Jetzt trägt Bettler Ludovic halt weiterhin seinen Bademantel
Die bettelnden Roma frieren sich in Pullis und Schläppli einen ab und schlafen erst noch draussen. Das geht doch nicht, dachte sich Gärngschee-Mitglied Jean und verteilte am Montag Kleider und Schlafsäcke.
Ein Buschi im Bauch hält warm. Aber bei Minustemperaturen wäre eine Jacke nicht schlecht. Vor allem, wenn man draussen schläft, so wie die schwangere Roma-Frau am Bahnhof. Zum Glück gibts Jean.
Es ist Montagabend nach 18 Uhr. Jean steht dick eingepackt in Daunenjacke, Schal und Mütze vor dem Haupteingang des Bahnhof SBB. Hinter ihr stehen prall gefüllte Säcke und Koffer mit Kleidern und Decken. Die Sachen hat Jean gesammelt: Ich habe ein paar Secondhandläden abgeklappert und alles mitgenommen, was irgendwie brauchbar war.»
Jean ist Community-Mitglied der Gärn-Gschee-Gruppe. Dort hat sie am Sonntag, 29. November, einen Aufruf gestartet, um für die obdachlosen Roma in Basel warme Kleidung, Schlafsäcke, Decken und Lebensmittel zu sammeln. «Wir stehen bloss seit wenigen Minuten hier am Bahnhof und frieren schon. Wie muss es dann den Bettlern gehen?», sagt sie. Täglich fahre sie unter der Woche mit dem Tram durch die Stadt zu Arbeit. Dabei seien ihr die vielen bettelnden Menschen aufgefallen. «Es ist kalt, es ist nass und ihnen fehlt es an allem. Wir können sie nicht alle retten, das weiss ich, aber nichts tun, ist auch keine Lösung.»
Eine Frau in schwarzem Mantel und mit schwarzer Gesichtsmaske stellt sich dazu und deponiert einen Sack und ein paar Winterschuhe neben Jeans Koffer. «Ich bin Eva», sagt sie. Ich habe euren Aufruf in der Gärn-Gschee-Gruppe gesehen und wollte die Aktion unterstützen. Das sind Winterkleider, die ich zu Hause hatte und nicht mehr brauche», sagt sie. Vier weitere Helfer*innen tauchen auf, bringen Säcke und Kleider.
Sie holen sich, was sie kriegen können
«Ok, tragen wir die Sachen zu der Gruppe», sagt Jean. Die Helfer*innen sprechen zwei Männer an. Und dann geht es schnell: Kaum realisiert die Gruppe Bettler*innen, die vor dem Bahnhof steht, dass da eine Verteilaktion stattfindet, versammeln sie sich um die Koffer und Säcke und holen sich, was sie kriegen können. An den Füssen tragen sie nur billige Schläppli, keine Schuhe.
«Ihr seid gute Menschen», sagt einer der Roma immer wieder. Eine der Helferinnen spricht Romanes und hilft beim Übersetzen: «Er sagt, seine Frau sei schwanger und hätte keine warme Jacke.» Der Mann redet schnell auf uns ein und deutet auf seine Frau, die ihren kugelrunden Bauch hält. Sie trägt mehrere Blusen und Pullover übereinander. Mehr nicht. Eine der Helfer*innen reicht ihm einen gefütterten Wintermantel.
Plötzlich steht Ludovic vor uns, ein alter Bajour-Bekannter. Der Rumäne mit der breiten Nase und der gefurchten Stirn hat im Sommer mit seiner Grossfamilie im Wettsteinpark übernachtet. Und er ist immer noch hier. Gegen die Minustemperaturen schützt er sich mit einem Pullover und einem schwarzen Frottee-Bademantel darüber, um seinen Kopf hat er sich einen Schal gewickelt. Jetzt bekommt Ludovic eine weinrote Decke, die Jacken sind alle weg. «Wir brauchen mehr Sachen für die Nacht» , sagt er. Aber die schwarzen Säcke sind leer.
«Mehr kann ich mit meinen Mitteln nicht tun», sagt Jean. Am Dienstag um 18 Uhr steht sie wieder am Bahnhof und verteilt warme Sachen und Essen.
Die Bettler*innen, die jetzt bei Minustemperaturen übernachten, sorgen in der Politik immer noch für Diskussionen. Die bürgerliche Mehrheit im Grossen Rat will das abgeschaffte Bettelverbot wieder einführen.
Jean versteht, dass viele Menschen in Basel sich durch die Aufdringlichkeit der Bettler*innen gestört fühlen. «Aber sie haben nun mal Hunger, sie frieren», sagt Jean. Für Eva wäre der Kanton in der Verantwortung: «Basel hat genug Geld. Es muss endlich etwas passieren. Man darf dieses Elend doch nicht einfach so hinnehmen», sagt sie und schüttelt leicht den Kopf.
Willst du Jean helfen?
Heute Dienstag, 1. Dezember um 18.30 Uhr, wird sie wieder vor dem Bahnhofseingang gegenüber des Coop (an der Centralbahnstrasse) stehen und Spenden entgegennehmen.
Es braucht noch immer:
- Schlafsäcke
- Isolations-Matten für unter den Schlafsack
- dicke Decken
- warme Jacken
- Schals
- Handschuhe
- Mützen
- Wollsocken
- verpacktes und direkt verzehrbares Essen
- Thermoskanne mit warmen Getränken und Bechern