Geht's den Catcaller*innen bald an den Kragen?

Die Jungparteien Basel-Stadt äussern sich in einer gemeinsamen Medienmitteilung zur Revision des Sexualstrafrechts. In der Mitteilung fordern sie einstimmig: In Zukunft sollen Catcaller*innen bestraft werden.

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Catcalls of Basel, die Jungparteien beziehen sich unter anderem auf diesen Instagram-Account: https://www.instagram.com/catcallsofbsl/ . (Bild: catcallsofbsl / instagram)

Die Basler Jungparteien sind sich einig: Es braucht einen besseren Schutz vor verbaler sexueller Belästigung. Heute ist es so, dass das Gesetz nur dann vor sexualisierter verbaler Gewalt schützt, wenn sie in «grober Weise» erfolgt.

«Somit gibt es einen grossen Bereich der sexualisierten Kommunikation, der abstossend, unanständig und unangenehm, aber nicht strafbar ist.» schreiben die Jungpolitiker*innen in einer gemeinsamen Medienmittleilung. Das soll geändert werden. Catcaller*innen, die Menschen auf der Strasse belästigende Sprüche nachrufen, sollen bestraft werden. 

«Wenn es nach uns gehen würde, soll Catcalling mit einer Busse bestraft werden», erklärt Kilian Winkler, Präsident der jungen Mitte Basel-Stadt. Die Betrag soll auf 100 Franken oder höher angesetzt werden. Dem stimmt auch Nino Russano, Präsident der JUSO Basel-Stadt zu, aber wie das konkret aussehen soll, müsse noch differenziert ausgearbeitet werden.

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Ein Ausschnitt aus der Medienmitteilung der Jungparteien.

Der Kern der Revision des Sexualstrafrechts ist aber ein anderer. Und an dem scheiden sich die Jungparteien. Wieviel Zustimmung braucht es vor dem Sex, damit der als einvernehmlich gilt? Die Junge SVP Basel-Stadt, die Jungfreisinnigen Basel-Stadt und die Junge Mitte folgen dabei dem Vorschlag der Basler Regierung. Sie erachten den neu geschaffenen Tatbestands des «sexuellen Übergriffs» als zielführend und sind somit weder für das «Nein-heisst-Nein»-Prinzip noch für das «Ja-heisst-Ja»-Prinzip (mehr dazu weiter unten). Die Begründung des Junge Mitte Präsidents Winkler: «Wir wollen keinen Vertrag daraus machen. Ausserdem spricht das gegen das fundamentale Grundprinzip ‹in dubio pro reo›.» 

Beim «Ja heisst Ja»-Prinzip - also dass man vor dem Sex um Erlaubnis fragt - würde die Beweislast auf den*die Beschuldigte*n abgewälzt, meint der Jungpolitiker. Neu müsste er*sie vor Gericht beweisen, dass er*sie nichts falsch gemacht habe. Heute ist es so, dass die Staatsanwaltschaft nachweisen muss, dass der*die Beschuldigte einen Grenzüberschritt begangen hat.

Um das geht es bei der Revision des Sexualstrafrechts

Die Rechtskommission des Ständerats hat verschiedene Änderungen im Sexualstrafrecht vorgeschlagen und zur Stellungnahme bis zum 10. Mai 2021 freigegeben. Das jetzige Sexualstrafrecht stammt von 1990. Zentral sind dabei zwei Änderungen:

  • Erstens soll ein neuer Tatbestand eingeführt werden: der «sexuelle Übergriff».  Überhört ein*e Täter*in heute “nur” ein Nein oder nonverbale Ablehnungsversuche bei sexuellen Handlungen, gilt die Tat lediglich als sexuelle Belästigung, neu würde es als sexueller Übergriff gelten. Die Strafe liegt hier bei bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe. Was die Rechtskommission des Ständerats hingegen nicht ändern will, ist, dass als Vergewaltigung ein Fall nur gilt, wenn das Opfer unter psychischem oder physischem Druck zu sexuellen Handlungen gezwungen wird, ein überhörtes Nein, dass neu als sexueller Übergriff gelten soll, reicht da nicht. 
  • Zweitens soll «Cybergrooming» besser bekämpft werden. Dabei geht es um Erwachsene, die online mit Kindern Kontakt aufnehmen, um einen sexuellen Missbrauch vorzubereiten. Solche «Vorbereitungshandlungen» sollen künftig mit einer Busse bestraft werden können. Ausserdem soll der sexuelle Missbrauch von Kindern unter 12 Jahren bei bestimmten Tatbeständen eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr gelten. Auf der anderen Seite soll das Weiterverbreiten und der Besitz von pornographischem Material unter Jugendlichen unter gewissen Umständen straflos bleibt, damit diese nicht unnötig kriminalisiert werden. 

Einige Kantone gehen bereits weiter in ihren Forderungen nach einer Revision des Sexualstrafrechts als der Ständerat und fordern das sogenannte «Ja-heisst-Ja»-Prinzip. Das bedeutet, dass Sex nur mit deutlicher verbaler Zustimmung legal ist. Beinahe alle Westschweizer Kantone, Zürich, aber auch konservative Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden unterstützen dieses Prinzip. Auf nationaler Ebene unterstützen SP, Grüne und Grünliberale diesen Weg, während sich die SVP dagegen ausspricht, die Mitte keine Stellung dazu beziehen will und die FDP zwar das «Nein heisst Nein»-Prinzip unterstützt, aber offen ist für eine Diskussion. 

«Gerade das Beispiel Schweden zeigt es: Das «Ja heisst Ja»-Prinzip ist ein gangbarer und guter Weg», entgegnet Nino Russano. Konsens sei unglaublich wichtig, und da gehöre eine klare Zustimmung dazu. «Auch wenn es einigen am Anfang vielleicht befremdlich ist», so Russano. Hinter diesem Ansatz steht nicht nur die Juso, sondern auch das junge Grüne Bündnis und die *jevp. 

Die Jungliberalen und die jungen Grünliberalen folgen einem noch anderen Ansatz: Das «Nein-heisst-Nein»-Prinzip. Sie möchten, dass der Vergewaltigungsbegriff von der Voraussetzung der physischen oder psychischen Nötigung befreit wird und so auch ein überhörtes Nein, ob verbal oder physisch, als Voraussetzung für eine Vergewaltigung gilt.

Die Stellungnahme der Jungparteien geht an die Rechtskommission des Ständerats, welche das Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Sexualstrafrechts im Februar 2021 gestartet hatte und auch an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt und deren Vorsteherin Stephanie Eymann (LDP). Die Forderungen der Jungparteien sollen in der Antwort des Kantons an den Ständerat aufgenommen werden. 

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