So sprengen Linksautonome rechtsradikale Netzwerke

Der Pnos-Vorsitzende Tobias Steiger hat in einem öffentlich zugänglichen Basler Telegram-Chat gegen jüdische Mitmenschen gehetzt. Jetzt haben Aktivist*innen ihn mit Antifa-Stickers quasi lahmprovoziert.

Screenshot aus antisemitischem Chat
Das sind die harmlosesten Sujets aus dem Chat. (Bild: Screenshot aus Chat)

Wie bringt man einen «national orientierten Schweizer» zum Schweigen? Man flutet ihn mit linker Provokation. Das musste Tobias Steiger, seines Zeichens Basler Pnos-Vorsitzender und Hitlerverehrer, in den letzten Wochen erleben. 

Das kam so: Tobias Steiger ist Mitglied eines öffentlichen Basler Telegram-Chats, der sich dem «Patriotismus» verschreibt und antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet. Bajour hat im Dezember schon einmal darüber berichtet

Steiger wirft im Chat mit Heil-Hitler-Grüssen um sich, teilt Videos, die Jüd*innen und Geflüchtete abwerten und spinnt rassistische Theorien von Weltverschwörungen, die wir hier nicht wiederholen. Steiger steht dazu. Gegenüber Bajour sagt er am Telefon: «Ich bin ein Nationalsozialist.» Er erzählt etwas von der «Geschichte der Menschheit». Im Zuge dessen schreit er auch «Sieg Heil» ins Ohr der Bajour-Redaktorin, ruft nachher aber noch einmal zurück, um seine Stellungnahme abzugeben.

Byebye und tschüss

Doch mittlerweile ist die rechte Idylle im Chat gestört. Vor ein paar Wochen haben linke Aktivist*innen den öffentlich zugänglichen Chat gekapert und geflutet. Mit Liebe und Toleranz - den beiden Höchststrafen für stramm stehende Hassbotschafter*innen. Und mit Pöbeleien. Sehr grenzwertigen Pöbeleien.

Am 24. April trat ein neues Mitglied namens «Antifaschismus ist eine Pflicht» bei, es folgten weitere namens Marcel, Liam, Elias, Edon oder CJK. Statt Hakenkreuz-Fahnen teilten sie: Regenbogen-Fahnen, Sprüche wie «Refugees welcome» und einen Haufen Herzchen.

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(Bild: Screenshot aus dem Chat)

Dann wirds didaktisch verwirrlich. Die Linksautonomen nennen den rechtsextremen Tobias Steiger mehrfach «Juden», lachen ihn aus, weil er «nicht schreiben könne» und fordern ihn auf, doch bitte Beweise für seine Verschwörungstheorien zu liefern. Tobias Steiger wirft weitere Emoticons, Bilder und Videos mit Hitlergrüssen sowie Sprachnachrichten und Verschwörungstheorien in die links unterwanderte Chat-Runde.

Konstruktiv ist das nicht

Dabei sind auch die Linksaktivist*innen weder zimperlich noch konstruktiv. Ein «Elias» wirft Tobias Steiger zum Beispiel in einer Sprachnachricht vor, er sei eine «behinderte Geburt», die man nach deutschem Recht «jagen und einlochen» würde und CJK schreibt: «Erhäng dich doch».

Suchst du den Journalismus unter den Verschwörungstheorien?

Bajour hat recherchiert, wer hinter den Linksaktivist*innen steckt und sie auf Telegram angeschrieben. Fünf von ihnen haben geantwortet. Sie seien Mitglieder eines geheimen Netzwerks, die meisten ihrer Teilnehmer*innen seien aus Deutschland, ein paar aber auch aus der Schweiz. Ihr Ziel: «Wir wollen Leute wie Steiger aushebeln», schreibt einer der Aktivist*innen, der sich Marcel nennt und nicht mit Nachnamen genannt werden will. Es handle sich um eine Splittergruppe des öffentlichen Gruppen-Chats «Nein zur AfD», der über 600 Mitglieder zählt. 

Sie gingen gezielt öffentliche Gruppen-Chats an, in denen rechtsextremes Gedankengut verbreitet wird, um sie zu «zerschlagen», erzählt Marcel. Es existiert eine Liste mit Dutzenden solcher patriotischer Gruppen-Chats. Alleine in der Schweiz gibt es sechs. Die Strategie des linksautonomen Netzwerks ist die Provokation. Die Ausdrücke «Jude» oder «behinderte Geburt» seien satirisch gemeint, inhaltlich würden sie sich davon distanzieren, so Marcel.

Das Phänomen, dass linksautonome Gruppen die gezielte Konfrontation mit Rechtsextremen im digitalen Raum suchen, ist nicht neu. Die «New York Times» hat kürzlich den Podcast «Rabbit Hole» publiziert, in dem ein Youtuber erklärt, wie er sich zuerst von einem linken Highschool-Schüler in einen Trumpwähler und dann wieder einen Linken verwandelte – beides Mal getrieben von Propagandavideos auf Youtube.

Screenshot
(Bild: Screenshot aus dem Chat)

Auch die Linksautonomen in den USA setzen auf eine politisch nicht korrekte Sprache, welche die Grenze des Respekts überschreitet – um junge Leute anzuziehen. Aber ihre Waffe ist nicht die Provokation allein, sondern vor allem auch die Argumentation. Davon findet man bei den Aufmischer*innen im Basler Chat auch ein bisschen was, aber viel davon ist reines Nä-nä-nä-nä-nä.

Schweizer Rassismusexpert*innen haben solche Chats auf dem Schirm. Einer davon ist Dominic Pugatsch: Er ist Jurist und Geschäftsleiter bei der Schweizer Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Laut Pugatsch ist es strafbar, menschenverachtende antisemitische und rassistische Parolen und Bilder in einem öffentlichen Chat zu teilen: «Es ist gemäss der Rassismus-Strafnorm verboten, öffentlich Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion herabzuwürdigen.» 

Strafbar, weil öffentlich

Der springende Punkt sei zudem, dass der vorliegende Chat öffentlich zugänglich und für jeden einsehbar sei. «Die Strafverfolgungsbehörden müssen bei Offizialdelikten wie bei der Rassismusstrafnorm von Amtes wegen tätig werden, wenn sie ihnen zur Kenntnis gelangt», sagt Pugatsch.  

Der Experte findet es vor allem bedenklich, dass bei solchen öffentlichen Chats Jugendliche leicht mit extremistischem Gedankengut in Kontakt kommen. Extreme Gruppierungen aller Spektren könnten so unverhohlen für ihre menschenverachtenden Ideologien werben und neue Anhänger*innen gewinnen, sagt er.

Die Aktionen der linksautonomen Infiltrierenden im antisemitischen Basler Chat mögen inhaltlich fragwürdig sein, doch offenbar wirkt die Strategie. Mittlerweile wurde Steiger im Chat sogar blockiert, wie er gegenüber Bajour am Telefon bestätigt: «Wenn man zu viele Posts hintereinander macht, passiert das automatisch.» Ausserdem habe sich der Administrator aus dem Chat verabschiedet und könne ihn nicht wieder freischalten. Tatsächlich handelt es sich bei den Admins um Bots. Auch sonst ist es ruhig geworden, seit einigen Tagen postet kaum jemand etwas.

Bajour hat bei der Basler Staatsanwaltschaft am Freitag Nachmittag niemanden für eine Stellungnahme erreicht. Wir versuchen es nächste Woche noch einmal und machen ein Update.

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Bei Bajour als: Reporterin

Davor: Zürcher Studierendenzeitung, Republik und anderes

Kann: vertrauenswürdig, empathisch und trotzdem kritisch sein

Kann nicht: Still sitzen, es gut sein lassen, geduldig sein

Liebt an Basel: Die vielen Brücken, Kleinbasel

Vermisst in Basel: Das Meer

Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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