2025-06-18 Frage des Tages 20Minuten-1

20 Minuten stellt Print ein: ein Verlust?

Die Gratiszeitung 20 Minuten soll es künftig nicht mehr in gedruckter Form geben – man will sich ausschliesslich auf die digitalen Inhalte konzentrieren. «Eine Ära geht zu Ende», heisst es in der Mitteilung des Medienunternehmens TX Group vom Dienstag. Als Gründe werden die «rasch wandelnde Mediennutzung» und «sinkende Erträge im Printgeschäft» genannt. Im selben Schritt werden schweizweit die Regionalbüros von 20 Minuten geschlossen – also auch das in Basel. Was mit den vier Redaktor*innen im Ressort Basel passiert, ist gemäss Onlinereports noch unklar. Die TX Group hatte angekündigt, dass 80 Vollzeit-Stellen gestrichen werden. 20 Minuten gehört seit 1999 als gedruckte «Pendler*innen-Zeitung» zur Medienlandschaft und gehörte für viele zur festen Lektüre auf dem Weg zur Arbeit oder zur Ausbildung.

829 Stimmen
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Ernst Field
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Marcus Denoth
18. Juni 2025 um 09:04

Ambivalent

Inhaltlich kein Verlust, ABER: Wir sehen jetzt, was passiert, wenn Private handeln müssen: Im Zweifelsfall geht man weg von Basel und konzentriert noch mehr in Zürich. Bei einem SRF-Kahlschlag würde dasselbe passieren. Basel würde aufs absolute Minimum heruntergekürzt werden. News werden noch mehr nach dem Motto kommen "Ist es nicht in Zürich geschehen, ist es nicht passiert". Dass weiter am Medienplatz Basel abgebaut wird, eine Katastrophe. Daher: Man soll sich dem immer bewusst sein, wenn man mit einem Ja zur Halbierungsintiative liebäugelt. Ein Ja zur Initiative ist ein ja zu noch mehr Konzentration auf Zürich. dann heisst es auch staatlich: News / TV / Radio aus Zürich für Zürich und ein bisschen Restschweiz.

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Christian Mueller
Aktivist

Jein

Inhaltlich ist es kein Verlust. Sie wurde immer dünner und dünner. Für die Comics musste man noch am meisten Grips aufbringen. Auch Bimaru und Kreuzworträtsel waren toll. TX macht übrigens seit Jahren grosse Gewinne. 20Minuten wurde auch leider immer mehr zu billigem Boulevard (auch online) und biederte sich gerne für politische Hetze an. Ich erwarte mehr von einer 'Zeitung'.

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Johannes Sieber
Grossrat Kanton Basel-Stadt

Alarm!

Wenn nichtmalmehr ein 20Minuten überlebt, sollte uns das zu Denken geben. Die gestrichenen 80 Vollzeitstellen sind ganz bestimmt ein Verlust. Es steht schlecht um den Journalismus. Die kantonale Medienförderung wird dringlicher.

Vinzenz Wyss
Medienwissenschaftler

Der Entscheid, 20 Minuten aus dem Printgeschäft zurückzuziehen war erwartbar und ist angesichts der Trends im Mediennutzungsverhalten nachvollziehbar. 

Die damit verbundene Neuorganisation in Richtung Zentralisierung wird jedoch bedauerlicherweise einen Vielfaltsverlust im Regionalen mit sich bringen und kaum durch Korrespondent:innen kompensiert werden können. 

Wenn der Verlag die freiwerdenden Ressourcen vor allem für die Entwicklung kommerzieller Angebote wie Native Ads oder Ähnliches einsetzen will, so ist es fraglich, ob das Journalistische vom Entscheid profitieren wird. 

Der Einsatz von KI könnte das Journalistische stärken, wenn damit nicht in erster Linie eine Kostenstrategie verfolgt wird. 

Lavinia Besuchet
Soziokulturelle Animatorin & DJane

Senior:innen brauchen ihre Alltagsrituale

Ich beobachte bei meiner sogenannten "aufsuchenden Altersarbeit" auf dem Tellplatz, wie ältere Menschen regelmässig "20 Minuten" abholen (eine Person nimmt sogar drei Exemplare mit, um diese den Nachbar:innen aushändigen zu können) und diese in einem Cafe lesen. Wenn sich eine langjährige Gewohnheit durch äusserliche Umstände plötzlich ändert, ist es wichtig, dass eine adäquate Alternativlösung bereitsteht. Es wäre von Vorteil, wenn in den letzten Print-Exemplaren von 20 Minuten, darüber informiert wird, wie ältere Personen, das analoge Ritual weiterhin pflegen dürfen. Zum Teil können oder wollen sie nicht bei der Digitalisierung mithalten (viele besitzen nicht einmal ein Smartphone oder ein Laptop). Danke "20 Minuten" für eine Lösung, die einen realistischen und sanften Übergang ermöglicht. Die soziale und kulturelle Teilhabe ist ein wichtiges Gut.

Ueli Keller
18. Juni 2025 um 07:08

Alte Strukturen loslassen

Systeme, die zu lange stabil sind, verlernen die Anpassung. Es werden alte Muster perpetuiert. Bis zu unabwendbaren Krisen. Das Ende alter Gewissheiten eröffnet zugleich das Potenzial echter Transformation. Neues Denken und anders handeln. Dies gilt auch für die Medien. In vielen gängigen Systemen erleben wir nicht nur multiple Krisen – sondern auch multiple Chancen. Regeneration beginnt mit dem Loslassen alter Strukturen.

Gabi Mächler
18. Juni 2025 um 09:29

auf Dauer ist nix gratis!

Wie lange die TX Group wohl die BaZ noch gedruckt herausgibt? Je grösser die Medienkonzerne und -konzentration, desto mehr Chancen für kleine Medieninitiativen wie Bajour, sich mit relevantem Lokaljournalismus einen Namen zu machen. Allerdings sind die heutigen Finanzierungsstrukturen völlig verzerrt, wenn der Bund nur die Zustellung von Printmedien unterstützt. Bis eine faire staatliche Medienförderung kommt, bleibt uns nichts anderes übrig, die lokalen Initiativen mit Goodwill und einem Abo oder Gönnerbeitrag zu unterstützen. Und Basel-Stadt könnte als Kanton mal (wieder) Innovationsgeist beweisen und labormässig (ev. komplementär zu anderen zaghaften kantonalen Förderinitiativen) einen Medienförder-Ansatz ausprobieren - Ideen gäbe es viele!

Mütze Kopie 2
Mathis Reichel
Pensioniert, Musiker, Tänzer

Revival des Papiers?

1989 kam das Internet zur Welt, das bald zur Revolution führen sollte mit einem ersten Höhepunkt 2007, dem Touchscream des iPhones. Dies veränderte das menschliche, administrative bis hin zum industriellen Verhalten weltweit, so auch die Presse. Ich lese täglich gedruckte Zeitungen, meine Töchter informieren sich ausschliesslich online. Immer wieder werde ich telefonisch gebeten, eine Zeitung zu abonnieren, was mich jeweils auf die Problematik aufmerksam macht. Weniger Exemplare erzeugen weniger Werbeeinnahmen und umgekehrt, ein Teufelskreis. Die Entwicklung wird in diesem Sinne weiter gehen, die Tage der gedruckten Presse sind wohl gezählt. Influencer haben teils ein Millionenpublikum und dadurch fette Werbeeinnahmen, von denen die herkömmliche Presse nur träumen kann. Umso erstaunlicher ist es, dass Bücher eine Renaissance erleben und sich behaupten können. Kinder in Schweden kehren zu Papier und Bleistift zurück. Vielleicht sind dies Vorboten für einen Revival des Papiers.

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