Hier gibt's kulturelle Glücksmomente unter samtenem Himmel

Der dreifache Oscargewinner «Nomadland» läuft endlich in den Basler Kinos; dieses und weitere Highlights aus dem aktuellen Kulturprogramm.

Frances McDormand im oscarprämierten Film «Nomadland»
Eine Gefangene unter freiem Himmel: Frances McDormand spielt im Oscar prämierten Film «Nomadland» eine Arbeits-Nomadin. (Bild: Disney)

Willkommen, liebe Anhänger*innen der gepflegten Unterhaltung.

Vielleicht habt ihr das nur am Rande mitbekommen, oder vielleicht habt ihr seither, ähnlich wie ich, sehnsüchtig darauf gewartet: «Nomadland» läuft endlich in den Basler Kinos – also der Film, der Ende April bei den Oscars abgeräumt hat, mit Auszeichnungen für den besten Spielfilm, die beste Hauptdarstellerin und die beste Regie.

Ich habe den Film gesehen und finde: WOW!

Warum – und was sich sonst noch in Basel zu besuchen lohnt – liest du ⬇️⬇️

Leben und Überleben im Van 🏜️

Also, «Nomadland»! Der Film von Chloé Zhao (sie ist übrigens die erste woman of colour, die den Regie-Oscar gewonnen hat) handelt, grob gesagt, von den Nachwehen der Finanzkrise 2008. Im Mittelpunkt steht die 60-jährige Fern (gespielt von der fantastischen Frances McDormand). Ihr Ehemann ist tot und die Bergbaustadt, wo das Paar jahrelang gearbeitet und gelebt hat, musste schliessen. Also packt Fern ihr ganzes Hab und Gut in einen Wohnwagen und reist damit quer durchs Land, immer auf der Suche nach Gelegenheitsjobs. Mal verpackt sie Fliessbandprodukte im Amazon-Lager, mal brät sie Burger, mal putzt sie Toiletten.

Fern hat keine Ersparnisse und wird deshalb zu einer von unzähligen Arbeits-Nomaden im Westen der USA, denen Chloé Zhao mit «Nomadland» ein würdevolles Denkmal setzt. Das Spezielle daran: Frances McDormand ist eine von wenigen richtigen Schauspieler*innen im Film. Als Fern trifft sie auf mehrere «echte» Nomaden, die sich im Film quasi selbst spielen und Fern von ihrem Leben und Überleben on the road erzählen.

Diesen quasi dokumentarischen Zugang reichert Zhao mit sehnsuchtsvollen Bildern der weiten Prärie an. Wir kennen diese Landschaften aus klassischen Western-Filmen, und Fern hat mit der resoluten Art, wie sie ihren ganzen Schmerz wortlos in ihrem Inneren begräbt, auch etwas von einem klassischen Western-Helden. In einer Szene wird ihr Leben als Nomadin sogar mit jenem der Pionier*innen verglichen. Doch der weite Himmel steht bei Chloé Zhao nicht mehr für die grenzenlosen Möglichkeiten des amerikanischen Traums, sondern wird zum Pflaster für all die geschundenen Seelen, die unter ihm nicht zur Ruhe kommen.

«Nomadland» ist ein stiller Film von sublimer Schönheit, nie moralisierend, aber mit maximaler Empathie. Und deswegen absolut sehenswert!

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Chloé Zhao: «Nomadland»

Ab Donnerstag, 10. Juni, im kult.kino Atelier und im Pathé Küchlin.

Ausgezeichnete Schweizer Medienkunst 🔆

HeK: Dinner Party (working title), Maria Guta, video still, 2021
Maria Guta (Bild: «Dinner Party») war eine der Gewinner*innen der Pax Art Awards 2020. (Bild: HeK)

Während den letzten Basler Kunsttagen im September 2020 (die diesjährigen sind eben zu Ende gegangen) verlieh das HeK zusammen mit der Art Foundation Pax die Pax Art Awards. Diese Preise gingen an herausragende Schweizer Künstler*innen, deren Werke Medientechnologien nutzen beziehungsweise deren Auswirkungen reflektieren.

Die drei Preisträger*innen Studer/van den Berg, Simone C Niquille und Maria Guta stellen nun im HeK in der Ausstellung «Schweizer Medienkunst» erstmals neue Arbeiten aus. Im Grunde sind das drei Einzelausstellungen, die parallel laufen:

  • Studer/van den Berg erschaffen fiktive Welten im digitalen Raum.
  • Maria Guta reflektiert Identität und Selbstdarstellung in den Sozialen Medien.
  • Simone C Niquille setzt sich spielerisch mit digitalen Datensätzen auseinander.

Das HeK schreibt, dass die Künstler*innen aus verschiedenen Blickwinkeln «aktuelle Fragestellungen zu Gesellschaft und Technologie» beleuchten.

Die Ausstellung läuft bis zum 15. August – und ist am Eröffnungswochende kostenlos zugänglich.

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Schweizer Medienkunst: Studer/van den Berg, Maria Guta, Simone C Niquille – Pax Art Awards 2020

9. Juni bis 15. August im HeK – Haus der elektronischen Künste.

Neueröffnung an alter Stätte 🧸

Museum Kultur & Spiel, Riehen (ehemals Spielzeugmuseum Riehen) im Wettsteinhaus
Das Museum Kultur & Spiel (ehemals Spielzeugmuseum) im Wettsteinhaus in Riehen. (Bild: MUKS)

Nach eineinhalbjähriger Schliessung feiert das Spielzeugmuseum in Riehen am Samstag seine Neueröffnung unter neuem Namen: Museum Kultur & Spiel, oder kurz: MUKS.

Neu im Wettsteinhaus ist aber nicht nur der Name, sondern auch die Ausrichtung: Das klassisch kulturhistorische Museum verpasst sich einen zeitgenössischen Touch und will nun vermehrt zum Mitmachen animieren.

Zu sehen gibt es ab dem Wochenende zwei Dauerausstellungen:

  • «Spiel» basiert auf der wertvollen Spielzeugsammlung des Museums.
  • «Dorf» inszeniert die Riehener Dorfgeschichte. Der ehemalige Hausherr Wettstein, seine Familie und seine Zeit werden laut dem Museum «an verschiedenen Stationen lebendig».

Die Räume des Museums sind neu gestaltet und sollen nun vor allem Familien und Schulklassen zum Verweilen einladen. Zu diesem Zweck wurde auch der Garten für das Publikum geöffnet.

Der Eintritt am Eröffnungswochenende ist gratis.

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Museum Kultur & Spiel: Eröffnung

Samstag, 12. Juni, Riehen.

Tanzende Annäherung an die Kunst 💃🏾

Die Tänzer*innen Elias Boersma, Eva Blunno, Mirko Campigotto und Celia Sandoya in der Choreographie von Stefanie Pechtl.
Von Kara Walkers Kunst inspiriert: Tänzer*innen vom Ballett Theater Basel in einer Choreographie von Stefanie Pechtl. (Bild: Dominik Asche)

Wie sehr Kulturstadt Basel ist, merkt man auch an den zahlreichen Kollobarationen zwischen den einzelnen Kulturinstitutionen. Diese Woche beispielsweise spannen das Kunstmuseum und das Theater Basel zusammen.

Und zwar präsentieren Tänzer*innen des Ballett Basel, unter der Leitung von Ballett-Direktor Richard Wherlock, fünf verschiedenen Choreografien, die von der radikalen Kunst von Kara Walker inspiriert sind, die derzeit in einer grossen Ausstellung im Kunstmuseum zu bestaunen ist.

Das rund einstündige Werk trägt den Titel «Telling Bodies» und stellt laut Medienmitteilung «die Sprache der Körper sowie Musik und Töne» in den Fokus. Ballett-Direktor Wherlock erklärt das Konzept folgendermassen: «So wie Kara Walker in ihrem Werk unerbittlich an Geschichtsbildern rüttelt und in ihrer Bildsprache Rassismus und Gewalt befragt, so können auch wir im Tanz den Fragen nach Identität, Rasse und Geschlecht nicht entkommen – ist es doch immer der Körper, der im Mittelpunkt steht.»

«Telling Bodies» wird ab Freitag insgesamt fünf Mal aufgeführt, jeweils im Neubau des Kunstmuseums.

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«Telling Bodies»

Fr 11.6., Do 24.6., Fr 25.6., Sa 26.6., jeweils 11 Uhr und 16 Uhr, und So 27.6., 14 Uhr, Kunstmuseum, Neubau.

Bildrausch Filmfest 🍀

Der Film läuft im Wettbewerb des 10. Bildrausch Filmfest Basel
Die Komödie «Blutsauger» ist eines der Highlights am 10. Bildrausch Filmfest. (Bild: Bildrausch)

Bildrausch – so heisst das Festival, das allen Cineast*innen einen Endorphinschub verpasst. Das Basler Filmfest startet kommenden Mittwoch in seine 10. Ausgabe und bietet wie immer ein Programm für Feinschmecker*innen.

Besonders beeindruckend: Internationale Autorenfilme, die diese Woche ihre Weltpremiere an der (Sommerausgabe der) prestigeträchtigen Berlinale feiern, laufen quasi gleichzeitig bei uns in Basel. Zum Beispiel die Vampirkomödie «Blutsauger» von Julian Radlmeier oder die poetische Alltags- und Fussballbetrachtung «What Do We See When We Look at the Sky» von Alexandre Kobernidze. Hammer!

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10. Bildrausch Filmfest

Mittwoch, 16. Juni, bis Sonntag, 20. Juni. Stadtkino, Neues Kino und kult.kino Atelier.

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