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Treffen sich ein 22-Jähriger und eine 78-Jährige zum Integrations-Date

Der Ukrainer Mike will sein Deutsch verbessern und eine Arbeit in Basel finden. Hilfe bekommt er auf der Integrationsapp myfive – von Engagierten wie Susan und Diana.

10/20/22, 03:00 AM

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First Date zu dritt: Mike, Susan und Diana

First Date zu dritt: Mike, Susan und Diana (Foto: David Rutschmann)

Freitagabend in der Klara: Die Eventlocation mit Restis und Bar ist schon rappelvoll, viel Geplauder, junge Leute und Familien. Auf einem der Tische an der Clarastrasse sitzt eine Musikerin, die Gitarre spielt, möglicherweise, um die aufziehenden Regenwolken wegzusingen.

Auch Mike, ein junger dunkelhaariger Mann, und Susan, eine ältere Dame mit kurzen grauen Haaren, beobachten das Treiben, während sie sich unterhalten. Sie warten noch auf Diana. «Da hinten, das könnte sie doch sein. Die sieht aus, als würde sie auch auf jemanden warten. Soll ich sie mal ansprechen?», sagt Susan, doch dann steht Diana schon neben ihnen. «Ich habe mir dich grösser vorgestellt», sagt Diana zu Mike und alle lachen. Susan sagt, sie hätte Mike sofort erkannt: «Die athletische Statur.» Der 22-Jährige war Profifussballer, spielte einige Jahre in Polen in der zweithöchsten Liga. 

Die drei sehen sich zum ersten Mal, virtuell kennen sie sich schon eine Weile durch myfive, der Integrations-App der Robert-Corti-Stiftung – Bajour hilft beim Lancieren. Die App vernetzt Geflüchtete wie Mike, der eigentlich Mykhailo heisst und seit April in der Schweiz ist, mit alteingesessenen Basler*innen wie Susan und Diana. Das Ziel: Die Einheimischen helfen den Ausländer*innen beim Einleben.

myfive app animiert

So funktioniert myfive

Die App geht von der geflüchteten Person aus. Sie stellt sich ein Netzwerk aus mindestens fünf Personen aus der Umgebung zusammen, die gleiche Interessen teilen, Freizeit miteinander verbringen oder Unterstützung und Hilfeleistungen anbieten. Erst wenn fünf Personen matchen, geht das Netzwerk auf.

Die Idee: Die geflüchtete Person hat eine ganze Gruppe zur Verfügung. Und jede*r Teilnehmer*in weiss, dass auch noch andere da sind im Netzwerk. Über eine Chatfunktion verabreden sich die Menschen und finden zueinander.

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Auch Mike hat sich auf Myfive angemeldet, nachdem er von der App in einer Telegram-Gruppe für ukrainische Geflüchtete liest. Sein Ziel: Er möchte Deutsch lernen. Und zwar fliessend. Im April ist er gemeinsam mit seiner Freundin und deren elfjährigem Sohn vor dem Krieg in seiner Heimat Kiew in die Schweiz geflohen und in Birsfelden gelandet.

Im Sommer habe er einfach auf der Strasse in Basel Leute angesprochen, um ins Gespräch zu kommen und das Sprechen zu üben, erzählt Mike. Er erzählt das mit klarer Stimme auf Deutsch; wenn er einen Fehler macht, fängt er den Satz noch einmal an. «Bitte korrigiert mich, wenn ich Fehler mache», bittet er Diana und Susan. Die beiden sind sich einig: Für gerade mal ein halbes Jahr Übung kann er sich schon sehr gut artikulieren.

Jetzt will er über myfive Leute finden, die ihm helfen, die Sprache noch besser zu sprechen. Er wählte querbeet eine Gruppe von Basler*innen aus allen Altersklassen aus. Zum ersten Treffen konnten nicht alle seiner Göttis und Gottis erscheinen. Weil die Klara so voll ist, geht die Gruppe in eine andere Bar. Diana wohnt um die Ecke, sie schlägt die Herz Cocktail Bar gleich nebenan vor. Dort könne man sich ruhig unterhalten, um sich kennenzulernen.

Der myfive-Chat von Mike und seinen Gottis und Göttis.

Der myfive-Chat von Mike und seinen Gottis und Göttis. (Foto: Screenshot zvg)

Und was hat die beiden Basler*innen motiviert, sich als Gotti auf myfive anzumelden? Susan will Geflüchteten beim Deutsch lernen helfen. «Ich bin sicher die Älteste auf der App», sagt die 78-Jährige und lacht. Die Bottmingerin war in ihrem Berufsleben Mikrobiologin: «Krankheitserreger waren meine Leidenschaft, jetzt bin ich leidenschaftliche Grossmutter.» Mit ihren Enkel*innen facetimet sie einmal pro Woche. Das bietet sie auch Mike an, damit er noch mehr Deutsch reden kann: «Du liest etwas auf Deutsch, dann facetimen wir und du erzählst mir davon.» Er lächelt, findet die Idee gut.

Für Diana ist es im Gegensatz zu den anderen beiden nicht das erste myfive-Treffen, sie ist auch in drei anderen Gruppen aktiv. Wie auch Susan hat sie durch das Basel Briefing von Bajour von myfive erfahren. Die 50-Jährige kann sich gut in die Situation von Geflüchteten hineinversetzen: Ihre Familie wanderte von der Schweiz auf den Balkan aus, als sie ein Kind war. Als während ihrer Jugend der Bürgerkrieg ausbrach, floh die Familie zurück in die Schweiz.

«Ich habe selber drei Mal alle meine Freund*innen verloren und weiss deshalb, wie es sich anfühlt, neu anfangen.»
– Diana Zaric, myfive-Gotti von Mike

«Ich habe selber drei Mal alle meine Freund*innen verloren und weiss deshalb, wie es sich anfühlt, neu anfangen.» – Diana Zaric, myfive-Gotti von Mike (Foto: zvg)

Deutsch konnte sie zwar bereits. Aber Lebensläufe und Bewerbungen schreiben, das hatte ihr niemand beigebracht. Heute arbeitet sie im Bereich Human Resources und sieht deshalb, dass viele Leute noch immer Mühe damit haben. «Da will ich gerne mein Wissen weitergeben», sagt sie. Mike hat sie schon beigebracht, wie man ein Motivationsschreiben gliedert. Andere Gruppenmitglieder verweisen ihn auf den Marktplatz der Uni Basel, um einen kleinen Job zu finden, oder auf «FlowCV», um einen Lebenslauf zu schreiben..

Viel wertvolle Unterstützung für Mike.

Viel wertvolle Unterstützung für Mike. (Foto: Screenshot zvg)

So helfen Mikes neue myfive-Freund*innen ihm auch dabei, seine Berufsziele zu verwirklichen. Während sein Grüntee zieht, erzählt er mit gefalteten Händen, wie er in seiner Schulzeit nur Fussball im Kopf hatte. Nachdem ein Unfall seine Karriere beendet hatte, betrieb er mit seiner Freundin, einer Coiffeuse, gemeinsam einen Beauty Salon in Kiew: Er managte die Buchhaltung und machte das Marketing. Auch in der Schweiz träumt er von einer Zukunft als Unternehmer und davon, eine eigene Firma zu gründen. 

Aber: Dazu braucht es hier eine kaufmännische Ausbildung. Ein Brückenangebot, also quasi eine Vorlehre, soll das ermöglichen. Dazu muss er zunächst sein Deutsch weiter verbessern. «Wenn ich irgendwann mal ein Manager sein will, muss ich auch wirklich perfekt Deutsch sprechen können», ist er überzeugt. Parallel zu diesem grossen Plan will er aber auch jetzt schon einen kleineren Job machen. «Ich will Geld verdienen und selbst meine Sachen bezahlen können», sagt er.

Seine myfive-Gottis und Göttis wollen ihm dabei, so gut es geht, eine Unterstützung sein. Nach dem Treffen schreiben die drei in den Chat ihrer gemeinsamen myfive-Gruppe. Susan meint: «Spannend war für mich die ungezwungene Begegnung von drei Generationen. Es ist sehr schön, einen so zielstrebigen jungen Menschen kennenzulernen.» Das nächste Treffen kommt bestimmt.

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