2025-06-06 Frage des Tages Arm trotz Arbeit-1

Arm trotz Arbeit – wer muss zahlen?

Aktuell beschäftigt sich das Parlament in Bern mit Mindestlöhnen. Für Zündstoff in dieser Diskussion sorgt jetzt eine Aussage des Direktors des Schweizerischen Arbeitgeberverbands Roland A. Müller. «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber», sagte er im Rahmen einer Anhörung der Wirtschaftskommission im Nationalrat, wie der Blick erfahren hat. Gegenüber der Zeitung ergänzt er: «Natürlich ist es das Ziel, dass man vom eigenen Lohn leben kann – das ist völlig unbestritten.» Die Realität zeichne aber ein anderes Bild. Es gebe gewisse Tätigkeiten oder Branchen, in denen höhere Löhne nicht möglich seien, weil die Unternehmen die entsprechende Wirtschaftsleistung nicht erbringen könnten. Gemäss Bundesamt für Statistik waren 2023 4,4 Prozent aller Erwerbstätigen von Armut betroffen. Geht es nach dem Arbeitgeberchef, muss die Sozialhilfe einspringen, wenn der Lohn nicht zum Leben reicht. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran hingegen findet: «Wenn ich keine existenzsichernden Löhne zahlen kann, bin ich eine miese Unternehmerin oder eine hinterlistige Ausbeuterin meiner Leute.»

830 Stimmen
Helena Krauser
Helena Krauser
Moderation
Top antworten
Ueli Keller
06. Juni 2025 um 04:55

Wo Scham ist …

Das Lohnsystem ist ein Teil der Wirtschaftspolitik. Sie müsste sich schämen in und mit einer Welt, wo Armut herrscht. Wo Scham ist, möge Demut und Heilung werden.

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Roger Berger
06. Juni 2025 um 08:42

Wie bitte?

Wenn also jemand 100 Prozent zu einem Lohn arbeitet, der nicht zum Leben reicht, soll der Staat einspringen? Dies von Leuten die bei jeder Gelegenheit schreien, der Staat solle sich aus der Privatwirtschaft raushalten. Und die wundern sich dann auch noch, wenn sie seit Jahren so ziemlich jede Volksabstimmung verlieren...

Ueli Mäder
Ueli Mäder
Soziologe

Agumentation des Arbeitgeberverbands ist demütigend

Ein volles Erwerbseinkommen muss existenzsichernd sein. So lautete in den 1960er-Jahren ein politisch liberaler Kompromiss. Er ist leider aufgebrochen. Untere Einkommen müssen ihren Erwerbsgrad immer mehr ausweiten, um einen Haushalt ernähren zu können. Das ist kontraproduktiv und gefährdet den sozialen Zusammenhalt. Dies auch deshalb, weil mit sinkenden Einkommen die gesundheitlichen Probleme steigen. Damit erhöhen sich gesellschaftliche Kosten und familiärer Stress. Darunter leiden viele Kinder. Sie entwickeln Schulschwächen, verlieren an Selbstwert und das beeinträchtigt wiederum ihre beruflichen Aussichten. Dahinter steckt eine finanzgetriebene Ideologie, die seit Ende der 1980er-Jahre zunehmend dominiert. Diese wirtschaftlich liberale Gläubigkeit favorisiert private Gewinne und forciert die Konkurrenz. So verschärfen sich soziale Gegensätze. Primär bei den Vermögen und Löhnen. Rund ein Viertel der Haushalte haben kein steuerbares Nettovermögen. Sie verfügen über keine Reserven. Und etliche von ihnen müssen für weniger Lohn mehr arbeiten. Das ist demütigend. Wie das Argument, Leistung entscheide, wie hoch ein Lohn sei. Das sagen vor allem jene, die Geld für sich arbeiten lassen. Umso wichtiger sind gesellschaftlich definierte Mindestlöhne. Sie mindern Stress und Leid.

Claus Mayer
06. Juni 2025 um 07:09

Dei Aussage ist umso widerwärtiger, da ausgerechnet die Berufe betroffen sind die unser Land am Laufen halten und unser aller Lebensluxus ermöglichen. Solange es möglich ist einem Fussballer Millionen zu zahlen, einem Banker oder Manager muss es möglich sein dass der geringste Lohn den eine Firma zahlt zum Leben ausreicht. Denn sonst hat auch der Manager seinen Lohn nicht verdient.

Domenico Sposato Caritas
Domenico Sposato
Geschäftsführer Caritas Basel

Löhne müssen hoch genug sein

Ein genügend hohes Erwerbseinkommen ist das wichtigste Mittel zur Existenzsicherung und damit die beste Armutsprävention. Mindestlöhne leisten in Kombination mit weiteren Massnahmen einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung. Existenzsicherende Löhne sind unabdingbar für ein würdige Arbeit.

Laurent-BastA-lowres
Laurеnt Schüрbach
06. Juni 2025 um 06:56

Universelles Grundeinkommen

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie ich zustimmen würde, dass eine Vollzeitbeschäftigung nicht das Existenzminimum garantiert: Entweder man ist selbständig, oder wir haben ein universelles Grundeinkommen (UBI) eingeführt. Ich hoffe, dass Herr Müller tatsächlich UBI und nicht sociale hilfe meint. Wenn der Staat jedem ein Grundeinkommen garantiert, dann - ok - kann man auch Jobs annehmen, die das Grundeinkommen nicht abdecken. Bis dahin muss jeder, der 100% arbeitet, davon leben und seine Familie versorgen können. Die Aufgabe der Sozialhilfe ist nicht, die Gier der Arbeitgeber zu decken.

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