«In schwierigen Zeiten ist die Fasnacht besonders wichtig und nötig»
Ein Gastbeitrag von Pia Inderbitzin, Obfrau des Fasnachts-Comités.
Die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler sind seit dem 9. Februar daran, sich auf die Fasnacht vorzubereiten. Vorher war die Vorbereitung kaum möglich. Pfyffer- und Trommelstunden in Innenräumen waren nicht möglich, Bastelnachmittage konnten nicht stattfinden. Die Fasnacht findet quasi aus dem Stand statt. Darum ist die Vorfasnachts-Freude zwar anders, aber sie ist hier, sie ist in der Stadt und in den Quartieren zu spüren.
Pia Inderbitzin ist seit 2000 Teil des Basler Fasnachts-Comités. Seit 2018 ist sie Comité-Obfrau. Jahrelang kümmerte Inderbitzin sich um die Nachwuchsförderung. Sie ist Pfeiferin in einer Clique und war früher auch als Schnitzelbänklerin unterwegs.
Foto: Christian Jaeggi
Was seit dem 9. Februar passiert ist, ist auch für das Comité eine Genugtuung für die immense Arbeit. In den vergangenen Monaten hatten wir zahlreiche lange, oft anstrengende Sitzungen. Wir arbeiteten seit zwei Jahren in einer Projektgruppe, bestehend aus Behörden- und Comitémitgliedern. Wir haben unzählige Szenarien, Pläne und Schutzkonzepte erarbeitet, diskutiert und leider immer wieder verwerfen müssen. Die pandemischen Umstände liessen Vieles nicht zu.
Im Januar, mitten in der Omikron-Welle, lancierte die Regierung die Idee einer Verschiebung der Fasnacht in den Frühsommer. Es brauchte etwas Verhandlungsgeschick mit stetem Blick auf die Coronaentwicklung, um den Regierungsentscheid auf anfangs Februar zu verschieben. Seitdem wissen wir, dass Fasnacht möglich ist, von Woche zu Woche stieg die Zuversicht. Die Aktiven bereiten sich voller Freude darauf vor.
«Für viele ist es gerade in solchen Zeiten wichtig, dass sie mit ihrem Spott den Mächtigen den Spiegel vorhalten und Ungerechtigkeiten benennen können.»Pia Inderbitzin, Obfrau Fasnachts-Comité
Kaum ist Omikron daran, sich zu verabschieden, stehen wir wieder vor einer neuen Situation.
Am 24. Februar hat Russland einen Krieg gegen die Ukraine begonnen. Die Bilder, die uns erreichen, sind schrecklich. Wir fühlen uns ohnmächtig angesichts der Aggression. Viele Menschen sind betroffen und verunsichert, sie fragen sich, ob wir unter diesen Umständen in Basel überhaupt Fasnacht machen sollen.
Dürfen wir Fasnacht machen, wenn in der Ukraine Krieg herrscht?
Um es gerade vorweg zu nehmen: Ja. Wir dürfen. Wir sollten sogar. Für viele ist es gerade in solchen Zeiten wichtig, dass sie mit ihrem Spott den Mächtigen den Spiegel vorhalten und Ungerechtigkeiten benennen können. Die Fasnacht hat einen Ventil-Charakter, alles, was unter den Nägeln brennt, wird angesprochen. In schwierigen Zeiten ist die Fasnacht besonders wichtig und nötig.
Während des zweiten Weltkrieges wurden die Fasnächtler von den Behörden aufgefordert, Zurückhaltung zu üben und die Deutschen nicht unnötig zu verärgern. Man war gezwungen, die Sachen verklausuliert zu sagen, so dass alle wussten, was gemeint ist, ohne es direkt anzusprechen.
«Die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler werden Wege finden, ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk auszudrücken.»Pia Inderbitzin, Obfrau Fasnachts-Comité
Aber diese in Zeiten von Bedrohung gültige Satireregel ist bis heute die hohe Kunst der Basler Fasnacht. Es geht darum, die feine Klinge zu führen und dabei Missstände anzusprechen. Die Basler Fasnacht ist nicht besser als andere Fasnachten, aber sie zeichnet sich unter anderem durch diese Besonderheit aus.
Natürlich macht die Situation in der Ukraine betroffen. Jede und Jeder geht damit anders um. Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er in diesen Zeiten an der Fasnacht teilnehmen will. Auch, ob er während der Fasnacht ein Zeichen setzen will, zum Beispiel mit Schweigeminuten oder Kerzen abbrennen. Dies ist jedem Einzelnen überlassen. Das Fasnachts-Comité versteht diese Anliegen und respektiert alle Entscheide dazu und bittet die Aktiven, dies ebenfalls zu tun.
Die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler werden Wege finden, ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk auszudrücken.