Über dem Joggeli scheint wieder die Sonne
Am liebsten würde Lory auf Pause drücken: «Sein» FC Basel befindet sich grad im Idealzustand. Eine träumerische Momentaufnahme.
Fussball ist ein schnelllebiges Geschäft, das erkennt man auch daran, dass alle Blicke ständig nach vorne gerichtet sind:
Der FC Basel habe «eine Kampfansage an die Liga» gemacht, schreibt beispielsweise die bz am Tag nach dem 5:1-Sieg gegen Servette, er «sammle fleissig Argumente», heisst es in der BaZ. Und David Degen, der Ex-Spieler und Neo-Club-Präsident, plant in Holland schon mal die Kaderzusammenstellung für den FCB von morgen.
STOPP, möchte man da am liebsten rufen, nicht so schnell! Lasst uns noch ein bisschen beim FCB von heute verweilen.
Denn jetzt, in diesem Augenblick, stimmt alles. Die dunklen Wolken haben sich gelichtet, über dem Joggeli scheint wieder die Sonne.
Bernhard Burgener, Ciriaco Sforza, Roland Heri – sie alle sind weg, und mit ihnen offensichtlich auch der schlechte FCB. Plötzlich ist der Club wieder dort, wo wir ihn sehen wollen: an der Tabellenspitze. Und der Weg dorthin – ein Augenschmaus:
Vor allem die letzten beiden Heimspiele luden mit jedem FCB-Tor (sechs gegen den FC Sion, fünf gegen Servette) mehr und mehr dazu ein, in den besten rotblauen Erinnerungen zu schwelgen.
Denn es sind nicht nur die Resultate, die endlich wieder stimmen. Sondern auch die Mannschaft, die auf (und neben) dem Platz steht. Der FCB-Kader hat innert wenigen Wochen derart viele Zu- und Abgänge verzeichnet, als hätten Degen und die Transferkommission zu viel Fifa gezockt.
Rushes wie einst Philipp Degen
Doch diese Spieler machten von ihren ersten Spielminuten an richtig Freude. Da rusht der junge Spanier Sergio Lopez die ganze rechte Platzhälfte runter wie einst Philipp Degen, da schlägt der Argentinier Mati Palacios Zuckerpässe wie einst sein Landsmann Mati Delgado, da tankt sich der erst 19-jährige Italiener Sebastiano Esposito vorne durch wie einst Embolo.
Sie (und viele weitere im Kader, Pelmard etwa, GRANATE!) gehören zweifellos zu jenem Spielertyp, die der FCB in seinen Meister- und Champions-League-Saisons immer gepflegt hat: überdurchschnittlich talentiert und für höhere Aufgaben berufen – aber jetzt schon gut genug, um beim FCB für den Unterschied zu sorgen.
Für keinen im aktuellen Team gilt das so sehr wie für ihn: Arthur Cabral.
Wann hatte der FCB zuletzt einen derart guten Angreifer? Ein Mittelstürmer, der harte Physis und feinste Technik zu einem fussballerischen Feuerwerk entzündet? Es wäre übertrieben zu sagen, dass er mit seinen Toren (es sind schon acht in der laufenden Saison plus fünf Assists) den Graben zwischen Club und Fans alleine aufgeschüttet hat. Aber Cabral ist alleine schon das Eintrittsgeld wert.
Das sehen praktisch alle Fans so:
Wie verwandelt
Wer hätte das gedacht? Als Bajour Anfang März, also vor knapp fünf Monaten, die Community gefragt hat: «Was für einen FCB wünscht ihr euch?» – da antwortete fast die Hälfte von euch: «Lieber ein Neustart in der Nati B als weiterhin mit Burgener».
Über 1000 Leser*innen haben bei unserer FCB-Townhall mitgemacht. Eine deutliche Mehrheit wünscht sich einen Abgang von Präsident Bernhard Burgener. Überraschend viele würden dafür sogar einen Abstieg in Kauf nehmen.
Eine radikale Aussage, die vor allem einen Einblick in die geschundene Fanseele gab. Da war ein Club, da waren seine Anhänger*innen – und dazwischen ein Graben, der immer grösser wurde.
Die 2:6-Niederlage im Cup gegen den unterklassigen FC Winterthur, der überforderte Trainer, die Beurlaubung von Captain Stocker – wir wollen die alten Geister gar nicht länger beschwören. Aber: Man musste schon ziemlich masochistisch veranlagt sein, um sich diese Spiele noch antun zu wollen.
Unsere Fussballbegeisterung lag winselnd in einer dunklen Ecke. Selbst als der FCB die Saison 20/21, nach dem Trainerwechsel von Ciriaco Sforza zu Patrick Rahmen, Ende Mai immerhin auf Platz zwei abschloss (allerdings mit 31 Punkten Rückstand auf Meister YB) zuckten wir mit den Schultern. War das das Ende von etwas Altem oder der Anfang von etwas Neuem? Kein Schimmer.
Wir waren einfach froh um die Sommerpause, um all die kommenden Wochenenden, an denen man nicht ständig widerwillig dem Drang nachgab, Fussballresultate nachzuschauen.
Unerwartete Euphorie
Und dann, Mitte Juni, geschah etwas Unerwartetes.
Nicht etwa der Clubbesitzer-Wechsel von Burgener zu David Degen, der hoffnungsvoll, aber mit vielen Fragezeichen aufgenommen wurde. Sondern die guten Leistungen der Schweizer Nationalmannschaft an der Europameisterschaft.
Der Sieg im Penaltyschiessen gegen Weltmeister Frankreich, das erstmalige Vorstossen in den Viertelfinal: es war wie ein Knall! Plötzlich lag man sich wieder jubelnd in den Armen und nickte am nächsten Tag beim Einkaufen wildfremden Menschen im Nati-Trikot zu.
Coronafrust, die schlechten Leistungen des FCB – wie weggefegt. Fussball machte endlich wieder verdammt nochmal SPASS!
Die Schweiz gewinnt an der Fussballeuropameisterschaft gegen Weltmeister Frankreich und steht im Viertelfinale. C’est la folie. Der Stimmungsbericht zum Spiel aus Basler Kneipenoptik.
Zur Euphorie, die im ganzen Land aufkam, trug der FC Basel natürlich nur wenig bei. Mit Eray Cömert und Silvan Widmer standen zwei FCB-Spieler im Schweizer Kader; gespielt hat nur Widmer, der den FCB inzwischen Richtung Mainz 05 verlassen hat, und auch Cömert steht offenbar vor einem Absprung.
Es ist aber das Verdienst des FCB, dass er diese spontan entstandene Fussball-Euphorie in die engste Manndeckung nahm, dass er ihr keinen Platz liess, sich hier aus Basel wieder rauszuwuseln.
Am 22. Juli, elf Tage nach dem EM-Final, ging die neue Saison los. Und der FCB hat seither alle Spiele (drei im Europacup, drei in der Meisterschaft) gewonnen. Aktuell hat der FCB fünf Punkte Vorsprung auf (Serien-)Meister YB, ein überragendes Torverhältnis von 13:2. Wer zuschaut, fühlt sich an die besten Zeiten unter Christian Gross und Thorsten Fink zurückerinnert.
Legt das Misstrauen beiseite
Klar, die «schweren Brocken» in der Liga kommen erst noch, und die berühmten «magischen Nächte» gibt es diese Saison höchstens in der Conference League statt in der Champions League. Ausserdem hapert es mit dem Verkauf der Saisonkarten. Schuld daran ist Corona, die Ferien und vielleicht auch ein vom Frühling nachklingendes Misstrauen gegenüber dieser (zu?) schnellen positiven Entwicklung in und um den Club.
Legt dieses Misstrauen beiseite.
Die Tage, wenn uns Publikumsliebling Cabral verlässt, die ersten Punktverluste verbucht werden und die Beine der Spieler wieder knüppeldick sind, kommen früh genug.
Denken wir nicht daran, sondern geniessen wir den Moment. Denn jetzt ist alles gut, und das war es schon lange nicht mehr. So gut, dass wir insgeheim schon Richtung Barfi schielen, und in Gedanken Stocker, Cabral (🤞), Pelmard und Co. auf dem Balkon zujubeln.
Hast du auch Lust, wieder ins Stadion zu gehen? Mit dem Bajour-Cap aus der Tarzan-Kollektion siehst du selbst bei grellster Sonneneinstrahlung, wie Stocker und Co. auf dem Rasen zaubern.