Battleground Dreirosenbrücke
Der heftigste Schneefall seit langem kleidet Basel in weiss – doch im 4056 und im 4057 sieht man nur rot: Zeit für das unbarmherzigste und spontanste Kräftemessen der Stadt. Mit Pyros, Feuerwerk und Glühwein wird die Schneeballschlacht zum neuen El Clasico im Basler Norden.
Donnerstag, 18:30: Seit Stunden hat es nicht aufgehört zu schneien. Noch immer fallen dicke Flocken, so viel Munition für eine Schneeballschlacht wie heute hat Petrus Basel schon lange nicht mehr beschert. Perfektere Bedingungen für ein Rematch der Schneeballschlacht auf der Dreirosenbrücke gibt es nicht. Der Aufruf, dass der «ewige Krieg» 4056 gegen 4057 in seine nächste Schlacht zieht, wird zunächst in WhatsApp-Gruppen, dann auf Instagram verbreitet. Um 20 Uhr wissen alle, die es wissen müssen, Bescheid: Um 22 Uhr muss die Ehre des Quartiers verteidigt werden.
22:10: Von beiden Seiten ziehen vermummte, schwarz gekleidete Soldat*innen samt Pyros und Feuerwerken auf die Brücke. Die einen blasten die 4057-Hymne ANRIGO durch die JBL-Box, die anderen führen ein Banner mit der Aufschrift 4056 voran. Die Truppen treffen auf der Grossbasler Brückenseite aufeinander. Die Sicht ist vom Schneefall und dem Nebel der Pyros getrübt, aber die ersten Bälle fliegen im hohen Bogen. Für effiziente Kriegsführung sind einige Beteiligte nur mit dem Formen von Schneebällen und andere mit Werfen beschäftigt. Bald wird klar: Es braucht alle Kräfte in der Artillerie.
22:40: Dieses Mal ist kein Schneefahrzeug der Stadtreinigung unterwegs, das die Kämpfer*innen bei der ersten Schlacht im Januar spontan mit Nachschub versorgte. Also werden Plastikkörbe und Einkaufswagen aufgefahren, um Schnee von ressourcenreicheren Abschnitten der Brücke zum Battleground zu transportieren. Die Kampflinie erstreckt sich über die komplette Breite der Dreirosenbrücke. Die wenigen Autos, die trotz Schneegestöber über die Brücke fahren, müssen wegen der Schlacht anhalten. Die Kämpfer*innen lassen diese erst passieren, nachdem sie den Schnee auf den Autodächern abgegrast haben.
22:50: Auf seinem Heimweg aus dem St. Johann ins Matthäus bemerkt Silas schon von weitem die Menschenmenge auf der Mitte der Brücke – und die Person, die abseits hektisch Schnee in einen blauen IKEA-Sack schüttet. Von der Schneeballschlacht wusste Silas zuvor nichts. «Eigentlich hätte ich die Leute aus dem St. Johann gut von hinten angreifen können. Aber ich habe keine Handschuhe dabei. Da bleibe ich lieber innocent bystander.» Er kann keine klaren Linien erkennbar, so Silas: «Es wird in alle Richtungen geschossen.»
23:20: Betty und ihre Friends aus dem 4057 haben noch vier Flaschen Glühwein von einem Fest übrig. Eine Gaskocher wird in Stellung gebracht und so nimmt die Glühwein-Station ihren Betrieb auf. «Beim nächsten Mal würden wir sicher auch Essen und andere Getränke anbieten, wenn wieder so viele Leute kommen», sagt Betty. Schätzungsweise ein- bis zweihundert Leute sind auf der Brücke. Während manche nun zum gemütlichen Glühwein übergehen wollen, hört das Pressing aus dem St. Johann nicht auf. Doch die Witterung mit schneesturmgleichen Bedingungen wird immer ungünstiger.
Nächster Morgen, 11 Uhr: Offizielle Sieger*innen gab es gestern keine. Aber selbst auf Kleinbasler Seite müssen manche eingestehen, dass man wohl eher 4056 einen Vorteil in dieser Runde überlassen müsste: «Sie haben am Ende nicht aufgegeben, immer weiter gemacht. Und sie haben die Konfliktlinie Richtung Mitte zurückgedrängt», sagt Betty etwas enttäuscht. Die Erkältung, die sich schon am Vorabend angekündigt hat, ist durch die kalte Nacht im Schnee schlimmer geworden. Also: Kräfte schonen – bis zur nächsten Runde.