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Lobbying

Uber krallt sich Basel

Was geht ab, wenn sich ein milliardenschweres US-Startup anschickt, unsere kleine, schöne Stadt am Rhy zu erobern? Ein Blick hinter die Kulissen einer kleinen Lobbyingoffensive, wie sie täglich in den Städten dieser Welt passieren.

Andrea Fopp

01/23/23, 03:58 AM

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Bajour hatte Zugriff auf die «Uber-Files», einer Sammlung von über 120'000 Emails, Notizen und Präsentationen eines ranghohen Uber-Managers.

Bajour hatte Zugriff auf die «Uber-Files», einer Sammlung von über 120'000 Emails, Notizen und Präsentationen eines ranghohen Uber-Managers. (Foto: icij.org)

Wir haben einen Basler-Blick in die «Uber-Files» geworfen und einen Aussenblick auf unsere Stadt entdeckt, der von einem «business-friendly» Polizeidirektor handelt, von «Uber-unterstützenden»-Journalist*innen und «Bulle-Stress» auf unseren Strassen. 

All das beginnt mit einer PR-Agentur, die trotz Stundensatz von 490 Franken nicht liefert, was sie sollte.

«Sorry, dass ich schon wieder zurückkomme auf dieses Thema, aber FARNER liefert nicht wie gewünscht, zumindest in der Westschweiz. Oder seid ihr in Zürich und Basel zufrieden? Immerhin bezahlen wir ihnen 4000 Franken pro Stadt und Monat.»

Auszug aus einer E-Mail-Konversation des Uber-Schweiz-Managements 2015.

Dieses interne Mail stammt vom Uber-Westschweiz-Chef Steve Salom. Wir konnten es lesen, weil es Teil der sogenannten «Uber-Files» ist, die die britische Tageszeitung «The Guardian» zusammen mit dem «International Consortium of Investigative Journalists» veröffentlicht hat. 

Was sind die Uber-Files?

Für die Schweiz hat das Recherchedesk von «Tamedia» die Dokumente ausgewertet, in einer aufwendigen Recherche wird gezeigt, wie ungeliebte Fahrgäste überwacht und Gewalt gegen Uber-Fahrer*innen gezielt eingesetzt worden sein soll, um öffentlich Stimmung zu machen. Und dass der Taxi-Konkurrent von Anfang an genau gewusst haben soll, dass sein Vorpreschen mit Amateur-Fahrern illegal war.

«Wir kamen in die Schweiz und sagten uns: Euer Gesetz ist ein schlechtes Gesetz. Wir werden es ignorieren», sagt der ehemalige Uber-Manager Mark MacGann, gegenüber «Tamedia». Er war es, der die 120’000 internen Dokumente dem «Guardian» weitergegeben hat – weil er die vorgeworfenen Methoden des Unternehmens nicht mehr mittragen wollte. 

Rückblick: Es ist Anfang Dezember 2014, der FCB ist auf dem Weg zum sechsten Meistertitel in Serie und in wenigen Tagen ist die Stadt wegen des OSZE-Ministerratstreffen komplett abgeriegelt. Und Uber plant den Start in Basel für kommende Woche – mit «uberPop», dem günstigsten Angebot der Firma, bei dem jeder Normalo zum Freizeit-Taxifahrer werden kann. 

Das Unternehmen hat lokale Politiker*innen und Journalist*innen auf dem Schirm, die es dafür einspannen will, die öffentliche Wahrnehmung von Uber zu seinen Gunsten zu beeinflussen: «Die CVP und die SVP sind uns positiv gesinnt und wir werden den Chefredaktor der Basler Zeitung (Markus Somm, Anm. der Red.), ein Uber-Unterstützer, kontaktieren, damit seine Zeitung den Start abdeckt», fasst das Uber-Schweiz-Management die Situation zusammen. «Wir kommunizieren es als ‹Pilot-Projekt› im Bereich Fahrgemeinschaft, das hat in Zürich bestens geklappt. Basel hat einen sehr wirtschaftsfreundlichen Sicherheits- und Polizeidirektor (Baschi Dürr, Anm. der Red.) und ist, aufgrund der starken Präsenz globaler Unternehmen, im Allgemeinen sehr unternehmensfreundlich und offen für Innovationen. Zudem arbeiten wir mit einem Nationalrat an einem Pro-Uber-Kommentar für die Lokalzeitung.» 

Welcher Nationalrat das war, geht aus dem Mailverlauf nicht hervor, in der eigens zum Start in Basel von einer PR-Agentur angefertigten «Interessensvertreter-Übersicht» stehen (Handy-Nummer durch Bajour geschwärzt): 

Wen ruft man an, wenn es Probleme gibt? Uber hat sich akribisch auf den «Launch» in Basel vorbereitet.

Wen ruft man an, wenn es Probleme gibt? Uber hat sich akribisch auf den «Launch» in Basel vorbereitet. (Foto: «The Guardian»)

Der grosse Tag: Uber erobert Basels Strassen

Am 11. Dezember 2014 ist es so weit, die ersten Uber-Fahrer*innen bieten ihre Dienste an und der Medienrummel ist gross, «Umstrittener Taxidienst Uber jetzt auch in Basel» schreibt «20 Minuten», eine Tageswoche-Journalistin berichtet über «Meine erste Uber-Fahrt» und die «bz» belässt es bei acht trockenen Nachrichten-Zeilen. Und die BaZ mit ihrem «Uber-unterstützenden Chefredaktor»? Sie liefert einen Titel, der Uber gefallen haben mag:

So berichtete die «Basler Zeitung» am Tag nach dem Uber-Start.

So berichtete die «Basler Zeitung» am Tag nach dem Uber-Start.

Wie prognostiziert, kann Uber monatelang widerstandslos schalten und walten. Doch anders als das auf maximales Wachstum getrimmte Unternehmen es erwartet, ist der Zuspruch anfänglich bescheiden. Im Frühling 2015, drei Monate nach dem Start, werden an den meisten Tagen unter 100 Fahrten durchgeführt. Das Management schreibt intern: «Wir haben Probleme, Fahrer zu finden», «23 Prozent weniger Fahrten», «einige Verbesserungen, aber auf kleiner Basis». Zwei Peaks gibt’s: die «Baselworld» und die Basler Fasnacht.

Gegenwind auf politischer Ebene

Am 7. Januar 2015, einen knappen Monat nach dem Start,  reicht FDP-Grossrat Stephan Mumenthaler eine Schriftliche Anfrage «betreffend Uber als Pseudo-Taxi» ein. «Wie wird sichergestellt, dass die Fahrer des Uber-Dienstes tatsächlich nicht berufsmässigen Personentransport betreiben?», lautete eine der Fragen. 

Die Anfrage ist den Uber-Managern nicht entgangen. «In Basel müssen wir uns mit Stephan Mumenthaler (Grossrat der Liberalen) beschäftigen (Mumenthaler ist in Wahrheit Mitglied der FDP, Anm. der Redaktion).» Gemäss Uber-Files ist es zu einem Treffen gekommen, Mumenthaler habe «schwierige Fragen zu UberPop gestellt» und sei pessimistisch bezüglich einer allfälligen Abstimmung, heisst es in einer Mail vom Juni 2016.

Mumenthaler bestätigt heute gegenüber Bajour, dass ein einmaliges Gespräch stattgefunden habe. Er habe Fragen zu den unregulierten Bereichen (vor allem Uber Pop) gestellt und sie hätten ihm ihre Modelle vorgestellt. 

In eine ähnliche Richtung gehen auch spätere Gespräche mit dem damaligen Justizdirektor Baschi Dürr. «Die Regierung wünschte sich, dass UberPop aufhört, weil dieses Modell keine Fahrtenschreiber vorsah und sich legal im grauen Bereich bewegte», sagt er heute rückblickend gegenüber Bajour. Mittlerweile gibt es diesen nichtberufsmässigen Transport UberPop nicht mehr, Mumenthaler und Dürr waren zufrieden. Ein Gegendeal sei kein Thema gewesen, sagt Dürr, «und ich habe auch keine Weinflaschen oder Salamikörbe bekommen». Das Lobbying vonseiten Uber sei eher bescheiden gewesen. 

2016 beschliesst Uber, mehr Zeit und Ressourcen dafür einzusetzen, Uber in Basel beliebter zu machen. Dafür werden wiederum gezielt Opinion Leaders angegangen. Das Management schreibt: «Basel wird an der Informationsfront etwas mehr Aufmerksamkeit brauchen. Daher werden wir versuchen, uns in den nächsten Monaten mit Leuten aus Wirtschaft und Politik zu treffen (runde Tische o.ä.).» Ganz oben auf der Liste steht plötzlich ein neuer Name, der hier Sandro Meier heissen soll. Der Politiker sei selbst Uber-Fahrer, und ein «grosser Uber-Unterstützer», heisst es.

Hoi, ich bin Andrea Fopp, Chefredaktorin von Bajour und ich freue mich, dass du diesen Artikel bis hier gelesen hast. Kennst du schon das Inside-Bajour-Mail? Wenn du dich registrierst, dann schicken wir dir einmal pro Monat ein Update mit unseren besten Recherchen und darüber, was sonst noch so passiert bei unserem Medien-Startup. Hier kannst du dich anmelden. Oder aber du kannst uns finanziell unterstützen, indem du mit der Twint-App diesen QR-Code scannst.

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Ein Fall aus Genf, den der Tamedia-Desk recherchiert hat, zeigt: Uber soll die App-Nutzung von Politiker*innen überwacht haben. So etwa beim Stabschef des Genfer Sicherheitsvorstehers Pierre Maudet (FDP), der gemäss interner Mails «die Uber-App hunderte Male geöffnet hat, ohne eine Fahrt zu unternehmen», worauf ein anderer Manager darauf hinwies, dass die App auch so eingestellt werden könne, dass sie keine verfügbaren Autos anzeige.

Woher das Uber-Management das weiss, ist unklar. Meier selbst sagt auf Anfrage: «Ich habe nie öffentlich gemacht, dass ich für Uber arbeite.» Und umgekehrt habe er der Firma seine Parteimitgliedschaft nicht mitgeteilt. Er sei damals mit zwei unterschiedlichen Profilen in der Uber-App registriert gewesen, sagt er. Einmal als Fahrer, einmal als Kunde.

Meier selbst stellt allerdings klar: «Ich war nie Uber-Unterstützer.» Im Gegenteil: Er habe herausfinden wollen, wie Uber arbeite. Und zwar am eigenen Leib. Was er sah, gefiel ihm nicht: Wegen den damaligen Arbeitsbedingungen und der fehlenden Kontrolle, beispielsweise, wie lange ein UberPop-Fahrer unterwegs ist.

Das Management habe ihn mehrmals zu Gesprächen eingeladen. Er habe dann angefangen, kritische Fragen zu stellen. Und plötzlich sei, wie aus dem Nichts, ein national bekannter Politiker auf ihn zugekommen und habe ihn ermahnt, er solle aufhören, Uber zu schaden. Ohne Erfolg, sagt Meier : «Die Fahrer müssen von ihrem Job leben können. Wer nur im Büro sitzt, weiss das nicht.»

Auch bei Gewerkschaften wie der Unia landet Uber auf dem Radar. Sie werfen der Firma vor, sie bedrohe mit ihren Arbeitsbedingungen und Preisen das herkömmliche Taxigewerbe. Uber passt das nicht. Also nehmen sie im Jahr 2016 Journalist*innen mit einer neuen Geschichte ins Visier. Storyline: Uber macht auch etwas für die Taxifahrer*innen. Und zwar mit dem etwas teureren Fahrdienst UberX, der nur für Personen mit Fahrbewilligung, also auch Taxifahrer*innen, zugelassen ist.

Diese Story versucht Uber, bei verschiedenen Zeitungen zu platzieren. Dokumente zeigen, wie Uber den damaligen Chefredaktor der AZ-Medien («bz Basel») am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos kontaktiert. Das Unternehmen hat die Zeitung vorher genauestens analysiert. In einem Memo zum Treffen steht: «Der Ton der Zeitung hat sich verbessert, die Berichterstattung wurde neutraler, dennoch ist die Bedrohung der Taxifahrer im Zentrum aller Artikel.» Der Interessensvertreter am WEF ist beauftragt, auf die Vorzüge von UberX hinzuweisen, mit dem professionelle Fahrer*innen Wartezeiten vermindern und zusätzliches Geld verdienen könnten.

Derselbe Inhalte sollte in Basel eine namentlich genannte BaZ-Journalistin verbreiten, ein Uber-Mitarbeiter werde ihr anlässlich der Lancierung des Uber-X-Dienstes ein ausführliches Interview anbieten, heisst es in den internen Mails. Den Artikel verfasste schliesslich eine andere Mitarbeiterin, auch hier dürfte Uber zufrieden sein: «Fahren statt warten», lautet einer der Zwischentitel.

«Fahren statt warten»

«Fahren statt warten»

Der ehemalige BaZ-Chefredaktor Markus Somm bestätigt gegenüber Bajour, dass es zu einem Gespräch gekommen sei. «Ich fand Uber schon damals sehr gut, und das habe ich auch gesagt.» Er habe die Leute von Uber aufgefordert, ihren Standpunkt darzulegen.

Danach stellte Somm den Kontakt zur Redaktion her. Die Artikel selbst schrieb dann die damalige BaZ-Redaktorin Nadine Brügger in Eigenregie, wie sie sagt. Ohne Anleitung von oben. Unter seinen Mitarbeiter*innen gilt Somm als Chef mit einer klarer Haltung, die er auch seinen Angestellten zugesteht.

«Bullestress» auf Basler Strassen

Die meisten E-Mails in den Uber-Files zu Aktivitäten in Basel gingen an einen kleinen Kreis von Uber-Managern. Das Mail vom 19. März 2015 mit dem Betreff «Dringend» hingegen gelangte nachweislich mindestens bis zum Geschäftsführer Westeuropa, Pierre-Dimitri Gore-Coty. «Zu deiner Info, mehr ‹Police Heat› in der Schweiz», informiert ihn ein Uber-Manager über einen Zwischenfall auf den Basler Strassen. Ein Fahrer berichtete, dass er mit Fahrgästen im Auto von einer Polizei-Routinekontrolle gestoppt wurde. Nach Mitternacht habe er einen Anruf erhalten, dass er sich auf dem Polizeiposten zeigen und die Verträge offenlegen müsse.

Was Uber dem Fahrer antwortete, ist nicht klar – die interne Bearbeitung des Falls hingegen schon: «Wir müssen mit dem Fahrer in Kontakt treten und ihm klare weitere Schritte vorgeben, bevor er selbst aktiv wird», schreibt der Manager. Und als Frage für den Rechtsdienst: «Kann uns das im Vorfeld der ‹Basel World› in ernsthafte Probleme bringen und die vier geplanten Events mit Tesla gefährden?»

Hier endet dieser Ausflug ins Top-Management eines aufsteigenden Tech-Giganten. Ziemlich abrupt, genauso wie die Karriere des Uber-Managers Mark MacGann, der Whistleblower hinter den Uber-Files. Er verliess die Firma im Februar 2016 und damit enden auch seine Aufzeichnungen zu diesem Zeitpunkt. So auch dieser Blick hinter die Kulissen einer kleinen Lobbyingoffensive, wie sie täglich in den Städten dieser Welt passieren.

Es bleibt anzumerken, dass Uber gegenüber Tamedia festgehalten hat, dass in der Anfangszeit Fehler gemacht wurden. Allerdings habe man das Geschäftsmodell in den letzten Jahren «grundlegend verändert» und an den Schweizer Regulierungsrahmen angepasst. Auch der Einsatz von Werkzeugen zur Überwachung einzelner Nutzer sei bereits 2017 eingestellt worden, heute verfüge das Unternehmen über strenge Datenschutz- und Sicherheitsrichtlinien.»

Farner schreibt, dass das Unternehmen Uber seit 2014 im Umgang mit den ungeklärten Fragen zum Schweizer Rechtsrahmen zur Plattformbeschäftigung unterstützen. Es gehöre es zum Wesen der Demokratie, Firmen gegenüber dem Gesetzgeber und Behörden versuchen, ihre Interessen wahrzunehmen. Zu den konkreten Aussagen äussert sich Farner nicht. Fakt sei, dass Farner Uber bis heute unterstütze.

Die Uber-Files wurden aufbereitet und zur Verfügung gestellt von: «International Consortium of Investigative Journalists» und «The Guardian». Beide Organisationen sind auf Unterstützung angewiesen – hier kannst du spenden: icij.org/donate / guardian.com/contribute.

Hier verabschiedet sich Mark MacGann – er habe 3000% für Uber gegeben, jetzt sei er weg. Sein Desktop zeugt vom grossen Einsatz

Hier verabschiedet sich Mark MacGann – er habe 3000% für Uber gegeben, jetzt sei er weg. Sein Desktop zeugt vom grossen Einsatz

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