«Solche Vorschläge sind gefährlich»
Hooligan-Experte Clifford Stott erforscht Fangewalt und berät Polizeistellen weltweit. Er sagt: Mehr Repression könne Gewalt bei Demos nicht verhindern.
Wer bei einer Demo randaliert, soll den Schaden und die Polizeikosten bezahlen. So lautet die Forderung der «Anti-Chaot*innen-Initiative» der Basler SVP (Bajour berichtete). Die SVP will die Regierung mit ihrer Initiative dazu bringen, dass unbewilligte Demos auch wirklich nicht stattfinden, Randalier*innen auch wirklich verhaftet werden. Und mit der «Freiheits-Initiative» möchte die Partei erreichen, dass die Zahl der Demos in Basel schrumpft und sie doch bitte nicht so oft durch die Innenstadt führen.
Ist diese Strategie sinnvoll, um die Anzahl Demonstrationen zu beschränken und Ausschreitungen zu verhindern?
Anruf in Keele, England, bei Clifford Stott. Er ist Experte für Massenpsychologie und eine Koryphäe in der Erforschung von Fussball-Hooligans. Er sagt: «Solche Vorschläge sind gefährlich.»
Clifford Stott forscht an der Keele University nahe Newcastle in England. Er hat Gewalt von Fussballfans untersucht und berät Behörden und Polizei weltweit. Seine Vorschläge zum Umgang der Polizei bei Fussballspielen wurden von der UEFA europaweit eingeführt und haben zur Reduktion von Gewalt geführt.
Für ihn sind Forderungen nach schärferem Durchgreifen eine Kurzschlussreaktion: «Man sieht Bilder von gewalttätigen Demos und will mit repressiveren Regeln weitere Ausschreitungen verhindern.» Die Anpassung von Gesetzen sei allerdings nicht der ideale Weg.
Denn die Gesetze erlaubten es der Polizei bereits, einzugreifen und Demonstrant*innen, welche das Gesetz brechen, zu bestrafen. «Wenn die Polizei gewalttätige Demonstrant*innen nicht verhaftet, dann häufig nicht wegen fehlender Gesetze, sondern weil sie die Lage so einschätzt, dass ein Eingreifen zu noch mehr Gewalt führen würde», so der Forscher.
Im Fall der unbewilligten Klima-Demo vom 11. Februar, die jüngst zu reden gab, hat die Kantonspolizei keine der Demonstrierenden verhaftet. Im Nachhinein gab die Polizei gegenüber Medien zu Protokoll, man habe die Lage im Vornherein unterschätzt. Das Polizeiaufgebot war vergleichsweise klein. Polizeisprecher Adrian Plachesi sagt dazu: «Um gewaltbereite Personen in einem Mob anzuhalten und gleichzeitig die Gesamtsituation im Griff zu haben, braucht es ein gewisses Mass an polizeilichen Ressourcen, die die Polizei an diesem Einsatz nicht hatte.»
Aktuell leidet die Polizei, wie viele andere Berufe auch, an einem Personalmangel. Und das hat offenbar auch mit den vielen Demos zu tun, sagt Harald Zsedényi vom Polizeibeamten-Verband Basel-Stadt in der bz. Auch Plachesi sagt: «Je mehr Demonstrationen, desto grösser die Belastung für die Kantonspolizei.»
Die Regierung soll ein Konzept entwickeln, damit unbewilligte Demos nicht illegal stattfinden. Weiterhin sollen Störer*innen an Demos für Polizeikosten und Sachbeschädigungen haften. Darüber hinaus sollen künftig strengere Regeln bei der Bewilligung von Demos gelten: Die Interessen von Gewerbe und der Bevölkerung sollen mehr berücksichtigt werden. Das heisst: Keine Einschränkung im Tram-Verkehr, weniger Demos in der Innenstadt an Samstagen und keine Störung von Grossanlässen.
Ergibt es daher Sinn, die Anzahl Demos zu beschränken, um Bevölkerung, Gewerbe und Polizei zu entlasten, wie es die SVP will?
So eine Beschränkung könnte laut Experte Clifford Stott kontraproduktiv sein. «Wenn eine demonstrierende Gruppe sich in ihrer Freiheit eingeschränkt sieht, fühlt sie sich ermutigt, sich der Autorität zu widersetzen.» Es geht also auch um eine gefühlte Einschränkung der Freiheit, die das Potenzial hat, zu Ausschreitungen zu führen.
Die Basler SVP ist sich bewusst, dass es mit ihrer Initiative zu mehr Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrant*innen kommen könnte. Grossrat Joël Thüring sagte diese Woche bei der Medienkonferenz: «Wir müssen ertragen, dass es dann mal wüste Szenen gibt, wenn der Rechtsstaat durchgreift.»
Eine Eskalationsspirale, eine «self-fullfilling prophecy», sei so programmiert, sagt Experte Stott. Was würde er also empfehlen, um der sich hochschaukelnden Lage zu begegnen? Er hat, abgeleitet aus seiner Forschung, einige Vorschläge:
- Dialogorientierte Deeskalation
- In Forschung investieren, um zu analysieren, warum es zu Gewalt kommt
- Die Regeln im kantonalen Schweizer Flickenteppich vereinheitlichen
Wie Basel mit seiner Demo-Problematik umgehen wird, ist derzeit noch offen. Die SVP sammelt seit 8. März Unterschriften.
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