Ein verstecktes Juwel
In einem Basler Hinterhof verkauft Sarah Spira Vintage-Kleider. Ihr Konzept ist so erfolgreich, dass sie weitere Filialen in der Schweiz eröffnen konnte. Uns erzählt sie, wie aus einer Idee, um nebenher Geld zu verdienen, ein Business wurde.
Gut versteckt in einem Innenhof in der Sperrstrasse liegt der Vintage Laden «Dream Vintage Collective». Die Türen der ehemaligen Garage sind weit offen für Besucher*innen, einige Regale mit Kleidern stehen draussen. Im Ladeninnern ist der Boden mit Teppichen bedeckt und mitten im Raum steht ein grosses Ledersofa für Shopping-Müde. Es hat aber niemand Platz genommen. Die Kund*innen wühlen alle in den unzähligen Regalen. Es sind meist Jugendliche, teilweise mit ihren Eltern oder Geschwistern, aber auch ältere Herren, die nach Trouvaillen stöbern.
Die Regale sind nach Kleidungsstücken sortiert, in einem Regal hängen Kleider, während im nächsten Hosen baumeln, die Lederjacken findet man draussen. Weiter hinten im Laden befindet sich das Sale-Regal, wo man immer wieder günstige Schnäppchen findet. Überall schillerts und glänzts. Inhaberin Sarah Spira fährt draussen mit ihrem Wagen vor. Zur Begrüssung umarmt sie die Journalistin herzlich und verschwendet keine Zeit, indem sie gleich zu erzählen beginnt.
Vor drei Jahren studierte Spira noch an der Uni Basel Wirtschaft und Psychologie. Um sich Geld dazuzuverdienen, hat sie ihren Kleiderschrank durchforstet und Stücke daraus verkauft. Jeden Sonntag stellte sie neue Kleider online. Das kam gut an. Durch den schnellen Wachstum ihrer Online-Kundschaft investierte sie bald in eine Website, so entstand ein Vorgänger des Michelle-Tamar-Online-Shops, benannt nach seiner ehemaligen Besitzerin, die den Shop dann aber an ihre Stiefschwester Spira weitergab.
Die Nachfrage stieg rasant, so sehr, dass sie das Kleiderlager von ihrem Zimmer in den Keller ihrer Eltern verlagern musste. Als der Platz auch dort zu knapp wurde, mieteten sie auf begrenzte Zeit ein neues Lager in der Rebgasse.
Durch die auf ihrer Website erhobenen Lieferkosten, präferierten viele Leute es, ihr Paket persönlich im Lager abzuholen. Dort fielen den Kund*innen die vielen Kleider auf, der Wunsch nach einem Laden wurde bei den Kund*innen immer grösser. Sarah Spira zuckt mit den Schultern: «Irgendwann dachte ich mir: Warum eigentlich nicht? Und so funktionierte ich mein ehemaliges Lager zu einem Laden um.»
«Ich habe in meinem Zimmer angefangen und heute habe ich zwei Shops in Zürich und Basel und beschäftige sieben Mitarbeiterinnen.»Sarah Spira
Das war im November 2022. «Die Eröffnung war absolut überwältigend», erzählt sie mit einem Lächeln. «Die Kundschaft stürmte nur so in den Laden.» Ihr falle es immer noch schwer, diesen Teil zu fassen. Der Laden lief so gut, dass sie im Juli 2023 eine weitere Filiale in Zürich eröffnete. Stolz sagt sie: «Ich habe in meinem Zimmer angefangen und heute habe ich zwei Shops in Zürich und Basel und beschäftige sieben Mitarbeiterinnen.» Es ist offensichtlich, dass ihr ihre Kolleginnen sehr am Herzen liegen. «Wir sind alle Freunde und verabreden uns auch ausserhalb der Arbeit zu Team Events.»
Zu Beginn öffnete das Geschäft in Basel nur am Samstag. Jede Woche kamen neue Stücke dazu. «Dem Kunden eröffnete sich so jedes Mal eine neue Welt.» Viele hätten aber auch unter der Woche ein spezifisches Teil im Schaufenster entdeckt, das sie dann am Samstag zu ergattern versuchten.
Inzwischen hat Spira die Öffnungszeiten erst auf Donnerstag bis Samstag, dann auf Montag bis Samstag erweitert – auch um Ballungen am Samstag zu vermeiden. Sie seien sowieso vor Ort. Das mache sie zu einem der wenigen Vintage Shops in Basel, die die ganze Woche geöffnet haben.
Am Sonntag sei sie aber nicht untätig. Dann lade Sarah Spira ihre neuen Designs hoch. Manchmal seien es bis zu 120 Stück, sagt sie. Am Montag gehen die Pakete raus, mittlerweile haben sie auch viele internationale Kund*innen. Ihr Fokus liege aber nach wie vor in der Schweiz, versichert sie.
Unter der Woche beschäftige sie sich vermehrt mit Content Creation in erster Linie auf Instagram. Dort zeigt Spira, wie man ihre Kleider kombiniert oder auch zu welchem Anlass man sie auspacken kann. «Es ist wichtig, den Kunden ein Konzept zu vermitteln», ist sie überzeugt. Im Falle ihres Ladens trifft das auf die Mode der 1990er und 2000er .
Hinter jedem Stück stecke extrem viel Arbeit, sagt Spira, da sie alles selbst heraussuche. Sie darf sich bei Vintage-Grosshändlern aus ihren Kartons bedienen. Anders als in einem normalen Vintage-Store, wo sich die Klamotten in so grossen Mengen türmen, dass es schwierig wird, sich ganz durchzuwühlen, nimmt Spira eine Vorselektion vor, bevor die Kleider in ihren Laden wandern. «Dies macht für den Kunden vieles leichter. Die Selektion ist eine intensive Angelegenheit.»
Am wichtigsten sei Spira neben einem guten Zustand das gewisse Etwas, das ein Kleidungsstück einzigartig macht. «Wenn man eine Basic Bluse oder eine simple schwarze Hose sucht, ist unser Shop der falsche Ansprechpartner.» Sie fügt an: «Mit Kleidern kannst du deine Persönlichkeit ausdrücken, sie sollten genauso speziell wie ihre Besitzer sein.»
«Die Leute sind frei in ihrem Kaufverhalten und das ist gut so.»Sarah Spira
Zu Trends vertritt sie eine klare Meinung: «Es ist nicht nötig, Dinge neu zu kaufen. Trends kommen und gehen, deshalb ist es für Vintage-Läden absolut kein Problem, mitzuhalten. Es ist ja schon alles da.» Eine gute Lederjacke kostet neu mehrere hundert Franken, während man eine Vintage-Lederjacke für einiges weniger bekommt. «Und man weiss, dass sie bereits Jahre überdauert hat und dies auch weiterhin tun wird.»
Es brauche halt auch Zeit, die wirklich wertigen Teile zu finden. «Vintage Shopping ist immer auch mit Zeitaufwand und viel Wühlen verbunden», lacht sie. Das entspräche nicht allen. Sie weist es entschieden von sich, jemanden zu verurteilen, nur weil er oder sie nicht Secondhand einkauft. «Die Leute sind frei in ihrem Kaufverhalten und das ist gut so. Natürlich sehe ich in meinem System viele Vorteile, aber mir hat es auch schon immer extrem Spass gemacht, mich durch Berge von Kleidung zu wühlen.» Das Finanzielle spiele dabei auch eine wichtige Rolle. Auch wenn man im Vintage Shop qualitativ hochwertige Kleidung für sein Geld bekomme, könne er halt schon nicht mit extremen Tiefpreisen in günstigen Onlineshops mithalten. Auch deshalb habe sie die Sale-Ecke im Shop eingerichtet, sagt Spira.
Sarah Spira sprudelt nur so vor Enthusiasmus. Nur kurz wird ihr Redefluss von einer Frau unterbrochen, die den Laden betritt und fragt, ob das Interesse am oberen Stock noch besteht. Sarah Spira bejaht energisch. «Jetzt kann ich es wohl nicht mehr geheim halten», sagt sie mit einem Blick zur Journalistin. «Wir bauen aus, der Shop wird in Zukunft auf einen zweiten Stock erweitert.»
Es scheint gut zu laufen. Und Spiras Ausbaupläne beschränken sich nicht auf den Shop in Basel. Neben ihrer zweiten Filiale in Zürich will sie noch mehr Läden eröffnen, «vielleicht in Bern oder auch Genf». Viele Kund*innen kämen extra von dort zu Events, die Spira veranstaltet, wie dem Vintage-Markt Anfang März, an dem es neben den Kleidern auch Musik, Getränke und Tattoos gab.
Dieses Jahr will sie einen ganzen Event-Kalender fürs Jahr machen. Ihre Vision ist klar: «Ich will auch andere lokale Vintage- und Fashion-Shops unterstützen und mich mit ihnen zusammentun.» Allzu konkrete Pläne mache sie sich aber nicht. «Ich bin bis jetzt einfach immer mit dem Flow gegangen», sagt sie gelassen. «Er hat mich bis hierher gebracht und wird mich auch weiter mitnehmen.»
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