«Wir sind keine Nazis und keine Faschisten»

Nach dem Wochenende publiziert Baselnazifrei auf Instagram ein Foto der Jungle-Street-Groove-Parade aus der Bajour-Bildergalerie. Das Tattoo eines abgebildeten Helfers zeige das Erkennungszeichen der rechtsextremen Grauen Wölfe. Gegenüber Bajour nehmen die Verantwortlichen Stellung.

Jungle Street Groove Vorwürfe 2
Das Tattoo am Arm dieses Mannes zeigt Runen, die von den Grauen Wölfen verwendet werden. (Bild: Charles Habib, Collage: Bajour)

«Türkischer Faschist beim Jungle-Street-Groove Security», titelt Baselnazifrei auf Instagram. Darunter zu sehen: Das Foto eines Mannes in gelber Warnweste. Der Mann ist vom Hals abwärts tätowiert. Auf seinem linken Unterarm ist die türkische Flagge zu sehen, darüber vier Runen. Diese sind der Grund für den Aufschrei von Baselnazifrei.

Bei den Runen handle es sich um ein «Erkennungszeichen der Grauen Wölfe», argumentieren die Aktivist*innen von Baselnazifrei. Öffentlich fragen sie die Organisator*innen der Street Parade, welche Konsequenzen sie daraus ziehen.

Das betreffende Foto des Jungle-Street-Groove-Helfers stammt von Bajour. Geknipst hat es der Fotograf Charles Habib, der am Wochenende an der Parade unterwegs war. Bajour ist den Vorwürfen deshalb nachgegangen.

Erste Station: Expertenmeinung

Auf den ersten Blick scheint der Schriftzug des Tattoos mit dem Runen-Schriftzug, der von den Grauen Wölfen verwendet wird, identisch – auch wenn die erste Rune davon nicht ganz zu erkennen ist. Zu diesem Schluss kommt auch Extremismusforscher Dirk Baier von der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften: «Der Schriftzug, zumindest die drei letzten Buchstaben, sind kaum anders als ‹Türk› in Orchon-Runen zu lesen», schreibt Baier auf Anfrage von Bajour. Dies sei ein «Symbol der Grauen Wölfe bzw. der Ülkücü-Bewegung». Auch Baier findet, es deute daher darauf hin, «dass die dieses Tattoo tragende Person mit den Grauen Wölfen sympathisiert». 

Dirk Baier
«Dies ist ein Symbol der Grauen Wölfe bzw. der Ülkücü-Bewegung»
Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalität an der ZHAW

Zweite Station: Die Organisator*innen 

Noch bevor Bajour die Organisator*innen des Jungle Street Groove mit den Vorwürfen kontaktiert, veröffentlichen sie ein Statement dazu – der Link dazu findet sich auf Instagram. 

«Die Organisation der Jungle Street Groove Parade verurteilt jede Form von Extremismus, Rassismus und Diskriminierung aufs Schärfste», heisst es da. Das Organisationsteam stellt richtig, dass die betreffende Person kein Mitglied des Sicherheitsteams, sondern ein Helfer sei. Und sie betonen, dass die Organisation der Wagen bei der Parade von den teilnehmenden Gruppen «selbstständig übernommen» werde. «Eine detaillierte Überprüfung aller teilnehmenden Personen ist uns als Veranstalter jedoch leider nicht möglich.» 

Sie würden die Vorwürfe aber «sehr ernst» nehmen und «prüfen, wie wir in Zukunft sicherstellen können, dass unsere Veranstaltung weiterhin im Sinne von Offenheit und Zusammenhalt stattfindet.» Auf Nachfrage von Bajour möchten sich die Verantwortlichen zum jetzigen Zeitpunkt nicht über das bereits publizierte Statement hinaus äussern.

Die Jungle Street startet mit dem Groovetruck Nordstern
Gemäss Einschätzung des OKs feierten etwa 20'000 Besucher*innen am Samstag am Jungle Street Groove. (Bild: Charles Habib)

Noch nicht öffentlich zu Wort gemeldet hatte sich die Organisation, zu der der Mann mit dem Tattoo gehört.

Dritte Station: Das Label DrumNBasel

Auf eine erste Medienanfrage per Instagram reagiert das Label abweisend, aber «Präsident Patrick» sei telefonisch erreichbar. Als Patrick De Bona, Mitinhaber des Borderline Clubs und Präsident des DrumNBasel-Labels den Anruf beantwortet, ist er hörbar gefrustet. Er bestätigt, dass der betreffende Mann bei seinem Wagen am Samstag mitgeholfen hat. Es sei aber kein Mitarbeiter, sondern ein «Freund des Labels». 

Für den Post von Baselnazifrei und die Stellungnahme des Jungle Street Groove zu den Vorwürfen hat De Bona kein Verständnis. «Mit einer Hetzkampagne wird gerade auf einem brutal lieben Menschen rumgehackt, obwohl niemand ihn gefragt hat, was das Tattoo bedeutet», schimpft er. Er habe sich selber bei ihm «einmal erkundigt, und er sagte mir, das Tattoo bedeute ‹Türk› in alttürkischer Schrift und sonst nichts. Mit den Grauen Wölfen habe er nichts zu tun.» Für De Bona habe sich der Fall damit erledigt. 

«Auf unseren Mann wird jetzt mit dem Finger gezeigt und er wird als ‹Faschistentürk› verunglimpft.»
Patrick De Bona, Präsident DrumNBasel

Er schiebt nach: «Wir distanzieren uns ganz klar von Rassismus und irgendwelchen komischen Gruppierungen, wir sind keine Nazis und keine Faschisten. Aber auf unseren Mann wird jetzt mit dem Finger gezeigt und er wird als ‹Faschistentürk› verunglimpft.» Sie seien deshalb bereits mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt. Dem Freund stehe es zudem frei, dagegen mit einer Anzeige vorzugehen.

In der Schweiz ist die Verwendung extremistischer Symbole nicht strafbar. Aktuell liegt das Thema aber auf dem Tisch des Bundesrats: Nach dem Ständerat sprach sich im Frühling auch der Nationalrat für ein Verbot von Nazisymbolen und weiteren extremistischen Symbolen aus. Bis dahin bleibt es in der Verantwortung von Arbeitgeber*innen, Vereinen und Organisationen, den Umgang damit zu regeln.

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Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Junior-Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und Reportagen – vorzugsweise von Demos und aus den Quartieren. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen. 


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