So will die SVP «Chaot*innen» von Demos vergraulen

Die Basler SVP lanciert zwei Volksinitiativen: Mit der «Anti-Chaot*innen-Initiative» sollen Störer*innen für Schäden und Polizeikosten bei Demos zahlen. Die «Freiheits-Initiative» will strengere Vorgaben für die Bewilligungen von Demos.

Vermummte Teilnehmer einer unbewilligten Klimadenonstration durchbrechen eine Polizeiblockade in Basel, am Samstag, 11. Februar 2023. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Nach den Krawallen bei der unbewilligten Klimademo von Mitte Februar kündigte die SVP Basel ihre Doppelinitiative an. Nun wurde sie vorgestellt.

Die Ausschreitungen bei der unbewilligten Klimademo Mitte Februar (Bajour berichtete) scheint ein perfekter Steilpass für die Basler SVP gewesen zu sein. Schon seit Längerem kündigt sie eine «Anti-Chaoten-Initiative» an, die genau denen an den Kragen gehen soll, die an solchen eskalierenden Demos Polizeikosten und Sachbeschädigungen verursachen.

Über das Vorhaben wurde schon im Vorfeld viel geredet (zum Beispiel im Sonntagstalk von Telebasel), deshalb waren die Erwartungen gross, was denn nun wirklich Teil des Initiativtexts sein wird, den die SVP an einer Medienkonferenz im Restaurant zur Safran Zunft am Dienstag erstmals genauer vorstellte. Gleichzeitig wurde die «Freiheits-Initiative» (zur Medienmitteilung) präsentiert, die sich allerdings auf die Bewilligungen von Demonstrationen fokussiert.

Mit der «Anti-Chaot*innen-Initiative» will die SVP einerseits Ausschreitungen bei Demonstrationen verhindern – dazu fordert sie die Regierung auf, ein «griffiges Konzept» auszuarbeiten, um illegale Demos zu unterbinden. Andererseits sollen sogenannte «Störer*innen» – damit sind bei bewilligten Demos nicht die Veranstalter*innen, sondern diejenigen, die Schäden anrichten, gemeint – für Polizeikosten und Sachbeschädigungen haften.

Medienkonferenz SVP Anti-Chaoten-Initiative
Demi Hablützel, Pascal Messerli und Joël Thüring bei der Vorstellung der Initiativen.

«Es ist nicht in Ordnung, dass wir Steuerzahler dafür zahlen müssen», sagt Demi Hablützel, Präsidentin der Jungen SVP Basel-Stadt. Die «Anti-Chaot*innen-Initiative» hat sich die Basler SVP bei den Kolleg*innen der Jungen SVP in Zürich abgeschaut: Dort gibt es eine gleichnamige Initiative, welche denselben Zweck verfolgt. Im Februar kam die Initiative in Zürich zustande, laut einer Umfrage im Auftrag der NZZ gibt es besonders in Städten Zustimmung für das Anliegen.

Dass die Basler SVP nun fast 1:1 das Gleiche fordert, ist kein Zufall: Die Umfragen aus Zürich tönen auch für Basel vielversprechend. Für die SVP bietet sich an, damit die «Freiheits-Initiative» zu verknüpfen, die man sowieso schon im Köcher hatte. Sie nimmt zwei im Parlament gescheiterte Vorschläge wieder auf: Das Verbot von Demonstrationen in der Innenstadt während Grossveranstaltungen (Anzug von Joël Thüring, 2020) und an Samstagen (Motion von Roger Stalder, 2022). 

SVP sieht keine Beschneidung von Grundrechten

Von grundsätzlichen Verboten ist bei dieser Initiative nun keine Rede mehr, es wird offener und abwägender formuliert: Bewilligungen sollen künftig mehr Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse des Gewerbes (das heisst: spärlicher an Samstagen). Der Tramverkehr sowie Grossanlässe wie Herbstmesse und Fasnacht sollen nicht gestört werden. Wie streng das gehandhabt werden soll, lässt die SVP offen und spielt den Ball für die Ausarbeitung an die Regierung. Ebenso wird bei der «Anti-Chaot*innen-Initiative» vorgegangen, es handelt es sich um sogenannten «unformulierte Initiativen». Damit will die SVP verhindern, dass das Grundrecht auf Demonstrationen als Totschlagargument gegen ihre Initiative verwendet wird. Denn dieses Grundrecht wolle man mit den Initiativen gar nicht beschneiden, wie Parteipräsident Pascal Messerli erklärt. «Die Demonstrationsfreiheit umfasst aber eben nicht das Recht darauf, zwingend einen Demonstrationszug über die Mittlere Brücke führen zu müssen», führt er aus. Und verweist auf einen entsprechenden Basler Gerichtsentscheid, der genau diese Haltung bekräftigt.

Fast täglich eine Demo? Nicht wirklich

Darüber hinaus müssten auch die Rechte aller anderen, nicht nur der Demonstrierenden, berücksichtigt werden, so Messerli: Zum Beispiel die von gehbehinderten Menschen, die auf das Tram angewiesen sind. Auch wenn die SVP damit anekdotisch an die von Verkehrsumleitungen genervte Basler Bevölkerung appelliert, ist die Hauptadressatin der «Freiheits-Initiative»: das Gewerbe. Ähnliche Vorschläge brachten vergangenes Jahr notabene auch vier gewerbefreundliche Verbände in einem offenen Brief an die Regierung ein. 

Demonstrationsstatistik 2022
Eine Grafik, die der SVP gelegen kommt. Nur: Auch Standkundgebungen und Mahnwachen werden in der Statistik als «Demonstration» erfasst.

Grossrat Joël Thüring stellt dann auch an der Pressekonferenz die Pandemie-, Baustellen- und Onlineboom-gebeutelten Läden in der Innenstadt in den Fokus. Zu all diesen schwierigen Gegebenheiten käme dann noch «jeden Samstag eine Demo» hinzu. Sowieso spielt die Häufigkeit von Demos eine zentrale Rolle in der Begründung der SVP. Mit einer Grafik soll veranschaulicht werden, dass sich die Anzahl der Demos seit 2016 verdreifacht habe – sodass heute «fast täglich eine Demo stattfindet».

Dieses Narrativ ist derweil verzerrt. Ein Blick in die Demonstrationsstatistik 2022 zeigt, dass von den 287 Demonstrationen nur 77 «dynamisch» sind (Bajour berichtete) – 33 davon fanden an Samstagen statt. Der Rest sind Mahnwachen oder Standkundgebungen. Doch für die Basler SVP ist das zweitrangig, bei der Medienkonferenz blickt sie lieber auf die Gesamtzahlen: Es seien zu viele Demos.

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