Tag 2 am Eidgenössischen – Als Zaungast bei der Königskrönung

Potz Schnupf und Hosenlupf – Joel Wicki ist Schwingerkönig! Der streng sachliche Berichte von der grössten Feier der Schweiz.

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Der neue Schwingerkönig Joel Wicki kommt aus der Innerschweiz. (Bild: Keystone / SDA)

18:15 Uhr – The End

Nach zwei Tagen deep Dive in eine wirklich eigene, aufregende, sehr laute und manchmal ungemütliche Welt, ist das Pulver verschossen. Zur Königskrönung haben weite Teile des Publikums das Stadion schon verlassen, das Wichtigste, der Schlussgang, ist durch.

Und auch diese sehr unfertige, lückenhafte Berichterstattung kommt zum Ende. Ein Mega-Anlass wie dieser muss ein subjektives Erlebnis bleiben, darum hat dieser Blog nie für sich beansprucht, das ESAF abzubilden, es musste bei Szenen bleiben, bei Einzelproben.

Kurzfazit, trotz allem: Ein Mega-Anlass, gut organisiert. Volksfestcharakter, man muss das mögen. Es kann derb zu und her gehen, aber auch sehr herzlich. Vieles ist eine Frage der eigenen Lesart. Im Vorfeld war viel von Offenheit zu lesen, von einem Fest für jede*n. Hierzu ist mit Blick in viele unterschiedliche Winkel und Ecken der beiden Haupttage des Fests, Samstag und Sonntag, festzuhalten: Das ESAF ist vor allem Sache einer klar abgezirkelten Turboschweiz. Sennenhemd, Alphorn, Bratwurst. Abweichungen sind die grosse Ausnahme.

Mit der Schweiz, vielfältig wie sie ist, hat das nichts zu tun.

Was das Fest aus sportlicher Sicht zu bieten hatte, wissen die besser informierten Kolleg*innen von SRF Sport. Auch die Kolleg*innen der lokalen Medien haben berichtet. Hier die BaZ, da die bz (Abo), dort Telebasel.

Die Videos, Fotos und andere Aufnahmen unseres Instagram-Kanals sind dort unter den Highlights hinterlegt. Danke fürs Mitlesen. 


17:40 Uhr – Elisabeth

Am Rand der Arenawiese steht eine ältere Frau in einer Tracht. Sie will unbedingt ins Innere und auf die Wiese, aber sie darf nicht. Joel Wicki müsse zuerst zu den Medien und dann noch zur Dopingkontrolle. Dann geht die Krönung über die Bühne. Er sei momentan wirklich sehr gefragt, sagt ein Sicherheitsmann, er bitte um Verständnis.

Elisabeth sagt, sie wolle Wicki gerne persönlich gratulieren und sich bedanken, dass endlich wieder ein Innerschweizer gewann. Sie selbst kommt von da, hatte Wicki die Daumen gedrückt.

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Elisabeth möchte Wicki gerne persönlich gratulieren. (Bild: Daniel Faulhaber)

17:20 Uhr – Spannung steigt

Der Schlussganz steht fest. Es schwingen der Wicki Joel aus Luzern schwingt gegen Matthias Aeschbacher vom Berner Kantonalen Schwingverband. Der Gang beginnt später als geplant und entwickelt sich zu einer zähen Sache. Immer wieder müssen die Schwinger voneinander ablassen, das Publikum quittiert das mit lautem Aufstöhnen und Klascheinlagen. Der Stadionspeaker ermahnt, das Pfeifen zu lassen. «Im Schwingen wurde noch nie gepfiffen und es würde mich wundern, wenn sich das geändert hat», ruft er.

Applaus im Publikum.

Dann, es sind 13 Minuten vergangen, legt Joel Wicki seinen Gegner aufs Schulterblatt. Donnernder Jubel im Stadion. Wicki ist der erste Innerschweizer Schwingkönig seit 36 Jahren, vor allem «seine» Tribüne kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus.

15:35 Uhr – Sexismus auf der Tribüne

Man könnte das auch beiseite lassen, immerhin sind hier bis zu 400'000 unterschiedliche Leute zu Gast. Viele sind freundlich. Weil aber das ganze Fest eine unheimlich männerzentrierte Aufmerksamkeit durchweht, kann man schon darauf hinweisen, das gerade die betrunkenen Männergruppen im Publikum zum Spiessrutenlauf für Frauen und weiblich gelesene Personen werden können.

Anzügliche Sprüche und sexistische Anmachen sind gegenwärtig. Nicht nur einmal wird eine Person im Vorbeigehen als «Lebendpreis» bezeichnet.

15:30 Uhr – «Aanesitze!»

In der Arena ist die Stimmung sportlicher, als gestern. Wer im Weg steht, muss da schnell weg. Wer in der Sicht steht, wird wild zur Seite beordert. Man will jetzt alles ganz genau sehen. Schlussgänge. Die Gewinner explodieren nochmal vor den Tribünen ihrer Teilverbände. Es wird gehypt und gejubelt. Das ist schon alles sehr eindrücklich.

15:00 Uhr – Der Unspunnen-Schwoof

Irre Szenen im Partyzelt. Auf einem Bildschirm gehen sehr starke Athleten ihrer Arbeit nach und werfen einen schweren Stein ins Sägemehl. Davor, also in der Hütte, ballern ärgste Volkslieder. Refrain: «Hurra die Gans». «Wie heisst die Mutter von Nikki Lauda, Mama Lauda». Derlei. Ein paar tanzt wilde Kreisel aufs Parkett, bunte Partylichter illustrieren die Szene.

Wir verlieren langsam den Faden. Laufen lassen. Den ersten Platz im Unspunnen-Steinstossen macht Remo Schuler aus Rickenbach. Er stösst den 83 Kilogramm schweren Stein 3,72 Meter weit.

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Laufen lassen.

14:15 Uhr – Alle raus

Plötzlich geht die Securitas im Gabentempel umher und schickt alle raus. Der Grund: Jetzt kommen die Schwinger, die nach dem 6. Rang ausschieden, und suchen sich ihre Gabe aus. Stellt sich heraus: Das ist eine sehr private Angelegenheit. Der Chef des Gabentempels überlegt lange hin und her, ob da Journalist*innen dabei sein dürfen. Dann sagt er: Nein, zu heikel. Offenbar ist das Prozedere sehr fragil und kleinteilig geregelt, irgendwas mit QR Codes und so. Im Zelt herrscht grosse Nervosität, es darf offenbar wirklich nichts falsch laufen.

Macht nichts. Draussen wird jetzt der Unspunnen-Wettkampf entschieden. Ab ins Zelt nebenan.

13:00 Uhr – Gabentempel

Hier gibts wirklich alles zu gewinnen, was du niemals haben wolltest. Riesige viereckige Tische, Eckbänke mit der Ausstrahlung von Panzersperren, ein Bett, das statt Daunen mit Stroh gefüllt ist. Kühlschränke, die aussehen wie Bunker. Motorräder, Waschmaschinen, Truhen.

Da fällt uns ein, woher das Sprichtwort «auf den Hund gekommen» angeblich stammt. Anno dazumals hatte jede Familie eine Truhe zuhaus, in der die wertvollsten Dinge lagerten. Auf den Boden der Truhe waren Hunde geprägt, so wollte das die Tradition. Und hatte man wirklich Pech, und das ganze Hab und Gut musste verkauft und verhökert werden, um die Existenz zu sichern, dann kamen am Boden der Truhen eben diese Hunde zum Vorschein.

Wenns also wirklich schlecht läuft, dann ist man auf den Hund gekommen. So.

Eigenartigerweise will sich niemand im Gabentempel filmen lassen. Als empfände man hier eine Art unangenehmer Unentschlossenheit, was von alledem zu halten ist.

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Blick auf die Bank, die die Grünen-Ständerätin Maya Graf gespendet hat. (Bild: Daniel Faulhaber)

12:15 Uhr – Fressmeile voll

Ein wichtiger Teil dieses Fests ist natürlich die Verpflegung und da soll die Fressmeile Abhilfe leisten. Tut sie auch. Man spricht, so ist am ESAF wirklich von allen zu hören, auch niemals von «Essen» sondern es wird «E Brootwurscht gfrässe» oder «Wyy gsoffe», ist klar. Hauptsache es schmeckt.

Zwei Beflissene, die den Souvenirwagen des offiziellen Fanshops durch die Massen quetschen, dürfen leider keine Aussagen darüber machen, was sie am meisten verkaufen. Der Chef muss das erst freigeben. Aber so viel Zeit haben wir nicht.

11:00 Uhr – Kristiano hat alles im Griff

Auf dem Weg zum Festgelände sorgt eine kleine Armada Zivilschützer*innen dafür, dass niemand vom Weg ans ESAF ankommt und sich schlimmstenfalls in die Quartiere Prattelns verirrt. An einem Posten steht Kristiano. Er hat sofort richtig Lust auf ein kleines Interview, denn er will berühmt werden, sagt er.

Er erzählt, dass die Festbesucher*innen durchs Band sehr freundlich sind und dass nicht so viele Ausländer*innen da sind, wie er erwartet hätte. «Das finde ich schade». Leider verpasste Nachfrage unsererseits, ob das so ist, weil das Fest so wenig einladend ist, oder ob die Leute von sich keine Lust haben auf die Powerswissness rund um das ESAF?

Kann natürlich beides sein. Subjektiv betrachtet ist es nachvollziehbar, wenn man sich hier nicht mitgemeint, folglich irgendwie fehl am Platz fühlt. Jeder Pappaufsteller, jedes Souvenir, zielt so radikal auf eine Ur-und-Überschweiz, dass schnell der Eindruck entstehen kann:

«Das ist alles irgendwie nichts für mich».

Das sagen im Übrigen auch unsere Instagram-Follower*innen, die wir gestern nach ihrer Meinung zum Schwingen fragten. Eine der häufigsten Antworten war: Okayer Sport, seltsames Umfeld. Hier ist Kristiano, wie er seinen Job macht.

Da gehts zu unserem Instagram-Profil.

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Kristiano bei der Arbeit. (Bild: Daniel Faulhaber)
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Feedback auf dem Instagram-Account von Bajour zur Frage, was unsere Follower*innen vom Schwingen halten. (Bild: Screenshot Instagram)

10:30 Uhr – Der Wettkampf läuft.

Und dieses Schwingen, wenn man nochmal mit frischem Blick draufschaut: Es ist schon sehr eigentümlich, was hier abgeht.

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(Bild: Screenshot SRF Sport)

10:00 Uhr – Festakt

Ok-Präsident und Baselbieter SVP-Regierungsrat Thomas Weber wird in einem grünen Oldtimer in die Arena gefahren. In der Platzmitte tanzen Festgruppen in Tracht. Dann hält Weber eine Rede und sagt, die Schweiz sei noch nie so frei und sicher gewesen wie heute, man solle schauen, dass das so bleibt. Dann versagt ihm die Stimme vor Rührung. Im SRF-Regionaljournal ist gleichzeitig vom OK zu hören, am Schwingfest sei kein Platz für Politisches.

Da gings allerdings auch um den Festumzug von gestern und Kritik in den Sozialen Medien am «Z»-Symbol auf einer russischen Tracht. Trotzdem wirds langsam unübersichtlich mit der Haltungsfrage. Ist das hier politisch, ist es das nicht?

Zum Glück gehts bald los im Sägemehl.

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Themeninputs und Hinweise gerne an [email protected] . Twitter: @dan_faulhaber


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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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