Dieser Börsentipp ist schlecht gealtert
App installieren, Credit-Suisse-Aktien kaufen – wer jetzt nicht aufspringt, ist selber schuld. Diesen Eindruck konnte ein «20 Minuten»-Artikel vom Freitag erwecken. Nun, es kam anders. Ein Lehrstück über Investment-Banking.
«Die Aktien der Credit Suisse sind gerade so günstig, dass ich zugeschlagen habe!» Das sagte eine 29-jährige Frau am Freitag zu «20 Minuten». Sie habe die Wertpapiere mit der Smartphone-App «Yuh» gekauft und habe vor, mit dem Gewinn eine Nacht im Luxushotel Plaza Athénée in Paris zu verbringen oder sich eine Handtasche zu kaufen.
Der Artikel geht durch die Decke, über 500 Mal wird er via Whatsapp verschickt oder auf Social Media gepostet. Via Kommentarspalte schalten sich weitere selbsternannte Börsenexpert*innen ein: «Ein Totalschaden kann man fast ausschliessen, entweder geht der Kurs in Richtung 10 bis 20 Franken oder die CS wird übernommen und es werden zwei bis drei Franken pro Aktie geboten», schreibt ein anonymer User. «Jetzt nicht kaufen, wäre naiv», schreibt ein anderer. Und ein Dritter hänselt: «Ihr kommt zu spät, vorgestern wäre der Moment gewesen.»
Doch,weder am Freitag noch zwei Tage zuvor war der Moment, wie wir seit der Medienkonferenz des Bundesrates von Sonntag wissen: Die UBS übernimmt die Bank für drei Milliarden Franken, das sind 76 Rappen pro Aktie, selbst wer zum idealsten Zeitpunkt gekauft hat, verliert über die Hälfte.
Markus Schwab, CEO der Schweizer Finanz-App Yuh, sagt: «Interessanterweise gehört die Credit-Suisse-Aktie seit Lancierung unseres Angebots vor knapp zwei Jahren immer zu den fünf meist gehandelten Titeln.» Ein Run auf die App oder auf CS-Papiere in den letzten Tagen habe es hingegen nicht gegeben. Yuh wachse stetig und habe mittlerweile über 100’000 aktive Yuhser*innen, doch für kurzfristiges Trading sei die App nicht konzipiert. «Die meisten neuen Nutzer*innen investieren auch nicht sofort, sondern machen sich zuerst vertraut mit den Möglichkeiten.»
Besser gealtert als die Kaufempfehlung für die CS-Aktie scheinen diese fünf Anlagetipps der Basler Kantonalbank, erschienen 2021 im Kundenmagazin. Fazit: «Hektisches Trading lohnt sich meistens nicht, auch wenn Anbieter von Börsen-Apps das Gegenteil vorgaukeln, indem sie mit Push-Nachrichten über steigende Aktien zum Handeln anstacheln». Wenn investieren, dann so:
- Hohe Gewinne sind mit einem hohen Risiko verbunden. Immer. Deshalb bleiben Sie bescheiden und realistisch.
- Je langfristiger der Anlagehorizont, umso besser. Ein langer Zeithorizont verkleinert bei risikoreichen Anlagen – wie z.B. Aktien – die Gefahr von Verlusten.
- Den optimalen Einstiegszeitpunkt gibt es nicht. Deshalb lohnt es sich, gestaffelt über die Jahre verteilt zu investieren.
- Nicht alles auf eine Karte setzen, sondern das Risiko verteilen. Mit einem Fonds kann das Risiko auch bei einem kleinen Investment breit gestreut werden.
- Träume erfüllen sich nicht über Nacht. Auch nicht der vom schnellen Geld.
Zurück zu den Börsentipps, hier hat der Wind gedreht, die Frage lautet nun: Soll man jetzt UBS-Aktien kaufen? Die Handelszeitung rechnet vor: Wenn die UBS drei Milliarden bezahlt für eine Bank, die am Freitag noch acht Milliarden wert war, entspricht das einem Wertzuwachs von fünf Milliarden oder rund 10 Prozent pro UBS-Aktie.
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