Altes Nest in neuem Glanz
Brockis sind Trend. Aber stundenlang die Regale in muffigen Hallen absuchen? Das geht anders, fand Manu Cuorad und eröffnete den 2ndLife Store.
Am altehrwürdigen Haus zur Krähe in der Spalenvorstadt hängt ein Flyer: «Pop Up Store». Die knallige rote Schrift beisst sich mit der verblassten grünen Fassade. Der Kontrast könnte kaum grösser sein. Da scheint sich etwas Neues im Alten eingenistet zu haben. Ein fremder Vogel? Zeit ihn kennenzulernen.
Keine Vögel, dafür bunte Larven und Kostüme erwarten uns bei unserem Besuch vor der Fasnacht. Daneben steht Geschäftsführerin Manu Cuorad und heisst uns willkommen im 2nd Life Store in der Spalenvorstadt 13. Ein zweites Leben erhalten hier Stühle, Schränke, Bilder und alles andere, was man nicht ins Grab nehmen kann. So eben auch Goschdym, Blaggedde und Laarve.
Hier im Haus zur Krähe werden sie von Manu Cuorad zu einem neuen Wohnzimmer hergerichtet. In der Mitte ein gläserner Kaffeetisch, flankiert von zwei hölzernen Sesseln, wo wir gleich Platz nehmen werden. Vis-à-vis eine antike Kommode, ein goldgefasster Spiegel, nebenan eine Bilderwand und eine kleine Kamerasammlung.
All das kam bei Räumungen zusammen. Unter dem Firmennamen Fairräumen bietet Manu Cuorad «Haushaltsauflösungen mit Herz» an. Statt dass alles im Sperrgut landet, gibt sie den Hinterlassenschaften eine zweite Chance. «Mir ist das wichtig. Zu vermitteln: Alt ist nicht immer Grümpel.» Das müsse man auch den Angehörigen immer wieder klar machen. Doch wenn sie die vermeintlich alten Gegenstände im neuen Glanz hier im Laden sehen, macht es sie stolz. «Dann haben sie Freude an dem, was ihre Liebsten hinterlassen haben.»
«Schlussendlich ist mir wichtig, dass ich möglichst viel verkaufen oder weitergeben kann und wenig entsorgen muss.»Manu Cuorad
Die Räumungsarbeit erledigt Manu Cuorad grösstenteils alleine. Vieles verkauft sie direkt online und lässt es vor Ort abholen, damit sie den Transportaufwand minimieren kann. Was übrig bleibt, bringt sie mit dem Lastenvelo in ihren Laden. Die Nachhaltigkeit liegt ihr am Herzen. Möglichst viel Ware soll den Weg zurück in den Güterkreislauf finden. Sie räumt deshalb nicht nur, sondern reinigt, streicht und repariert auch.
Als gelernte Schreinerin ist das für sie eine Kleinigkeit. So wird aus einem gebrochenen Hocker ein funktionstüchtiger Klavierstuhl oder aus einer abblätternden Kommode ein frisch gestrichenes Möbel. Der Aufwand variiert von Stück zu Stück. Sie müsse schon schauen, ob es sich lohne, meint Manu Cuorad. «Schlussendlich ist mir wichtig, dass ich möglichst viel verkaufen oder weitergeben kann und wenig entsorgen muss.»
Nicht nur was glänzt, soll ein neues Heim finden. In diesem Ansatz vereinen sich zwei Leidenschaften der Geschäftsführerin. «Das Nachhaltigkeitsding und alte Sachen haben mich schon immer interessiert», verrät sie. Mehr Persönliches ist aber schwierig aus ihr herauszulocken. Sie spreche nicht gerne von sich, stelle sich nicht gerne in den Vordergrund. «Ich zeige lieber die Dinge.»
Seit vergangenem Dezember macht sie das im physischen Laden in der Spalenvorstadt. Zuvor verkaufte Manu Cuorad fast alles online, jetzt noch etwa die Hälfte. Was sie auf diesem Weg nicht verkaufen kann, kommt in den Laden oder wird gespendet, zum Beispiel an den Verein Soup&Chill.
Früher musste Manu Cuorad mehr an Brockenhäuser abgeben, als sie selbst noch keine Ladenfläche hatte. Nun verkauft sie diese Ware in ihrem eigenen Geschäft. Ob sie preislich mit Brockenstuben mithalten kann, weiss sie nicht genau. Sie höre aber oft die Rückmeldung, ihre Preise seien sehr fair. «Zwei Mal haben mich Kundinnen sogar hochgemärtet, weil sie meinen Preis zu tief fanden.»
Dass sie sich im Haus zur Krähe einnisten durfte, war reiner Zufall. Zuerst war nur ein Pop-Up-Store bis im März geplant. Nun darf sie aber doch länger bleiben. Sie freut sich. Die Eröffnung des Ladenlokals habe sich positiv auf ihr Geschäft ausgewirkt. «Jetzt habe ich Laufkundschaft. Das hatte ich zuvor nicht.»
Mit ihrem Laden zieht sie sehr unterschiedliche Kund*innen an. Menschen von reich bis arm würden bei ihr vorbeischauen. «Ich habe halt schon auch Stücke, wo man schnell tausend Franken ausgeben muss.» Es kämen aber auch andere Kund*innen, die auf Schnäppli-Jagd seien. «Die fragen dann, ob sie etwas, das mit fünf Franken angeschrieben ist, auch für drei haben können.» Im 2ndLife Store werden beide fündig.
«Mein Mann und ich sind beide berufstätig. Deshalb muss ich in meiner Situation nicht schauen, dass es für den Lebensunterhalt reicht. Cool wäre es aber.»Manu Cuorad
Ihre Kund*innen seien die besten, fügt sie stolz an. «Sie kommen teilweise zurück, nur um zu berichten, wie viel Freude sie an ihren Käufen haben.» Und: «Bis jetzt läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda. Das freut mich, denn das heisst ja, ich mache es gut», ist Manu Cuorad überzeugt. Trotz florierendem Geschäft, könne sie aber momentan nicht davon leben. «Ich stehe ja noch am Anfang.» Aktuell sei das jedoch auch nicht nötig. «Mein Mann und ich sind beide berufstätig. Deshalb muss ich in meiner Situation nicht schauen, dass es für den Lebensunterhalt reicht. Cool wäre es aber.»
in der Spalenvorstadt 13 hat jeweils Mittwoch bis Freitag von 14 bis 18 Uhr sowie Samstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite.
Während des Gesprächs betritt der Nachbar den Laden. Er gehe zur Post. Manu Cuorad zuckt auf und drückt ihm einen frankierten Brief in silbernem Couvert in die Hand. «Den hat eine Kundin 1973 ihrem Vater geschrieben und er hat ihn bis zu seinem Tod aufbewahrt.» Gefunden hat sie ihn beim Räumen eines Schranks. «Jetzt schicke ich ihr den Brief zurück.» Dabei handelt es sich nicht nur um ausserordentlichen Kundenservice, sondern vielmehr um eine Leidenschaft für die alten Dinge und ihre Geschichten.
Manu Cuorad blüht auf. Sie führt durch den Laden, erklärt den Hintergrund einer alten Blaggedde, erzählt den Ursprung eines Gemäldes und fachsimpelt über Leim mit siebenfachem Ausdehnungsfaktor. «Das ist wahrscheinlich langweilig für viele, aber ich finde das spannend», ergänzt sie lachend. Sie fühlt sich sichtlich wohl in diesem sich wandelnden Wohnzimmer.
Ob sie irgendwann ausfliegen und sich woanders einnisten muss, ist noch nicht klar. Generell scheint ihre Zukunft offen. Auch weil sie sich erst noch an die Selbständigkeit gewöhnen muss. «Ich hätte nie gedacht, dass ich je ein eigenes Geschäft habe oder dass ich Chef werde.» Eines strebt Manu Cuorad zukünftig dennoch an. «Ich möchte noch viel mehr lernen und wissen. Es gibt so viel», meint sie mit Blick auf ihren vollgepackten Laden. Die Einrichtung wird sich bis dahin wohl noch ein paar Mal verändern.
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