(K)ein Spektakel

In Baselland feierten dieses Jahr gleich zwei Literaturfestivals Premiere. Trotz eines beachtenswerten Programms erreichen sie die breite Öffentlichkeit bisher nicht – was an noch fehlender Struktur und Vernetzung liegt, analysiert Valerie Wendenburg.

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Am Samstagnachmittag waren die Ränge des Theaters spärlich besetzt, am Abend kam mehr Publikum. (Bild: Valerie Wendenburg)

Es sollte ein «Spektakel» sein – also ein Ereignis, das Aufsehen erregt. Am Wochenende fand in Augusta Raurica das «it’s lit» statt. Angekündigt als «Literaturspektakel» zog es nicht die Aufmerksamkeit auf sich, die die Verantwortlichen bei der Namensgebung wohl im Sinn hatten. Dargeboten wurden Lesungen, Workshops, ein Literaturmarkt, Graphic Novels oder Poetry Slam, und die kleinen Besucher*innen konnten die Welt der Literatur auf einem Bobby Car erkunden. Verschiedene Food- und Marktstände der Buch Basel, des Comix Shop oder der Buchhandlung Labyrinth erwarteten die Besucher*innen.

Nur: Der grosse Publikumsandrang blieb weitgehend aus. Hinter dem zweitägigen Anlass, an dem mehr als 60 Literaturschaffende mitwirkten, steht der Verein Literatur Spektakel. Geschäftsleiterin Aline Pieth sagte im Vorfeld zu Bajour, sie wolle den Literaturschaffenden eine grosse Bühne geben. Das ist ihr gelungen. Aber was bringt die grosse Bühne, wenn die Zuschauer*innenreihen nicht gefüllt werden? 

Wenn es genügend Platz für alle gibt, stellt sich die Frage, ob auch genügend Mittel für alle zur Verfügung stehen?

Im Raum Basel finden zahlreiche Literaturanlässe mit einem diversen und teils hochkarätigen Programm statt. Neu gibt es nun zudem zwei Literaturfestivals in Baselland: Das Literaturfestival in der Trafohalle in Bottmingen und das «it’s lit» in Augusta Raurica. Ausserdem fanden im Juni die Trinationalen Literaturtage in Allschwil statt. Fredy Bünter, stellvertretender Leiter der Abteilung Kulturförderung und Fachverantwortlicher Literatur und Musik beim Kanton Basel-Landschaft, sagt zu Bajour, der Kanton begrüsse die Vielfalt literarischer Formate für die Öffentlichkeit ausdrücklich. Unterschiedliche Profile und Zielsetzungen würden die Kulturlandschaft beleben und die Vielfalt der literarischen Akteur*innen und künstlerischen Spielweisen der Literatur sichtbar machen. 

In Konkurrenz zueinander wollen sich die unterschiedlichen Formate nicht sehen und auch Bünter sagt: «Es gibt genug Platz für alle». Er betont, dass das Amt für Kultur des Kantons Basel-Landschaft «it’s lit!» ausdrücklich begrüsse –  was kaum verwundert, hat er doch selbst den Beisitz des Vereins Literatur Spektakel inne. 

Geld vom selben Kuchen

Wenn es genügend Platz für alle gibt, stellen sich die Fragen, ob es auch genügend Interesse für alle gibt und ob ausreichend Mittel für alle zur Verfügung stehen. Innerhalb der Branche erklingt die einhellige Meinung, dass es gar nicht genug Literaturveranstaltungen geben könne. Gerade für die lokalen Autor*innen seien sie eine wichtige und gute Möglichkeit, sich und ihre Werke dem Publikum zu präsentieren. Die neuen Festivals tragen in Kooperation mit dem Netzwerk lokal lesen zur Vernetzung der Branche bei. Und darum scheint es den Verantwortlichen auch zu gehen. Ziel sei es, ein Netzwerk für Literaturschaffende in Baselland zu schaffen und der Literaturbranche eine Struktur zu geben, um ihr Wirken zu unterstützen, heisst es gegenüber Bajour.

Aber sollte Literatur nicht auch sichtbar gemacht werden und über die eigene Bubble hinaus strahlen? Auch wenn die Festivals noch am Anfang stehen wirkt es, als würden die jeweiligen Organisator*innen der unterschiedlichen Formate ohne übergreifendes Konzept planen. Am Ende aber möchten alle Geld vom selben Kuchen – in einer Branche, in der knappe Finanzen ein Dauerthema sind.

Leider gelingt es den neuen Festivals bisher nicht, sich aus der eigenen Bubble herauszubewegen und ein breiteres Publikum zu erreichen.

Fehlende finanzielle Ressourcen sind auch der Grund dafür, dass es an wichtigen Elementen bei der Organisation der neuen Festivals fehlt: Nicht beim beachtenswerten und kreativen Programm, aber in der Kommunikation intern und nach aussen. Denn es reicht nicht aus, die eigene Branche zu begeistern und zu vernetzen. Ziel sollte doch auch sein, möglichst viele Menschen zu erreichen und sie neu an Literatur heranzuführen. 

Tragischer Beigeschmack

Leider gelingt es den neuen Festivals bisher nicht, sich aus der eigenen Bubble herauszubewegen und ein breiteres Publikum anzusprechen. Wer sich nicht ohnehin für Literatur interessiert, Buchläden, Bibliotheken oder das Literaturhaus Basel besucht, der hat im Zweifel gar nichts davon mitbekommen, dass in Augusta Raurica ein modernes Literaturprogramm auf die antike Bühne gebracht wurde.

Das hat einen tragischen Beigeschmack und liegt – wen wundert’s – wohl auch an fehlenden Ressourcen. Es fehlt an Geld für Werbung und für den Austausch unter den verantwortlichen Vereinen. Es wird nebeneinander her geplant, wo Synergien geschaffen werden könnten.

Eine Strukturförderung – über die reine Projektfinanzierung hinaus – könnte langfristige Rahmenbedingungen und Infrastrukturen schaffen.

Der Fachausschuss Literatur der Kantone Basel-Stadt und Baselland setzt sich als öffentliche Literaturförderstelle für eine «aktive und qualitativ hochstehende Literaturszene und das zeitgenössische Literaturschaffen» ein, so heisst es auf der Website. Jährlich steht ein Budget von 260’000 Franken zur projektbezogenen Förderung zur Verfügung. Was es aber offensichtlich bräuchte wäre eine Strukturförderung im literarischen Bereich – für die darstellenden Künste ist diese bereits vorhanden.

Hier schreibt die Abteilung Kulturförderung BL und BS jährlich Strukturförderungen aus, um die Qualität von Projekten, insbesondere im Hinblick auf ihre Vernetzung und öffentliche Wahrnehmung, zu unterstützen. Das könnte auch im Bereich Literatur ein wichtiger Schritt sein, denn eine Strukturförderung – über die reine Projektfinanzierung hinaus – könnte langfristige Rahmenbedingungen und Infrastrukturen schaffen. Mit dem Ziel, die Szene nicht nur intern zu vernetzen, sondern neue literarische Formate langfristig zu etablieren und zu einem festen Bestandteil der Basler Kulturagenda zu machen.

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*Valerie Wendenburg hat im Zuge der neuen Festivals Lesungen moderiert.

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazin tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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