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Maske tragen - Ja oder Nein?

Das Monster ist zurück

Nach zwei Jahren Pandemie stellt sich die Frage erneut: Sollen wir in der Öffentlichkeit eine Maske tragen?

04/19/22, 04:12 AM

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Unsere Autorin vor zwei Jahren...

Unsere Autorin vor zwei Jahren...

und heute.

und heute.

Es ist März 2022. Ich stehe vor der Tür unserer Kita und fühle mich unwohl. Los jetzt, Türknauf runter und rein, so wie immer. Aber «wie immer» gibt es seit zwei Jahren nicht mehr, auch wenn es nun plötzlich wieder danach aussieht: Die Masken sind weg, kein*e Schweizer*in ist mehr dazu verpflichtet, eine zu tragen.

Ich habe an diesem Tag zum ersten Mal meine Maske zuhause vergessen. Wenn ich ehrlich bin, wars eher so, dass ich in Eile war, draussen noch kurz dran dachte, und dann abwinkte: Ach komm, es gibt keine Pflicht mehr.

Ich erinnere mich an den Kommentar, den ich vor zwei Jahren schrieb, als wir in der Schweiz darüber diskutierten, ob Maske tragen nötig sei. Ich titelte, theatralisch aber aufrichtig, «Das Monster in meinem Gesicht» und fragte mich, wieso wir uns dermassen weigerten, ein Stück Stoff vor Mund und Nase zu tragen. Die Antwort für mich war damals klar: Nichts schreit so sehr CORONA! wie eine Maske im Gesicht. Wer will schon wahrhaben, dass eine globale Pandemie unsere selbstverständlichen Leben durchrüttelt?

Heute, nach zwei Jahren auf dem Boden der Tatsachen, ist jede fehlende Maske in jedem Gesicht eine Erinnerung daran, wie es einmal war und nie mehr sein wird.

«Heute ist jede fehlende Maske in jedem Gesicht eine Erinnerung daran, wie es einmal war und nie mehr sein wird.»

In der Kita ist eine entspannte Stimmung. Kinder rennen herum, Eltern hinterher. Einige tragen Maske, andere nicht. Dasselbe bei den Leiter*innen. «Selbstverantwortung» nennt das der Basler Regierungsrat Lukas Engelberger, es klingt gmögiger als «Durchseuchung». Man – auch ich – nimmt das Wort dankbar an. Es suggeriert Handlungsfähigkeit, etwas, von dem wir in den letzten zwei Jahren viel zu wenig hatten.

Wie Ohrfeigen kamen die Massnahmen, der Shutdown, die geschlossenen Geschäfte, die Nachrichten von Erkrankten, von Toten. Man reagierte so gut es ging, praktizierte Solidarität, hielt zusammen. Die Kraft dafür holte man sich in der Hoffnung: Irgendwann ist dieser Wahnsinn vorbei.

Nur ist das Leben keine Folge abgeschlossener Ereignisse. Jede Erfahrung wächst in die nächste, nichts ist jemals ganz vorbei. Wenn ich jetzt Menschen ohne Maske sehe, dann bin ich nicht erleichtert, dass das Kapitel Covid langsam zu Ende geht. Denn die Maske ist nicht weg. Sie ist umso präsenter, jetzt, wo sie nicht mehr getragen wird.

Verständnis und Frustration

Ich hole die Kinder ab und merke, wie mir jedes maskierte Gesicht ein schlechtes Gewissen macht. Die unmaskierten Gesichter hingegen lösen Verständnis (ja gell, Maske tragen nervt), aber auch Frustration (Masken retten Leben, verdammt!) in mir aus. Ich nehme mir vor, ab jetzt wieder jeden Tag einen Vorrat an Masken dabeizuhaben.

Einen Tag später merke ich: Das Gefühl mit Maske ist nicht automatisch besser.

Als ich im Coop die Rolltreppe hinunterfahre, spüre ich die Blicke. Was soll das? scheinen sie zu fragen, wieso trägt die noch Maske? Ein Mann steht bei den Orangen, schaut mich kurz an, sagt dann leise etwas und schüttelt den Kopf. «Corona ist nicht vorbei, nur weil ihr jetzt alle so tut!» will ich rufen und gleichzeitig sagt eine Stimme in mir: «Sei nicht so dramatisch, du bist doch auch froh, sind die Einschränkungen weg.» Ich laufe am Mann vorbei und bemerke die weissen Stöpsel in seinem Ohr. Er telefoniert.

Viele Widersprüche

Die Frau an der Kasse trägt auch eine Maske. Ich fühle mich ihr verbunden und lächle sie an, was sie natürlich nicht sieht. Als ich wieder nach draussen trete, ziehe ich mir sofort die Maske vom Mund. Keine Sekunde länger wollte ich sie aufbehalten.

Ich rede mir ein, es sei mein Bedürfnis nach frischer Luft, aber wenn ich ehrlich bin, ist es was Anderes. Die letzten zwei Jahre waren hart. Die Schwere zieht sich weiter, jetzt wo auch noch in nächster Nähe ein Krieg stattfindet. Mich gegen die Maske zu entscheiden, macht mich fertig. Aber es gibt mir für kurze Zeit auch ein Stück Unbeschwertheit zurück.

Direkt gefühlte Unbeschwertheit gegen das Wissen, potentiell vulnerable Menschen zu schützen: Was ist mir wichtiger? Vor zwei Jahren noch war meine Antwort eindeutig. Jetzt winde ich mich heraus: Draussen ist die Ansteckungsgefahr gering, ich vertraue meinen Freund*innen, kaum jemand trägt noch Maske, der Gesundheitsdirektor hat gesagt.. Wenn die letzten zwei Jahre mich eines gelehrt haben, dann, dass viele Widersprüche in mir sind. Aushalten und immer wieder neu entscheiden, sage ich mir – und lasse die Maske weg.

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