50 Jahre Frauenfussball: Rivalität und Freundschaft
Das FCZ-Museum in Zürich zeigt ab Ende August eine Ausstellung zum Jubiläum des Frauenfussballs in der Schweiz. Der Bolzplatz widmet sich deshalb den schuttenden Frauen und fragt: Gab und gibt es auch bei den Frauen eine Rivalität zwischen Basel und Zürich?
50 Jahre Frauenfussball in der Schweiz. Eine kurze Zeit. Der Frauenfussball sei davor immer schon verboten gewesen. Das hört man oft. Doch sollte man etwas genauer hinsehen, um die Entstehungsgeschichte zu verstehen.
«Bis nach dem 1. WK war der Fussball für Frauen recht selbstverständlich.»
Verboten war der Frauenfussball anfänglich nicht. Frauen war es in den Anfangszeiten des Fussballs im 19. Jahrhundert beispielsweise erlaubt, den faszinierenden Sport zu betreiben. In England, dem Geburtsland des Fussballs, gab es bereits um 1895 Frauenmatches. Bis nach dem Ersten Weltkrieg war der Fussball für Frauen recht selbstverständlich. Allerdings beschloss die Football Association 1921 in England ein Verbot für Frauen, sich im Fussball zu betätigen. Den Vereinen wurde mit Bussen und Ausschluss gedroht, wenn sie weiterhin Frauen auf ihren Plätzen spielen liessen.
Argument: geschädigte Gebärfähigkeit
Häufig wurden Geschlechterrollen und medizinische Vorwände gegen den Fussball vorgeschoben. Frauen gehörten an den Herd und nicht auf den Platz, Fussball sei zu roh und physisch nicht zumutbar für Frauen – und die Gebärfähigkeit würde geschädigt.
Ein Blick in die Schweiz zeigt: Bereits 1923 wurde in der Westschweiz gekickt, eine Gruppe von 25 Frauen nannte sich «Les Sportives». Ihre Spuren verlieren sich jedoch schnell wieder. Es sollte noch über 40 Jahre dauern, bis dem Fussball für Frauen zum Durchbruch verholfen wurde.
Analog zum Ausland gab es – insbesondere seitens der Männer – grosse Vorbehalte, so distanzierte sich der Schweizerische Fussballverband (SFV) noch 1957 von einem in Basel geplanten «Damen-Fussball-Länderspiel» zwischen den Niederlanden und Deutschland: Der Anlass sei kein sportlicher Anlass, sondern «eher in die Kategorie einer Schaustellung oder Zirkusdarbietung» einzuordnen (Sport, 28.8.1957).
Aufbruch in den 1960ern
Die Zeit ab den 1960er-Jahre hingegen war geprägt vom sportlichen und gesellschaftlichen Aufbruch. Neue Freizeitmöglichkeiten und Emanzipationsbestrebungen, aber auch der gesellschaftliche Wandel führten zu einer teilweisen Anerkennung des Fussballs für Frauen. Insbesondere an Grümpelturnieren erprobten sich nun auch Frauen im Flankenschlagen, Penaltyschiessen und Grätschen. Pioniercharakter hatte dabei das Grümpelturnier-Team «FC Goitschel», welches 1965 im aargauischen Murgenthal von den Schwestern Monika und Sylvia Stahel gegründet wurde.
Um die Anerkennung der männlich dominierten Fussballwelt zu erhalten, brauchte es jedoch mehr als Grümpelturniere. Dies war den Pionier*innen bewusst, entsprechend kämpften sie dafür, den Fussball zu institutionalisieren. Ein erster Schritt war dabei die Gründung eines offiziellen Vereins, was im Februar 1968 mit der Gründung des «Damenfussballclub Zürich» erstmals gelang. Der DFCZ schloss sich später dem FC Zürich an. Zwei Jahre später, am 24. April 1970, wurde eine eigene Liga aus der Taufe gehoben, die «Schweizerische Damenfussball-Liga» (SDFL).
Interessant ist, dass Bestrebungen für eine eigene Liga praktisch gleichzeitig und unabhängig voneinander in der West- und Deutschschweiz auftraten. Wohl auch, weil sich die Spielerinnen an Turnieren begegneten und in den Medien von den lokalen Initiativen vernahmen. Denn das mediale Echo war durchaus gross, als Mädchen und Frauen dem Ball nachzurennen begannen – wenn auch noch etwas onkelhaft:
Die erfolgreiche Institutionalisierung des Frauenfussballs gelang trotzdem. Wohl auch deshalb, weil die Frauen auf die tatkräftige Unterstützung einiger Männer zählen konnten, die von den Herren beim Fussballverband weniger schräg angeschaut wurden.
«Die Pionier*innen sahen sich kaum als feministische Aktivist*innen – sie wollten 'eifach schutte'.»
Oft waren es Väter fussballbegeisterter Töchter oder Bekannte und Freunde, die selber Fussball spielten und bei Vereinen für den Frauenfussball warben. Obwohl die Etablierung des Frauenfussballs mit dem gesellschaftlichen Aufbruch der 68er-Bewegung korrelierte, sahen sich die Pionier*innen aber kaum bis gar nicht als feministische Aktivist*innen. Sie wollten «eifach schutte».
Seitens des SFV wurde die Frauenliga-Gründung begrüsst, allerdings war die Begrüssung eher reserviert: Die SDFL wurde zunächst den sogenannten «unteren Serien», also den Amateurligen, zugeordnet und nur informell dem Fussballverband angeschlossen. Zudem mussten die Teams einem bestehenden Männerclub angeschlossen sein. Nichtsdestotrotz vereinte die Liga beim Start 1970 bereits 18 Vereine, 1974 waren es dann 34 Vereine.
Pionierinnen in Basel
In der Region Basel gehörten die Frauensektionen von Therwil, Sparta Basel, Rapid Basel, BCO Alemannia und Nordstern zu den Fussball-Pionierinnen. 1985 wurde die Frauensektion des FC Concordia Basel gegründet, die 2009 vom FC Basel übernommen wurde. Die älteren ‘Männer-Vereine’ aus der Nationalliga A und B hatten – abgesehen vom FC Zürich, vom FC Aarau und vom FC Sion – zunächst keine eigenen Frauenteams. Erst in der letzten zehn bis fünfzehn Jahren setzte eine grossflächige Integration von Frauenteams in die Proficlubs der Männerliga ein. Frauenfussball wurde zunehmend professioneller, entsprechende Infrastrukturen und Finanzen können nur Proficlubs bieten.
In der Frauenliga kristallisierten sich deshalb andere Topteams und Rivalitäten heraus: Die ersten Jahre dominierte der FC Aarau und gewann die Meisterschaft viermal hintereinander. Dies war auch eine Folge des Anschlusses der eingespielten Grümpelturnier-Frauschaft vom FC Goitschel an den FC Aarau. Erst in der Saison 1974/75 konnte die Dominanz durch den DFC Alpnach gebrochen werden. Der FC Sion gewann die Meisterschaft danach zweimal.
«Seit 2008 sind die FC Zürich Frauen praktisch Serienmeisterinnen.»
Die 1980er und -90er war von der grossen Rivalität zwischen dem SV Seebach und dem DFC Bern geprägt. Seit 2008 sind die FC Zürich Frauen praktisch Serienmeisterinnen und auch im Cup sehr erfolgreich. Eine Dominanz, die vergleichbar mit derjenigen des FC Basel bei den Männern ab 2009 ist. Die Frauen des FCB wurden 2014 immerhin Cupsieger.
Mangelnde mediale Aufmerksamkeit für Top-Spielerinnen
Als die FCB-Spielerin Vanesa Hoti 2019 zum FC Zürich wechselte, hörte man davon in den Medien praktisch nichts. Auch der zwischenzeitliche Wechsel von Meriame Terchoum vom FCZ zum FCB davor war kein Thema. Die mangelnde mediale Aufmerksamkeit gegenüber dem Frauenfussball mag ein Grund dafür sein. Würde aber ein Taulant Xhaka zum FCZ oder ein Marco Schönbächler zum FCB wechseln, wäre der Aufschrei in den Medien und bei der Fanbasis auf beiden Seiten gross.
Der Frauenfussball pflegt ein lockeres Verhältnis zu städtischen Rivalitäten zwischen Zürich und Basel und erinnert eher an die Gründungszeiten des Männerfussballs – als es auch problemlos möglich war, dass der FCZ-Gründer Hans Gamper bei einigen Spielen dem FCB aushalf. Das heisst nicht, dass auf dem Platz nicht entsprechend gekämpft würde, wenn Baslerinnen auf Zürcherinnen treffen.
Wer weiss, was in den nächsten 50 Jahren geschehen wird. Vielleicht ist es dann Usus, dass die Muttenzerkurve die Goalgetterin des FC Zürich mit Schmähgesängen eindeckt. Oder die Südkurve über einen verschossenen Penalty einer Baslerin lacht.
Ausstellung «Eine eigene Liga»: 50 Jahre Frauenfussball in der Schweiz
Wann: 17. August - 31. 12. 2020
Wo: FCZ Museum, Werdstrasse 21, 8004 Zürich
Mehr zum Schweizer Frauenfussball und die Infos zur Ausstellung gibt es hier.
Über die Autoren:
Simon Engel ist Historiker und Bolzplatz-Kolumnist. Für Swiss Sports History analysiert er regelmässig uralte Tore, Einwürfe und dergleichen wissenschaftlich.
Michael «Mike-Eisenfuss» Jucker ist Historiker, Projektleiter von sportshistory.ch und Co-Leiter des FCZ-Museum, er forscht und schreibt über verschiedene Sportarten und Sportkulturen aber auch über eidgenössische Plünderer im Mittelalter. Der Mittwochabend ist ihm heilig, da spielt er im hohen Alter von 50 Jahren noch leidenschaftlich Hallenfussball.