacht. Cate le Bon spielte am Freitag ein sphärisches, fast hypnotisches Konzert in der Reithalle und setzte damit den Ton für den Abend. Am Samstag verwandelte Boy Harsher, Morena Leraba (Holzbühne) und Kerala Dust die Kaserne in ein tobendes Tanzfest.
Co-Leiter Marlon McNeill, der das Booking verantwortet, sagte am Freitag, er habe den Start ins Festival als «sehr gelungen» empfunden. Es stimme, im Programm fehle vielleicht der «eine grosse Act», den alle kennen, aber «ich finde, dass wir ein sehr interessantes Line-Up auf die Beine gestellt haben. Ich bin neugierig zu sehen, wie das bei den Basler*innen und den Gästen des Festivals ankommt».
Mit Blick auf das Publikumsaufkommen am Samstag kann man festhalten: Gut. Am Freitag blieb die grosse Reithalle noch überschaubar gefüllt, aber zur Primetime am Samstag, bei Boy Harsher, war kaum mehr Platz.
Blitzumfrage unter Festivalbesucher*innen zum neuen Kapitel des Polyfon: «Ich finde, ein Festival mit dieser musikalischen Ausrichtung braucht Zeit», sagte eine junge Frau aus Laufen BL, die mit einer Freundin da war. Die sagte: «Man kann es sich einfach machen und auf der Radio-Welle mitsurfen. Oder man probiert was.» Die beiden bevorzugten das Experiment.
«Der Mix muss stimmen», fand ein Mann, der schon früher da war, als das Polyfon noch Basel Open Air hiess. Für ihn wars am ersten Abend ein bisschen zu ruhig. «Es ist jetzt Mitternacht, aber ich bin schon müdegespielt», sagt er. Am Samstag wollte er trotzdem wieder dabei sein.
So lässt sich die Festivalausgabe 2022 als Versprechen an Entdecker*innen und Neugierige zusammenfassen. Andere Festivals wie die Bad Bonn Kilbi in Düdingen FR feiern mit diesem Konzept Erfolg. Auch der musste erdauert werden.
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Bajour war eine*r der Medienpartner*innen des Polyfon Festival und mit einem Stand im Rahmenprogramm Xplore präsent.