Gärngschee-Community rettet Kindernäscht – vorerst

Die 80’000 Franken für das flexible Betreuungsangebot im Herzen der Basler Innenstadt sind dank eines Crowdfundings des Vereins «Gärngschee» zusammengekommen. Doch eine langfristige Finanzierung gibt es (noch) nicht.

Kindernäscht
Kinder im Alter von 18 Monaten bis 12 Jahren können im Kindernäscht stundenweise abgegeben werden. (Bild: zVg)

Dank einem Spendenaufruf des Basler Vereins «Gärngschee – Basel hilft» kann das Kindernäscht vorerst aufatmen. Innerhalb weniger Wochen kamen die nötigen 80’000 Franken von rund 200 Spender*innen zusammen. Damit ist das wegen seiner Flexibilität bei Basler Eltern beliebte Betreuungsangebot im Herzen der Innenstadt für ein weiteres Jahr gesichert. 

Wie Gründerin Letizia Marioni auf Anfrage von Bajour sagt, sei die Freude gross: «Es ist genial, wie viel Geld in so kurzer Zeit zusammengekommen ist.» Doch sie gibt zu bedenken: «Es ist keine Rettung, es ist ein Aufschub.» In anderen Worten: «Es braucht eine langfristige Finanzierung.»

Regierung schaltet auf stur

Während der letzten 16 Jahre wurde das Kindernäscht, dessen Angebot sich stundenweise an Kinder im Alter von 18 Monaten bis 12 Jahren sowie an Kinder mit Behinderung oder Einschränkungen richtet, vom Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt jährlich mit 72’000 Franken unterstützt. Doch der Kanton will dafür nicht weiter verantwortlich sein, da das Kindernäscht nicht mehr «den geltenden Voraussetzungen des Tagesbetreuungsgesetzes» entspreche. 

Letizia Marioni
«Es braucht eine langfristige Finanzierung.»
Letizia Marioni, Gründerin Kindernäscht

Als Bajour das bevorstehende Aus der Institution Ende Juli publik machte, war die Aufregung in der Stadt gross. Zahlreiche Medien berichteten ebenfalls über die versiegten Staatsbeiträge und im September reichte SP-Grossrätin Edibe Gölgeli eine Interpellation für eine flexible und niederschwellige Kinderbetreuung ein. Doch der Regierungsrat schaltete auf stur und verwies in seiner Antwort auf andere Angebote wie Babysitter*innen und Nannys. 

Dies wiederum versetzte Bajour-Chefredaktorin Ina Bullwinkel in Rage. In einem gepfefferten Kommentar warf sie der Regierung politischen Starrsinn bzw. mangelnde Flexibilität vor und schrieb: «Die drohende Schliessung des Akut-Kinderhorts ist ein Symbol für die kinderfeindliche Umgebung unserer überalternden Gesellschaft.» 

Eine einmalige Sache

Der Kommentar blieb nicht ohne Folge: In der Gärngschee-Community kam die Idee auf, ein Crowdfunding zu starten, um das Kindernäscht zu retten. Gesagt, getan. Sogleich wurde losgelegt. Und der Rest ist Geschichte. 

Edibe Gölgeli, SP
«Das Signal der Bevölkerung an die Politik ist klar: Das Kindernäscht ist gewünscht.»
Edibe Gölgeli, SP-Grossrätin

Auch Gärngschee-Geschäftsleiterin Sandie Collins freut sich über den Erfolg. Die aktuelle Geldsammlung gehöre zu den spektakuläreren Aktionen in der Geschichte des Vereins, der in der Corona-Zeit gegründet wurde und sich mittlerweile vor allem für armutsbetroffene Menschen in der Region Basel einsetzt – beispielsweise mit seiner Mässpäggli- oder Weihnachtswunschzettel-Aktion. Collins sieht die Spendenaktion als eine einmalige Sache, das Kindernäscht habe nun ein Jahr lang Zeit, um die Finanzierung zu sichern.

Unterstützung von SP und Mitte 

Gründerin Marioni darf dabei auf die Unterstützung von Gölgeli sowie Mitte-Grossrätin Andrea Strahm hoffen. Die beiden Parlamentarierinnen wollen in der kommenden Budgetdebatte nachdoppeln. So sagt Gölgeli: «Das Signal der Bevölkerung an die Politik ist klar: Das Kindernäscht ist gewünscht.» Dies habe nicht zuletzt die Rettungsaktion von Gärngschee gezeigt.

Andrea Strahm, Die Mitte
«Wir haben schon für dümmere Sachen Geld gesprochen.»
Andrea Strahm, Mitte-Grossrätin

Gölgeli zeigt sich dabei vorsichtig zuversichtlich: «Es besteht Hoffnung, aber ich kann nichts garantieren.» Etwas deutlicher wird Strahm: «Die 80’000 Franken pro Jahr sollten wir uns leisten können, das ist quasi so viel wie ein Sonnenschirm.» Damit übertreibt Strahm zwar ein bisschen, denn für 80'000 Franken gibt es acht Sonnenschirme, bzw. das Stück kostet lediglich 10’000 Franken. Doch was sie damit sagen will, ist klar: «Wir haben schon für dümmere Sachen Geld gesprochen.»

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Valerie Zaslawski

Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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