Replik zum Kommentar «Ein rein politischer Entscheid»
Bajour erhielt von der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB) eine Rückmeldung auf den Kommentar zur sistierten Vergabe des Kulturförderpreises an DJ Leila Moon. Gern nehmen wir dazu Stellung.
Die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) hat Bajour eine kritische Rückmeldung zum Kommentar «Ein rein politischer Entscheid» per Mail geschickt (siehe unten). Wir haben dazu Stellung bezogen.
Hier ist unsere Antwort (weiter unten ist das Statement der IGB zu lesen, das sie inzwischen auf ihrer Website veröffentlicht und in ihrem Newsletter versendet hat, ohne auf unsere Antwort zu verweisen).
Sehr geehrtes Präsidium und sehr geehrte Geschäftsführung der IGB
Vielen Dank für Ihre ausführliche Rückmeldung zum Kommentar von Valerie Wendenburg. Ihre Kritik nehmen wir sehr ernst, weshalb wir gern auf einige der vorgebrachten Punkte eingehen.
Zuallererst ist es Bajour ein Anliegen, differenziert zu berichten. Das haben wir in der Vergangenheit getan und auch mit dem Kommentar beabsichtigt. Deshalb haben wir verschiedene Personen und Sichtweisen zu Wort kommen lassen. Ein Kommentar ist ein Meinungsbeitrag. Dass dafür Zitate eingeholt werden, ist ungewöhnlich und geht über einen klassischen Kommentar hinaus. In diesem Fall ist das der Tatsache geschuldet, dass Frau Wendenburg besonders sorgfältig aufgeschlüsselt hat, welche Positionen es zur Diskussion gibt. Valerie Wendenburg konzentriert sich in ihrem Kommentar auf die politische Einflussnahme auf die Preisvergabe, die es offensichtlich gibt. Gleichzeitig ordnet sie die Aussagen ein, so wie es üblich ist für einen Kommentar. Keineswegs ging es darum, die Debatte aufzuheizen, im Gegenteil.
Kurz nachdem es – vor allem aus der SVP – Kritik an der Vergabe gab, und zwar basierend auf einem Antisemitismus-Vorwurf gegen Leila Moon, kündigte das Amt für Kultur an, die Vergabe zu überprüfen. Unserer Kenntnis nach hat sich Leila Moon nicht antisemitisch geäussert, sondern übt Kritik an der Politik Israels. Dass die DJ einen Auftritt abgesagt hat, weil dort Künstler*innen auftraten, die sich ihrer Ansicht nach nicht genügend von der israelischen Politik distanzieren, ist sehr wohl kritikwürdig. Das ist die weitere Ebene einer politischen Debatte. Im medialen Fokus stand aber das Narrativ der pauschalen «Israel-Hasserin» und potentiellen Antisemitin, was sich nicht bestätigen lässt. Und das hat Valerie Wendenburg in ihrem Kommentar dargelegt. Die Auseinandersetzung mit der Meinungsäusserungsfreiheit bedeutet keine Parteinahme für Leila Moon, sondern ist Teil der journalistischen Aufarbeitung. So überrascht es nicht, dass Frau Wendenburg auch positives Feedback aus jüdischen Kreisen erhalten hat.
Leider wird in der aktuellen Debatte allzu leichtfertig Israel-Kritik mit Antisemitismus gleichgesetzt. Das verwässert jene Aussagen und Taten, die tatsächlich antisemitisch und problematisch sind. Unsere Empathie gilt insbesondere den vielen Menschen in Israel, die sich dafür einsetzen, dass ein letztes bisschen Menschlichkeit in diesem schrecklichen Konflikt gewahrt bleibt. Egal, welcher Partei man in diesem Konflikt zugehörig ist oder zugerechnet wird.
Freundliche Grüsse
Ina Bullwinkel
(Chefredaktorin Bajour)
Die Entscheidung über eine Kulturförderung sorgt in Basel erneut für Diskussionen. Wird der Preis aberkannt, ist das kein Zeichen gegen Antisemitismus, sondern ein rein politischer Entscheid.
Das Schreiben der IGB:
Sehr geehrte Bajour-Redaktion
Wir sind tief erschüttert über den veröffentlichten Kommentar im Bajour zur Aberkennung des Kulturförderpreises an Leila Moon. Der Beitrag liest sich wie eine Verteidigungsschrift, die weder den Kern des Problems noch die eigentlichen Hintergründe sachgerecht erfasst. Die Argumentation erweckt den Eindruck, dass Sie den Vorwurf des Antisemitismus leichtfertig als rein politisch motivierten Angriff abtun. Eine derart einseitige Darstellung ist nicht nur problematisch, sondern wird der Komplexität des Themas in keiner Weise gerecht.
Sie bemühen sich, den Boykott von Künstlerinnen, die nicht der politischen Haltung von Leila Moon entsprechen, als legitime Kritik an der israelischen Regierung darzustellen. Dabei ignorieren Sie, dass es sich hierbei um diskriminierende Ausschlusspraktiken handelt, die in BDS-Verfahren verwurzelt sind. Wenn Künstlerinnen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer (unterstellten) politischen Haltung ausgegrenzt werden, ist das ein Angriff auf die Grundprinzipien der Kunstfreiheit. Diese Praktiken pauschal als unpolitisch zu deklarieren, ist schlichtweg falsch.
Ihre Behauptung, die Aberkennung des Preises sei ein „rein politischer Entscheid“, unterschlägt die moralische Verantwortung, die eine solche Auszeichnung mit sich bringt. Preise im Kulturbereich sollen integrativ wirken, nicht spalten. Die Kritik von Organisationen wie der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft oder auch politischen Akteur*innen basiert auf konkreten Aussagen und Handlungen von Leila Moon, die nicht einfach als persönliche Meinung abgetan werden können. Es geht nicht darum, Israelkritik zu unterbinden, sondern antisemitische Rhetorik und Boykottaufrufe zu hinterfragen.
Ihre selektive Einbindung von Expertenmeinungen, insbesondere von Hans Stutz und Evelyne Schmid, verzerrt den Diskurs. Sie zitieren Aussagen, die den Vorwurf des Antisemitismus entkräften sollen, gehen aber kaum auf die Kritikpunkte ein, die von anderen Seiten vorgebracht wurden. Dass Leila Moon gezielt Künstler*innen boykottiert, die sie nicht als ihre Verbündeten sieht, ist keine neutrale Meinungsäusserung, sondern ein diskriminierendes Handeln.
Sie stellen die Frage, ob eine „Gesinnungsprüfung“ vor einer Preisvergabe stattfinden sollte. Aber ist es nicht vielmehr eine Selbstverständlichkeit, dass eine Jury im Vorfeld sicherstellt, dass die Preisträger*innen die Werte der Auszeichnung auch tatsächlich repräsentieren? Vernetzende Arbeit, wie sie bei diesem Preis gewürdigt werden soll, steht in klarem Widerspruch zu den spaltenden und ausschliessenden Praktiken, die Leila Moon an den Tag legt.
Ihr Kommentar hat das Potenzial, die Debatte unnötig zu polarisieren, statt eine differenzierte Auseinandersetzung zu fördern. Als erfahrene Journalistin sollte Valerie Wendenburg wissen, dass Antisemitismus nicht nur ein politisches Schlagwort ist, sondern ein ernstzunehmendes Phänomen, das in der öffentlichen Debatte mit der nötigen Sensibilität behandelt werden muss. Ihre pauschale Ablehnung der Kritik trägt jedoch zur Verharmlosung antisemitischer Tendenzen bei.
Als Journalistin, die jüdische Themen oft unterstützt und mit Feingefühl begleitet hat, enttäuscht uns die einseitige Darstellung von Frau Wendenburg in diesem Fall massiv.
Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie in dieser sensiblen und wichtigen Debatte für eine differenzierte Auseinandersetzung sorgen – gerade im Wissen um die aktuell brisante und extrem herausfordernde Zeit für unsere Gemeinde.
Freundliche Grüsse
Im Namen der IGB
Präsidium und Geschäftsführung
Steffi Bollag
Philippe Nordmann
Daniel Kravtschenko
Isabel Schlerkmann