Frau*MachtPolitik – Das sind die Antworten der Kandidierenden kurz vor der Wahl 

Manche hatten was zu sagen, andere schwiegen lieber. Die Rückmeldungen auf unseren Fragekatalog «7 Frauen*, 7 Wünsche» sind da.

Mitten im Wahlkampf gehört die Bajour-Bühne keinen Politiker*innen, sondern sieben unterschiedlichen Frauen* ohne parteipolitische Ambitionen.

Es war ein Experiment: Mitten in der heissen Phase des Wahlkampfes haben wir, die Bajour-Redaktion, den Scheinwerfer umgedreht und anstatt den kandidierenden Politiker*innen die Bevölkerung ins Scheinwerferlicht gerückt. Sieben Frauen*, sieben Schicksale: Was bedeutet für sie Frau*-sein in Basel? Und welche Bedürfnisse an die Politik leiten sie daraus ab?

Diese Fragen haben wir ihnen, gemeinsam mit unserem Publikum, an einer Pitch-Night Ende September, gestellt. Wir wollten damit nochmal ein Thema aufgreifen, dass in diesem sehr politischen Jahr 2019 für heftige Debatten sorgte: Frauen*politische Anliegen und Gleichstellungsfragen.

Wir haben die Wünsche aufgeschrieben und per Mail an 102 Basler Nationalratskandidierende geschickt. Stunden später trafen bereits die ersten Antworten ein. Hier sind sie.

Sie lesen im Folgenden jeweils zuerst den Wunsch. Und dann die Reaktionen der Basler Politik:

Pauline Lutz, Gymnasiastin und Klimaaktivistin
«Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft Mädchen und Frauen zuhört und gleich ernst nimmt, wenn sie sich politisch äussern. Und dass Frauen mehr zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen.»
Pauline Lutz, Gymnasiastin und Klimaaktivistin
  • RE: Mehr Gehör für Frauen

Sarah Wyss, Liste 5, SP, neu. «Diesen Wunsch habe ich auch. Aber leider ist es noch keine Realität. Wir Frauen müssen zusammenstehen – Frauensolidarität ist sehr wichtig. Denn wir leben noch immer in einer männerdominierten Gesellschaft. Frauen sind kompetent, sind engagiert. Dennoch wird uns weniger zugetraut. Wir müssen in allen Bereichen der Gesellschaft – also auch in der Politik – Spitzenpositionen einnehmen, um damit zu zeigen, dass wir es können – und dass man uns bitteschön ernst nehmen soll.»

Thomas Kessler, Liste 1, FDP, neu. «Das muss selbstverständlich so sein; überhaupt sollen alle ernst genommen werden. Oft kommen die Impulse von unerwarteter Seite.»

Daniel Seiler, Liste 1, FDP, neu. «Ein respektvoller Umgang und Gleichbehandlung sind für mich selbstverständlich.»

Beat Jans, Liste 5, SP, bisher. «Danke für das Anliegen, Sie haben Recht. Als Vater zweiter Töchter fordere ich vehement das Recht von Mädchen und Frauen auf gleichberechtigte Teilnahme an der Gesellschaft, an der Politik und am Berufsleben.»

Christian Egeler, Liste 1, FDP, neu. «Eigentlich eine Selbstverständlichkeit; wenn ich dies an einer Diskussion feststelle, würde ich mich dagegen einsetzen.»

Beatrice Isler, Liste 36, CVP 60+, neu. «Ganz ehrlich! Das wünsche ich mir auch!»

Oliver Thommen, Liste 8, Bündnis Grüne Basta! jgb, neu. «Ich bin dafür, dass es nicht nur in Basel-Stadt eine Geschlechterquote für staatliche Institutionen gibt und private Organisationen verpflichtet werden, ähnliche Regelungen zu übernehmen.»

Kommentar: Breiter Konsens unter den Kandidierenden, dieses Anliegen erachten alle als wichtig. Interessant ist eine Nuance in der Beantwortung des Wunsches von Pauline Lutz: Während Sarah Wyss und Beatrice Isler den Handlungsbedarf unterstreichen, betonen Christian Egeler, Daniel Seiler und Thomas Kessler, das sei selbstverständlich.

Julia Touray, Hebamme und alleinerziehende Mutter
«Ich wünsche mir flexiblere Kitas in Basel und der Region. Ich wünsche mir einen längeren Mutterschutz. Und eine Elternzeit, die diesen Namen verdient.»
Julia Touray, Hebamme und alleinerziehende Mutter
  • Re: Anliegen Kitas und Mutterschutz

Christian Egeler, FDP: «Ich setze mich für eine zusätzlich gemeinsame Elternzeit von 2-4 Wochen ein. Kitas sollten als Gemeinschaftsprojekt Staat, Unternehmen und Privatperson (auch was die Finanzierung betrifft) aufgegleist werden.»

Sarah Wyss, SP: «Es braucht mehr und bezahlbare Kitas sowie attraktivere Öffnungszeiten, die den Bedürfnissen der Eltern stärker Rechnung tragen. Dort müssen wir aber ein grosses Augenmerk darauf legen, dass die Arbeitsbedingungen– auch mit mehr Flexibilität – besser sind. Jahrelange unterbezahlte Praktika sind nicht tolerierbar – und auch die Löhne der BetreuerInnen sind zu tief. Ich fordere aber ganz klar einen Paradigmenwechsel – und zwar eine Elternzeit von 38 Wochen. Das fordert auch die Motion, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Edibe Gölgeli eingereicht habe und welche noch im Oktober im Grossen Rat diskutiert wird.»

Oliver Thommen, Bündnis Grüne Basta! jgb: «Wichtig ist aber auch, dass der Mutterschaftsurlaub überführt wird in einen Elternschaftsurlaub von sicher 18 Monaten, wobei beide Elternteile jeweils mindestens 6 Monate Urlaub erhalten.»

Jonas Witmer, Piraten: «Kitas müssen vom Staat frei zur Verfügung gestellt werden.»

Kommentar: Die Lösungsansätze auf dieses Anliegen klaffen auseinander. Während die linken Kandidierenden den Staat in die Pflicht nehmen, appelliert FDP-Kandidat Egeler auch an die Unternehmen, sich finanziell zu beteiligen.

Nicole Ott, Geschäftsleitung Reinhard Ott AG
«Ich wünsche mir mehr Mamis als Unternehmerinnen und mehr Papis, die hinter ihnen stehen.»
Nicole Ott, Geschäftsleitung Reinhard Ott AG
  • RE: Mehr Frauen* als Unternehmerinnen*

Thomas Kessler, FDP: «Die Schweiz hinkt in diesem Punkt den fortschrittlichen Ländern nach. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass mehr Frauen in der Unternehmensleitung auch wirtschaftlich mehr Erfolg bedeuten.»

Jonas Witmer, Piraten: «Oder Mamas und Mamis und Papas und Papis. Hauptsache alte Rollenbilder durchbrechen. Eine Frauen*quote kann kurzfristig helfen, diese Hegemonie zu durchbrechen. Das Ziel bleibt jedoch die Gleichberechtigung in der Gesellschaft zu verankern.»

Philipp Schuler, Juso Männer*, Liste 39, neu: «Eine aktive Förderung junger Frauen durch Staat und Kanton halte ich in diesem Bereich als äusserst wichtig. Zugleich müssen Männer und die Gesellschaft zur Aufbrechung veralteter Rollenklischees sensibilisiert werden.»

Kommentar: Die Linke befürwortet hier einen Weg der Sensibilisierung, Kessler kritisiert die Rückständigkeit im Vergleich zu anderen Ländern. Einen konkreten Verbesserungsvorschlag kann keine*r der Kandidierenden anbieten.

Jennifer Perez alias La Nefera, Rapperin
«Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die offen ist für Neues. Von der Politik erwarte ich, dass sie sich der Angstpolitik gegen Minderheiten entschlossen entgegenstellt.»
Jennifer Perez alias La Nefera, Rapperin
  • Re: Keine Angstpolitik gegen Minderheiten

Beatrice Isler, CVP: «Wenn wir uns nicht so verhalten, lernen es auch die kommenden Generationen nicht. Schauen wir mal in der Schule: Die Kinder verschiedenster Ethnien kommen in aller Regel ohne Vorurteile gut miteinander zurecht. Rassismus wir meiner Meinung nach am Mittagstisch gelehrt.»

Beat Jans, SP: «Liebe Jennifer Perez. Danke für dieses Anliegen. Es gehört zu den verwerflichsten politischen Methoden, die Schuld an gesellschaftlichen Missständen Minderheiten zuzuschieben. Die SVP macht das systematisch. Als Politiker kann ich aber nicht mit Empörung oder Wut reagieren. Denn dann erhalten die Exponenten der SVP die Aufmerksamkeit und gleichzeitig die Opferrolle, die sie suchen. Sie als Rapperin können das viel besser. Ich als Politiker muss und will entschlossen, sachlich und unermüdlich aufzeigen, dass die Argumente, derjenigen die systematisch ausgrenzen, falsch sind.»

Kommentar: Keiner der antwortenden Kandidierenden hatte diesem Wunsch etwas entgegenzusetzen.

Katha Baur, queere*r Aktivist*in
«Ich wünsche mir, dass Menschen bei der Geburt nicht auf ein Geschlecht festgeschrieben werden.»
Katha Baur, queere*r Aktivist*in
  • Re: Geschlechtszuweisung bei der Geburt

Christian Egeler, FDP: «Ich bin sehr liberal. Jeder soll so sein können wie er will.»

Beat Jans, SP: «Liebe Katha Baur. Ja, deshalb sollte die geschlechtliche Unterscheidung im Pass aufgehoben werden.»

Sara Wyss, SP: «Keine Festlegung für alle Kinder - das geht mir zu weit. Aber ich will, dass es für intersexuelle Kinder einen selbstbestimmten Weg zum eigenen Geschlecht gibt. Und ich unterstütze eine Öffnung des Personenstandsrechts, so dass Menschen, die sich nicht im Binären Modell einordnen können, es auch nicht müssen.»

Thomas Kessler, FDP: «Das lässt sich mit den Zivilstandspraktikern lösen. Die Erfahrung zeigt, dass komplexe Fragen am besten jenen zur Lösung vorgelegt werden, welche täglich mit ihnen zu tun haben. Hängt man den Diskurs zu früh zu hoch, dauern Entwicklungen viel länger.»

Beatrice Isler, CVP: «Ja sicher! Ich bin Präsidentin der CVP-Frauen Basel-Stadt. In unserem Vorstand sitzt eine Transfrau. Ich meine, wenn das Geschlecht eindeutig ist, so soll es eindeutig festgehalten sein – mit der Option, später zu wechseln. Ist es nicht eindeutig, muss man abwarten.»

Kommentar: Für die meisten Kandidierenden ist die geschlechtliche Identität im Pass, und damit der juristische Aspekt, die Grundlage für die Beantwortung dieses Wunsches.

Nadia Graber, Bäuerin
«Ich wünsche mir einen festen Lohn für alle Bäuerinnen.»
Nadia Graber, Bäuerin
  • Re: Fixlohn für Bäuer*innen

Beatrice Isler, CVP: «Genau! Aber mit den üblichen Sozialabgaben, wie alle anderen auch. Die Pensionskassenproblematik müsste über den Bauernverband gelöst werden. Der hat eine dermassen starke Lobby in Bern - sollte kein Problem sein, oder ???»

Christian Engeler, FDP: «Das sehe ich nun etwas kritischer. Erstens sehe ich nicht ein, dass Bäuerinnen und Bauern unterschiedlich behandlet werden müssen. Zweitens sind feste Löhne kaum sinnvoll. Leistung muss sich lohnen. Wichtiger wäre wohl eine Lösung um unverschuldetete Ausfälle abzufedern (Versicherungslösung).»

Beat Jans, SP: «Liebe Nadia Graber. Die arbeitsrechtliche Situation der Bäuerinnen ist noch die selbe wie zu Gotthelfs Zeiten. Ich werde mich im Rahmen der AP 22+ dafür einsetzen, dass Bäuerinnen mit ihren Partnern auf dem Hof rechtlich gleichgestellt werden. Dazu gehören auch gleichberechtigte Sozialversicherungen.»

Jonas Witmer, Piraten: «Ja, hier wurde ein wichtiger Punkt am Podium angesprochen. Viele haben offiziell gar kein Einkommen und keine soziale Absicherung. Auch die Abhängigkeit von Partner*innen kann belastend sein. Ein bedingungsloses Grundeinkommen oder ein Mindestlohn könnten hier Teil der Lösung sein. Bezeichnend ist auch, das der Bauernverband von Männern dominiert wird.»

Kommentar: über die Lohnfrage waren sich die Kandidierenden uneinig. Konsens herrschte über die Notwendigkeit einer umfassenden Alters- und Sozialversicherung für Bäuerinnen*.

Ramona Schneitter, Coiffeuse
«Ich wünsche mir einen Lohn von mindestens 4000 Franken für alle Tieflohnarbeitenden mit Lehrabschluss.»
Ramona Schneitter, Coiffeuse
  • RE: Mindestlohn

Sarah Wyss, SP: «Aber auf kantonaler Ebene können wir bald über die Initiative für einen Mindestlohn von 23 Franken in der Stunde abstimmen. Wir müssen da müssen jetzt Vollgas geben! Kein Lohn unter 4’000 Franken!»

Thomas Kessler, FDP: «Heute sind viele Mieten für kleine KMU sehr hoch, die Vermieter müssen vermehrt gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und wir alle müssen bereit sein, für gute Arbeit auch gut zu bezahlen. Ich kaufe nur vor Ort ein und lasse die Haare in Betrieben mit Auszubildenden schneiden.»

Beatrice Isler, CVP: «Die Ladenmieten sind für kleine KMU's derart exorbitant, dass leider bei den Löhnen gespart wird. Man muss also das eine tun - nämlich mehr Lohn geben – und das andere nicht lassen – die Vermieter endlich dazu bringen, die Ladenmieten runterzuschrauben.»

Christian Egeler, FDP: «Ein Minimallohn hat meist nicht die Wirkung, die er verspricht. Er kann auch dazu führen, dass Stellen dann gar nicht mehr geschaffen werden oder Berufe (vermeintlich) attraktiv sind, die wirtschaftlich keine Zukunft haben.»

Daniel Seiler, FDP: «Als Unternehmer setzte ich mich für bestmögliche Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen und Unternehmer ein. Meine Überzeugung als Ökonom; geht es den Unternehmern gut, dann profitieren auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.»

Kommentar: Auch hier herrscht Uneinigkeit: Die Bürgerlichen bezweifeln die Machbarkeit eines Mindestlohns und nehmen die Vermieter*innen und die Kund*innen in die Pflicht. Die Linke vertritt den Wunsch nach einem Mindestlohn.

Sie sind hiermit am ENDE der Korrespondenz angelangt.

Die Rücklaufquote – leider bescheiden

102 Anfragen haben wir verschickt, nach denkbar einfachem Kriterium: Die Email-Adressen dieser 102 Kandidierenden sind im Internet ohne Umwege auffindbar. 63 der Angeschriebenen haben unsere Mail-Anfrage geöffnet, das verrät unser Mail-Programm. Eine der Anfragen wurde von ein und demselben Account sagenhafte 20 Mal geöffnet: Rekord.

13 der angefragten Kandidierenden haben schlussendlich geantwortet. Das sind leider wenig. Umso erfreulicher, dass sich die 13 Zeit nahmen. Einige Kandidierende verwiesen uns lediglich auf ihr Wahlprogramm, ohne spezifisch auf die Wünsche zu antworten oder liessen das Parteisekretariat für sie antworten. Diese Rückmeldungen haben wir nicht berücksichtigt.

Warum antworteten so wenige? Entweder kennt uns da draussen noch fast niemand (was möglich ist), die Wünsche waren den Kandidierenden zu allgemein formuliert (was bequem wäre), die Kandidierenden haben Besseres zu tun (haben sie nicht, es ist Wahlkampf).

Mit diesem Artikel beenden wir unsere Artikel-Serie zum Themenmonat Frau*MachtPolitik. Vorläufig. Natürlich wird uns das Thema weiter begleiten und wir schauen genau hin, auf Veränderungen, Verbesserungen, Rückschritte – und schreiben gegebenenfalls darüber. Auf unseren sozialen Kanälen unter #FrauMachtPolitik. Und hier auf der bald neu aufgesetzten Homepage.

Darüber haben wir geschrieben: Über Hashtags im Wahlkampf, über den Genderstern in unserer Sprache, über Erstwählerinnen und ihre frauen*politische Haltung vor der ersten Wahl, über einen Stadtspaziergang, über den Geschlechterkampf an der Humorbasis, über 7 Wünsche von 7 Frauen*.

An dieser Stelle haben wir noch einen Wunsch an Sie: Abonnieren Sie unseren Newsletter, begleiten Sie uns weiter, bleiben Sie dran.

Das Publikum an unserer Pitch Night Frau* Mact Politik

Kurzrückblick auf unsere Pitch Night: Frau* Macht Politik vom 26. September 2019

Als Pauline Lutz kurz nach 19:00 Uhr aufstand, mit dem Zettel in der einen Hand, in der anderen das Mikrofon, da hätte man im Wohnzimmer der Markthalle eine Stecknadel fallen hören.

Lutz erzählte, wie sie aufwuchs unter Frauen, ohne Wahrnehmung für Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wie ihr im Gymnasium erst bewusst wurde, was es heisst, eine Frau zu sein oder zu werden, als ihr plötzlich Kommentare entgegenschlugen zu ihren Kleidern, ihrer Frisur, ihrem Körper. Wie sie lernte, Bündnisse mit anderen Frauen zu schliessen.

Wie sie als Aktivistin der Klimajugend von den Medien «über den Kopf gestreichelt» und in den Kommentarspalten beleidigt wurde. Darum ihr Wunsch: Gehört und politisch ernst genommen zu werden.

Das war der rote Faden, der an diesem Abend immer wieder aus den Erzählungen blitzte: Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Als professionelle Arbeitskraft und als Privatperson ein Geschlecht zweiter Klasse zu sein.

So erzählte zum Beispiel Ramona Schneitter, wie es sei, als Frau und Coiffeuse zu arbeiten. «Über Coiffeusen denken viele, die haben es eben zu nichts Anderem gebracht. Als seien wir minderbemittelt. Steht aber ein Mann im Coiffeursalon, ist die Meinung eine ganz andere. über den heisst es: Genial! Ein Künstler, ein Kreativer! Man fragt auch gern erstmal nach dem Chef in der Annahme, das sei ein Mann.»

Unsere sogenannte Pitch Night war ein Experiment. Wir wollten eine politische Diskussion führen, mit politischen Fragen – aber mit Menschen, die mit Parteipolitik nichts am Hut haben. Wir wollten eine politische Veranstaltung machen, ohne uns in den Veranstaltungsbandwurm der Wahlkampfpodien einzureihen, wie sie zur Zeit zuhauf stattfinden.

So haben wir die Kandidierenden kontaktiert:

Sehr geehrte Basler Kandidierende für den Nationalrat,

Sie stellen sich zur Wahl. Sie wollen am 20. Oktober als Basler Vertreter*in ins nationale Parlament einziehen und dort die Interessen der Bevölkerung vertreten.

Wir, die Redaktion von Bajour, haben mit sieben Frauen* aus der Bevölkerung in der Region Basel gesprochen. Wir haben Sie auf unsere Bühne gebeten, wir haben Ihnen zusammen mit einem Saal voller Menschen zugehört und damit ein Versprechen abgegeben. Das Versprechen, ihre Wünsche in die Politik zu tragen und dort um Antworten zu bitten.

Das wollen wir hiermit tun. Sehr geehrte Interessenvertreter*in, bitte reagieren Sie auf folgende Wünsche und schicken Sie ihre Antworten an [email protected].

Sieben Frauen, sieben Statements

«Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft Mädchen und Frauen zuhört und gleich ernst nimmt, wenn sie sich politisch äussern. Und dass Frauen mehr zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen.» Pauline Lutz, Gymnasiastin und Klimaaktivistin.

«Ich wünsche mir flexiblere Kitas in Basel und der Region. Ich wünsche mir einen längeren Mutterschutz. Und eine Elternzeit, die diesen Namen verdient.» Julia Touray, Hebamme und alleinerziehende Mutter.

«Ich wünsche mir mehr Mamis als Unternehmerinnen und mehr Papis, die hinter ihnen stehen.» Nicole Ott, Geschäftsleitung Reinhard Ott AG.

«Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die offen ist für Neues. Von der Politik erwarte ich, dass sie sich der Angstpolitik gegen Minderheiten entschlossen entgegenstellt.» Jennifer Perez alias La Nefera, Rapperin.

«Ich wünsche mir, dass Menschen bei der Geburt nicht auf ein Geschlecht festgeschrieben werden.» Katha Baur, queere*r Aktivist*in.

«Ich wünsche mir einen festen Lohn für alle Bäuerinnen.» Nadia Graber, Bäuerin.

«Ich wünsche mir einen Lohn von mindestens 4000 Franken für alle Tieflohnarbeitenden mit Lehrabschluss.» Ramona Schneitter, Coiffeuse.

Geehrte Politiker*innen,

danke für Ihre Aufmerksamkeit. Einige der obigen Aussagen werden Ihrem politischen Programm nicht entsprechen, und Sie werden sich zunächst überlegen: Was ist hier genau gemeint? Und was hat das mit mir zu tun?

Das ist gut so. Bitte nehmen Sie sich diese Zeit und nehmen Sie jede der Forderungen ernst. Auch und insbesondere dann, wenn ein Wunsch nicht ihrer politischen Agenda entspricht.

Andere Wünsche haben Sie schon oft gehört, da fällt das Antworten leichter: Wie lässt sich zum Beispiel ein Mindestlohn von 4000 CHF für Tieflohnarbeitende politisch erreichen?

Als Interessenvertreter*in werden Sie in Bern versuchen, die Gesellschaft zu repräsentieren. Gar nicht so einfach. Denn die Gesellschaft ist eine abstrakte Grösse, werden Sie vielleicht denken, wenn Sie zum ersten Mal die Stufen zum Nationalratssaal hinaufgehen. Also werden Sie sich zunächst an ihre Wähler*innen erinnern.

Ihre Wählerinnen sind immer noch viele, sehr viele. Sie werden tausende Stimmen erhalten haben, wenn Sie in den Nationalrat gewählt werden.

Unter diesen Tausenden sind wiederum viele, die dieselben oder ähnliche Wünsche haben wie Jennifer Perez oder Julia Touray, wie Nicole Ott, Katha Baur oder Nadia Graber. Tausend ähnliche Forderungen, Wünsche, Hoffnungen an Sie, als Vertreter*in dieser Stimmen. Darum nochmals die Bitte: Nehmen Sie sich die Zeit, denken Sie nach, reagieren Sie mit einer politischen Antwort. Haben Sie Lösungen für die geschilderten Wünsche? Wagen Sie ein Versprechen?

Wir, die Redaktion von Bajour, werden Ihre Antworten sammeln und bei uns auf der Homepage veröffentlichen. Sie werden dort auf interessierte Leser*innen treffen, die bis zum 20. Oktober ihre Wahlzettel ausfüllen.

Mit freundlichen Grüssen und im Namen von Pauline Lutz, Julia Touray, Ramona Schneitter, Nadia Graber, Nicole Ott, Jennifer Perez, Katha Baur,

Bajour

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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