Basel wählt nicht einfach, wen Rotgrün ihm vorsetzt

Elisabeth Ackermann macht ein desaströses Ergebnis in den Regierungsratswahlen – und das trotz grüner Welle! Trotzdem will Rotgrün die bisherige Regierungspräsidentin in den zweiten Wahlgang schicken und kann auf die Mobilisierung der Konzernverantwortungsinitiative hoffen. Eine Analyse.

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Der Grüne Präsident Harald Friedl und Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann haben nichts zu lachen. Tanja Soland (SP) machte das Top-Ergebnis. (Bild: Franziska Zambach)

Es ist grüne Welle – und Elisabeth Ackermann schifft ab. Die Grüne Regierungspräsidentin landet in den Regierungsratswahlen nur auf Platz neun. Damit muss sie in den zweiten Wahlgang. Und es sieht gar nicht gut aus für sie: Stephanie Eymann liegt weit vor ihr, die LDP-Newcomerin wäre fast gewählt worden, sie hat das absolute Mehr nur um 79 Stimmen verpasst.

Damit haben die Basler Wähler*innen ein überraschend deutliches Zeichen gesetzt: Sie sind unzufrieden mit der Arbeit von Elisabeth Ackermann. Das schlechte Ergebnis richtet sich nicht gegen ihre Partei, sondern gegen ihre Person. Denn während Ackermann ein desaströses Ergebnis macht, reitet das Grüne Bündnis (+4), zusammen mit den Grünliberalen (+4) bei den Parlamentswahlen auf der grünen Erfolgswelle. Das zeigen die Resultate des Grossen Rats.

Ist das klug?

Trotzdem betonte Elisabeth Ackermann immer wieder: «Ich trete im 2. Wahlgang noch einmal an.» Und auch die SP steht offenbar hinter ihr, wie SP-Präsident Pascal Pfister mehrmals wiederholte.

Riskieren SP, BastA! und Grüne damit nicht nur das Regierungspräsidium, sondern auch die rotgrüne Mehrheit in der Regierung?

Dröseln wir auf: Bisher gewählt sind die Bisherigen: Tanja Soland (SP), Lukas Engelberger (CVP), Conradin Cramer (LDP) und - als neuer Regierungsrat – Beat Jans (SP).

Regierungsrat
Nur die chancenlosen Kandidat*innen schnitten schlechter ab als Elisabeth Ackermann. (Bild: Quelle Staatskanzlei)

Von den nicht gewählten Kandidat*innen haben LDP-Stephanie Eymann und Kaspar Sutter (SP) die besten Ergebnisse gemacht. Werden sie im zweiten Wahlgang direkt gewählt, müssen die Bisherigen Baschi Dürr (FDP) und Elisabeth Ackermann um den letzten Sitz kämpfen. Gewinnt Baschi Dürr, ist die rotgrüne Mehrheit Geschichte.

Ist es also wirklich gescheit von Rotgrün, nochmals mit der unbeliebten Elisabeth Ackermann anzutreten? Einerseits, muss man sagen: Die Grünen haben fast keine andere Wahl. Es gibt in der Partei schlicht niemanden von Regierungskaliber, seit die ehemalige Präsidentin Mirjam Ballmer nach Freiburg gezogen ist. Bliebe noch die Bündnispartnerin BastA!: Heidi Mück hat als Regierungskandidatin vor vier Jahren ein passables Ergebnis gemacht.

Andererseits war die dünne Personaldecke bislang machtpolitisch kein grosses Problem. Die Strategie der Bündnispartnerin SP war: Den Grünen das unbeliebte, weil einflusslose Regierungspräsidium zuzuschieben und selbst die Machtzentren Finanz-, Wirtschafts- und Baudepartement zu regieren. Nach dem Motto: Rotgrün kann fast jede*n hinstellen, das linke Basel wählt, wen man ihm vorsetzt. 

Diese Strategie ging dieses Mal zwar nicht auf – der erste Wahlgang war eine Personenwahl wie aus dem Bilderbuch. Und Elisabeth Ackermann wurde abgestraft.

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Bei der Regierungswahl lag Elisabeth Ackermann hinter Esther Keller, beim Präsidium vor ihr. (Bild: Quelle: Staatskanzlei BS)

Sie führt ihr schlechtes Ergebnis vor allem auf die Causa historisches Museum zurück: Die Regierungspräsidentin hat den Museumsdirektor Marc Fehlmann nach monatelangem Hin und Her vor die Tür gestellt – und wurde von allen Seiten dafür kritisiert, inklusive der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats.

Der Hauptgrund aber ist: Ackermann kann sich nicht verkaufen. Es ist ihr nicht gelungen, ihren Führungs-Entscheid in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Nicht nur, weil sie gar nicht darüber reden durfte, weil sie den Persönlichkeitsschutz wahren muss. Sie wirkte schlicht unsouverän.

Eloquent und charmant

Anders die beiden neuen Kandidati*innen Stephanie Eymann (LDP) und Esther Keller (GLP): Ihr Auftritt ist eloquent und charmant.

Andererseits steht der zweite Wahlgang unter anderen Vorzeichen als der erste: Der zweite Wahlgang wird zur Richtungswahl, es geht um die Mehrheit in der Regierung. Und es könnte sein, dass die Wähler*innen angesichts dieser Dringlichkeit aus machtpolitischem Kalkül eine Ackermann wählen, die sie nicht ganz überzeugt.

Helfen könnte Rotgrün auch das Datum des Wahlgangs, der 29. November. Dann stimmt die Schweiz nämlich über die Konzernverantwortungsinitiative ab – diese Abstimmung wird viele potenziell linke Basler*innen an die Urne bringen. Und in einer Richtungswahl reicht Elisabeth Ackermann auf dem Wahlzettel vielleicht eben doch für eine rotgrüne Mehrheit.

Dann ist es der Freisinnige Baschi Dürr, der um seine Wiederwahl zittern muss. Dürr muss, wie bei den letzten und vorletzten Wahlen, ebenfalls in den zweiten Wahlgang. Dürr ist zwar, im Gegensatz zu Ackermann, so selbstbewusst, wie man nur sein kann, hat aber ein schwieriges Departement. Gerade im Corona-Jahr hat Dürrs Polizei unter dem Strich zwar Augenmass bewiesen, aber als Justizdirektor kann man es nie allen Recht machen: Fährt die Polizei bei Demonstrationen ein, ist links hässig. Tut sie es nicht, motzt die Rechte. 

Kommt hinzu: Dürrs FDP steht schlecht da. Sie im Grossen Rat drei Sitze verloren.

Bajour kann man auch wählen.
Hier.

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Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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